Mythos entzaubert

Studie: Vollmond raubt uns doch nicht den Schlaf

Wissenschaft
21.06.2014 06:00
Seit Jahrhunderten glauben viele Menschen, dass ihre Gesundheit oder ihr Verhalten durch den Mond beeinflusst werden. Vor allem die Überzeugung, dass man in Vollmondnächten schlechter schläft, ist weit verbreitet. Eine neue Studie räumt mit diesem Mythos auf. Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen konnten Forscher am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München nämlich keinen Zusammenhang zwischen dem Schlaf und den Mondphasen finden.

Für ihre Untersuchung analysierten die Wissenschaftler große, bereits vorhandene Datensätze über den Schlaf von insgesamt 1.265 Teilnehmern aus knapp 2.100 Nächten. "Nachdem wir diese große Anzahl von Daten ausgewertet hatten, konnten wir frühere Ergebnisse aus anderen Studien nicht bestätigen", sagt Neurowissenschaftler Martin Dresler. "Wir konnten keinen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen menschlichem Schlaf und den Mondphasen aufzeigen."

Schubladen- und andere Phänomene
Andere Studien mit deutlich weniger Teilnehmern hatten hingegen einen Einfluss des Erdtrabanten gesehen. Dresler und seine Kollegen suchten weiter und stießen auf Untersuchungen, die wie sie selbst keinen Einfluss des Mondes feststellen konnten. Diese Studien waren oft gar nicht veröffentlicht worden. Diejenigen Forscher, die doch einen Zusammenhang fanden, publizierten das.

Manchmal könnten es zufällige Treffer gewesen sein, bedingt durch die kleinen Probanden-Gruppen. Einmal seien in der Gruppe, deren Schlaf bei Vollmond untersucht wurde, besonders viele ältere Menschen gewesen - und die schlafen ohnehin meist schlechter als jüngere. So schien der Mythos bestätigt. Die Forscher sprechen von einem Schubladenphänomen. "Dieses Phänomen gibt es in der gesamten Wissenschaft", sagt Dresler.

Studienlage bleibt uneinheitlich
Insgesamt bleibe die Studienlage trotz der neuen Untersuchung uneinheitlich, schränkt Alfred Wiater ein. Er ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin und Chefarzt der Kinderklinik des Krankenhauses Köln-Porz. "Unbestritten ist die subjektive Komponente, das heißt, dass es Menschen gibt, die das Gefühl haben, bei Vollmond schlechter schlafen zu können. Weiter zu klären ist die Frage, ob es Menschen gibt, die konstitutionell bedingt empfindlicher auf Mondphasen reagieren könnten als andere." Was der Vollmond in klaren Nächten bringe und die meisten Menschen tatsächlich im Schlaf beeinträchtige, sei das Licht. "Helligkeit steht der Ausschüttung des Einschlafhormons Melatonin entgegen und hat damit eine schlafstörende Wirkung", sagt Wiater.

Jenseits des Vollmondes gibt es erwiesene "Schlaf-Störer": große Hitze, zu viel Alkohol oder Nikotin. Auch körperliche und psychische Krankheiten können Gründe für gestörten Schlaf sein - und umgekehrt: "Für viele somatische Krankheiten und die meisten psychiatrischen Krankheiten ist gestörter Schlaf ein Risikofaktor", sagt Dresler. Das reiche von Angststörungen über Schizophrenie bis zu Depression und - im körperlichen Bereich - Herz-Kreislauf-Erkrankungen. "Das ist ein großer volkswirtschaftlicher Faktor."

Immer weniger Schlaf in Industrienationen
Darüber hinaus gibt es laut Dresler Hinweise, dass die Menschen in den Industrienationen immer weniger schlafen. Ob es am Stress im Job liege, an der steigenden Reizüberflutung, an immer mehr Unterhaltungsangeboten oder einfach durch Partylaune, sei unklar, berichten die Wissenschaftler im Fachjournal "Current Biology".

Wiater sieht ebenfalls gesundheitliche Gefahren durch gesellschaftliche Entwicklungen. "Dazu zählen Helligkeit und Lärm in der Nacht, die Schichtarbeit, globalisierungsbedingte weltumfassende nächtliche Internetaktivitäten, aber auch Freizeitaktivitäten mit regelmäßigem nächtlichem Schlafentzug und private ausgiebige nächtliche Medienaktivitäten." Dass die Menschen sich an das wenige Schlafen gewöhnen oder gar daraus Profit ziehen, ist nicht absehbar. "Anpassungsfolgen im positiven Sinne sind nicht erkennbar." Sieben bis acht Stunden Schlaf brauchen den Schlafexperten zufolge die meisten Menschen, manchen reichen fünf bis sechs Stunden.

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