Der Mann als Gewalttäter, die ganze Familie leidet – dieses häufige Szenario verkehrte sich bei einem Prozess am Landesgericht Innsbruck ins Gegenteil. Angeklagt wegen fortgesetzter Gewaltausübung war eine 39-jährige Frau.
Wüste Szenen – und dies immer wieder – hatten sich laut Staatsanwaltschaft im Haushalt der gebürtigen Kambodschanerin im Tiroler Oberland abgespielt. Ihren Ehemann hatte sie demnach jahrelang so gut wie wöchentlich mit Gegenständen beworfen. In einer Episode drohte sie mit einem Messer, sich und die Kinder umzubringen, falls er sich scheiden ließe.
Holzstöcke und Schuhe als Waffen
Auch die Kinder mussten leiden: Dem mittlerweile 19-jährigen Sohn zerrte sie laut Anklage immer wieder an den Haaren in eine Ecke oder malträtierte ihn mit Holzstöcken oder Schuhen. Weiters schlug sie auch ihre mittlerweile 8-jährige Tochter mit der flachen Hand. Auch die aktuell 16-jährige Tochter soll gelitten haben, sie enthielt sich allerdings einer Aussage.
Der Verteidiger der Frau sah das gänzlich anders. Es handle sich um eine weitestgehend erfundene Geschichte, damit sich der Ehemann einen Vorteil bei der Scheidung verschaffen konnte. Diese sei mittlerweile abgeschlossen.
Verteidiger: „Eine Watschen“ ja, aber . . .
„Ich bin überzeugt davon, dass es sich nicht so zugetragen hat wie angeklagt“, sagte er sowohl bei seinem Eröffnungs- als auch Schlussplädoyer. Es mag zwar Streitigkeiten zwischen den Ehelauten gegeben haben und womöglich auch eine „Watschen“ gegen die Kinder, aber von einer fortgesetzten Gewaltausübung – dafür drohen zwischen fünf und 15 Jahren Haft – könnte absolut keine Rede sein.
Die 39-Jährige betonte beim Prozess allerdings, sie habe im angeklagten Zeitraum seit 2019 niemals die Hand erhoben und sei absolut nie gewalttätig geworden. „Es ist nur immer häufiger zu Streit und manchmal auch zum Schreien gekommen“, sagte die Frau, die kaum Deutsch sprach und der eine Khmer-Dolmetscherin zur Seite gestellt wurde.
Aussagen der Kinder ins Reich der Fantasie verwiesen
Ihr 19-jähriger Sohn „lüge generell“ und auch die Aussagen ihrer 8-jährigen Tochter konnte sie nicht nachvollziehen und vermutetet dahinter Manipulationen ihres mittlerweile Ex-Mannes.
Richterin Andrea Wegscheider folgte diesen Argumenten nicht. Sie verhängte wegen fortgesetzter Gewaltausübung gegen den Sohn, seit dieser sechs Jahre alt gewesen sei, eine Haftstrafe von 7,5 Jahren. 10.000 Euro sind an ihn zu zahlen. Bezüglich der Vorwürfe, die Attacken auf den Ehemann und die Tochter beinhalteten, erging ein Freispruch. Es habe zwar einzelne Vorfälle gegeben, aber keine fortgesetzte Gewalt. Der Verteidiger meldete Nichtigkeitsbeschwerde an, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.
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