Amok-Prozess

Kommt Alen R. nach sieben Jahren wieder frei?

Österreich
20.09.2016 06:00

"Denn sie wissen nicht, was sie tun", lautet der Titel eines Films. Ein Motto, das auch für Geisteskranke, die ein Verbrechen begehen, gilt. Oft sind das besonders grausame Taten. In allen Fällen enden die Prozesse mit der Einweisung in eine psychiatrische Anstalt, aus der die Verurteilten im Schnitt nach sieben Jahren wieder entlassen werden. Auch Amokfahrer Alen R. (27) soll laut Staatsanwalt eingewiesen werden.

Für die Justiz gilt: Verurteilt werden kann nur der, der verantwortlich für seine Taten ist. Begeht ein Geisteskranker ein Verbrechen, kann er nur in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden. Denn es geht nicht um Strafe, sondern um Heilung, und in einigen Fällen auch um Absonderung von der Gesellschaft. Die Entlassung winkt, wenn der Inhaftierte weder für sich selbst noch für andere eine Gefahr darstellt.

Prozesse um "Einweisungen" verlaufen ähnlich wie Strafverfahren. Es muss zuerst über das zur Diskussion stehende Verbrechen entschieden werden - im Fall von Alen R. also über Mord und Mordversuch mit drei Toten und 52 zum Teil schwerst Verletzten. Dann referieren Gutachter über den Geisteszustand des "Betroffenen". So werden Angeklagte in derartigen Verfahren genannt. Die letzte Entscheidung, ob es tatsächlich zu einer Einweisung kommt, treffen die Geschworenen, die sich bisher immer an den Gutachtern orientierten.

Die Behandlung erfolgt meist in Anstalten, die durchaus mit Gefängnissen vergleichbar sind. Kürzlich wurde erst ein neues Forensisches Zentrum im oberösterreichischen Asten eröffnet.

Geisteskranke im Schnitt nach sieben Jahren entlassen
Hat ein Geisteskranker einen Mord verübt, wird er im Schnitt nach sieben Jahren wieder entlassen, so die Statistik des Justizministeriums. Diese besagt auch, dass die Rückfallquote von straffällig gewordenen Geisteskranken geringer ist als bei normalen Straftätern. Meist erfolgt die Entlassung mit Auflagen wie regelmäßiger ärztlicher Kontrolle und Ähnlichem.

Verbrechen von Geisteskranken sind oft spektakulär, wie Beispiele zeigen. In den meisten Fällen leiden die "Betroffenen" an paranoider Schizophrenie, so wie angeblich auch Alen R.

"Ich wollte die Welt vom Teufel befreien"
"Ich wollte die Welt vom Teufel befreien", sagte jener Student, der 1993 in Wien seiner Mutter den Kopf abgeschnitten und diesen auf dem Ladentisch der Boutique der Frau deponiert hatte. Oft sind nahe Angehörige die Opfer von Geisteskranken. Fast alle Fälle haben eines gemein: Die Täter waren schon lange in psychiatrischer Behandlung. Bei Alen R. ist das jedoch etwas anders.

Sogar Kannibalismus war in einem derartigen Verfahren ein Thema: 2008 stand ein Deutscher in Wien vor Gericht, der einen Mitbewohner erschlagen und dessen Leiche dann aufgeschnitten und möglicherweise auch kleine Teile davon verspeist hat. Im oberösterreichischen Steyr hat eine geisteskranke Prostituierte ihren Liebhaber an die Heizung gefesselt und die Wohnung angezündet.

"Ja, ich würde wieder töten"
Ein besonders schreckliches Verbrechen verübte ein 30-jähriger Pole in Wien. Er drang im Mai 2015 im Bezirk Donaustadt in das Haus eines Ehepaares ein,  tötete den Mann (75) und vergewaltigte die 74-jährige Frau, die er dann ebenfalls ermordete. Einen Monat zuvor hatte er in Schweden einen Mann erstochen. In beiden Fällen schrieb Dariusz K. auf die Opfer das Wort "Tantal". Seine Begründung: "Das war ein griechischer Gott, der genauso verflucht war wie ich." Und noch etwas sagte er vor Gericht: "Ja, ich würde wieder töten." Auch er wurde eingewiesen.

Gutachter dominieren Prozess des Jahres
Am Dienstag, Punkt 9 Uhr, wird der Vorsitzende Andreas Rom den Prozess des Jahres eröffnen. Die Geschworenen werden etwas abseits des Richtertisches Platz nehmen. Acht Laienrichter müssen letztlich die Entscheidung treffen. Die einzigen Voraussetzungen: 25 bis 65 Jahre alt, Österreicher, unbescholten.

Nach den Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidigung wird der "Betroffene" Alen R. einvernommen. Das dürfte nicht allzu lange dauern, denn an die Horrorfahrt durch die Grazer Innenstadt will er sich nicht erinnern können. Noch am Dienstagnachmittag sagt der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl als Zeuge aus. Auch er zählt zu den Opfern. Bis Freitag folgen mehr als 100 weitere Zeugeneinvernahmen.

Am Montag beginnt der Reigen der Gutachter. Entscheidend sind dabei die Expertisen der drei Psychiater und der Psychologin. Zwei Gutachter haben eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert und Alen R. für unzurechnungsfähig erklärt.

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