Bischof Krautwaschl:

„Die heile Welt gab’s schon bei Jesu Geburt nicht“

Steiermark
24.12.2025 07:00

Amoklauf in Graz und der Tod der Mutter: Für den steirischen Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl sind es keine ungetrübten Weihnachten. Doch er sagt: Es gibt Hoffnung.

„Krone“: Es ist das erste Weihnachten ohne Ihre Mutter, die heuer 95-jährig verstorben ist. Wird es ein schmerzhaftes Fest für Sie, Herr Bischof?
Bischof Wilhelm Krautwaschl: Ich bin gespannt, wie es werden wird. Vom Feiern her wird es nicht anders werden, weil ich in den letzten Jahren immer im Dienst war und den Heiligen Abend nicht im Familienkreis begehen konnte. Aber natürlich von den Emotionen her. Wenn ich ihr Grab besuche, vertraue ich meiner verstorbenen Mutter vieles an, weil ich es ernst nehme, dass sie nun bei Gott lebt. Die Dankbarkeit überwiegt, dass ich sie hatte.

Kommen da auch Erinnerungen an Ihre Kindheit hoch, wie Sie mit den Eltern den Heiligen Abend verbracht haben?
Natürlich, die Erinnerungen sind da. Einmal habe ich eine Carrera-Rennbahn bekommen, aber sie hat nicht funktioniert und ich habe bis zwei Uhr in der Früh daran herumprobiert. Dann denke ich oft an meinen Vater, der Bestatter war und am Heiligen Abend mehrere Jahre in Folge Suizidierte abholen musste. Wie feiert man dann? Das ist das Dunkle an Weihnachten.

Dabei bringt man Weihnachten hauptsächlich mit heiler Welt in Verbindung.
Heile Welt gab es schon bei Jesu Geburt in einem Stall nicht, auch wenn das immer sehr idyllisch klingt. Das war kein 5-Sterne-Hotel in Bethlehem, es gab Fremdherrschaft, und Jesus musste mit seiner Familie flüchten. Der Gedanke daran hat mir geholfen, mit dem, was mein Vater und damit auch wir als Familie erleben mussten, umzugehen. Die Feier in der Heiligen Nacht erinnert uns daran: Ins Dunkle der Nacht kommt Gott! Weihnachten ist daher gerade jetzt wichtig, weil Gott alle Lebensrealitäten annimmt.

Der steirische Diözesanbischof beim Aufstellen der Krippe
Der steirische Diözesanbischof beim Aufstellen der Krippe(Bild: Jürgen Fuchs)

Das Dunkle hat auch das heurige Jahr dominiert. Beim Amoklauf am Grazer BORG starben neun Kinder und eine Lehrerin. Kann es für deren Angehörige zu Weihnachten überhaupt Trost geben?
Ja. Das Wichtigste ist: Man darf auch in tiefster Trauer nicht glauben, dass man alleine ist. Die Frage ist: Bin ich bereit, das Leben zu sehen? Was geschehen ist, kann man leider nicht ungeschehen machen, aber weil ich lebe, gibt es Zukunft. Als Seelsorger kann ich in solch furchtbaren Situationen natürlich nicht von Auferstehung reden, aber ich kann mit den Angehörigen das Leid teilen.

Laut einer Umfrage sagen nur sechs Prozent der Österreicher, Weihnachten sei für sie ein religiöses Fest. Schmerzt Sie das?
Ich verstehe das, aber ich spüre, dass es bei vielen Menschen eine Sehnsucht danach gibt, nicht im Elend zu verharren. Diese Sehnsucht aufzugreifen, können wir als Kirche anbieten. Wenn die Wirklichkeit Gottes nicht mehr akzeptiert wird, darf ich mich nicht wundern, wenn viele mit Weihnachten nichts mehr anfangen können. Aber angesichts der vollen Kirchen zu Weihnachten glaube ich: Es sind mehr als sechs Prozent, für die es das Fest der Geburt Christi ist.

Weihnachten, das Fest des Konsums, volle Geschäfte am Marienfeiertag 8. Dezember. Ist Shopping der Sinn von Weihnachten im 21. Jahrhundert?
Der Theologe Paul Zulehner hat einmal gesagt: Früher war die Lebenserwartung 60 Jahre plus das ewige Leben, heute ist bei vielen die Lebenserwartung 80 Jahre – und danach nichts mehr. Ich muss notwendigerweise alles in diese 80 Jahre hineinstopfen und soll dabei tunlichst keine Schwäche zeigen. Daran denke ich, wenn man meint, zu jeder Zeit alles im Kühlschrank haben zu müssen. Wer gibt schon gerne zu, dass er nicht perfekt ist? Aber: Niemand ist perfekt, auch wenn uns Konsum und Materielles oft nach außen hin etwas anderes signalisieren sollen.

Bischof Wilhelm Krautwaschl mit Gerald Schwaiger
Bischof Wilhelm Krautwaschl mit Gerald Schwaiger(Bild: Jürgen Fuchs)

Seit heuer haben die Katholiken einen neuen Papst, Sie waren bei seiner Amtseinführung dabei. Welchen Eindruck haben Sie von Leo XIV.?
Ein Papst mit dieser Lebensgeschichte, mit Multilingualität und weltweiter Verantwortung aus einem Orden, ein Nordamerikaner, der auch in Südamerika war, ist ein Geschenk. Es hätte uns nicht Besseres passieren können. Franziskus hat vieles aufgebrochen, angestoßen, und Leo bringt es nun in geordneten Bahnen zu Ende. Manches wird in unseren Breiten sicher als zu langsam empfunden, aber da sollte sich Europa in Selbstgenügsam üben.

In Wien gibt es mit Josef Grünwidl einen neuen Erzbischof. Die richtige Wahl?
Für den Papst auf alle Fälle, und damit auch für mich. (lacht) Im Ernst, es war wichtig, jemanden zu nehmen, der Wien, diese große Diözese, kennt. Es ist beachtenswert, dass Josef Grünwidl gesagt hat, er möchte Seelsorger bleiben. Er wird es gut machen, aber er wird, wie der Papst, nie alle Erwartungen erfüllen können.

Waren Sie froh, dass dieser Kelch an Ihnen vorbeigegangen ist?
Ich habe mir nie diese Frage gestellt, weil ich in der Steiermark glücklich bin. Ich habe mich manchmal nur gewundert, was einem in den Medien zugetraut wird.

Sind Sie froh, mit Weihbischof Johannes Freitag eine neue Stütze zu haben?
Ich bin jetzt zehn Jahre lang Bischof, war an keinem Ort in der Seelsorge so lange tätig wie hier in Graz. Damit man nicht abstumpft, braucht man von außen wieder einen neuen Impuls. Weihbischof Johannes Freitag macht mich auf dieses und jenes aufmerksam, hat neue Herangehensweisen, und daher ist er ein Segen für mich und die Diözese.

Was ist Ihre Weihnachtsbotschaft an die Steirer?
Dass wir Hoffnung haben dürfen. Die Hoffnung stirbt nie! Selbst wenn es um den Tod geht, sagen wir als Christen: Das ist nicht das Ende. Nur weil sich rundherum manches ändert, muss man nicht verzweifeln.

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