Die umstrittene „Chatkontrolle“ der EU wird immer noch diskutiert: In Brüssel ging das Ringen um automatisierte Scans von Nachrichten auf den Handys von Verbraucherinnen und Verbrauchern am Mittwoch weiter.
Am Mittwochabend kamen in der belgischen Hauptstadt die Botschafter der EU-Länder erneut zusammen, um über einen Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur Chatkontrolle gegen Kinderpornografie zu beraten. Das seit drei Jahren diskutierte Vorhaben sieht vor, dass Dienste wie WhatsApp, Signal und Co. Nachrichten und Fotos bei Messengern auf kinderpornografische Inhalte scannen sollen.
Hier die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Wie funktioniert Chatkontrolle und was würde sie für Nutzer bedeuten?
Grundlage für die Verhandlungen ist ein Vorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2022 („Vorschlag über Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“). Die sogenannte Chatkontrolle würde dem Vorschlag nach technisch vor allem durch automatisierte Scans auf den Endgeräten funktionieren. Experten nennen dieses Verfahren „Client-Side Scanning“. Dabei überprüft eine Software auf dem Smartphone oder Computer den Inhalt von Nachrichten, Fotos und Videos direkt, bevor diese verschlüsselt und verschickt werden. Der diskutierte Vorschlag sieht dabei nur vor, Bilder, Videos und URLs zu prüfen – reine Textnachrichten sind ausgenommen.
Die Inhalte werden dabei mit Datenbanken bekannter Missbrauchsmaterialien abgeglichen – für neue, bisher unbekannte Darstellungen sollen Algorithmen und Künstliche Intelligenz Muster erkennen. Wenn ein Verdacht entdeckt wird, erfolgt eine automatische Meldung an die zuständigen Behörden. Eine freiwillige Kontrolle dieser Art durch die Dienste gibt es bereits – der Vorschlag plant, die Anbieter dazu zu verpflichten. Sollte für eine Plattform wie WhatsApp oder Signal eine Überprüfung per Gesetz angeordnet werden, müssten die Nutzer dem noch individuell zustimmen. Tun sie das nicht, könnten Funktionen in den Apps und Diensten eingeschränkt werden.
Was sagen die Befürworter?
Fürsprecher der Kontrollmöglichkeiten betonen, dass es beim Kampf gegen Kinderpornografie um besonders schwerwiegende Kriminalität gehe. Laut EU-Kommission ist „keine allgemeine Überwachung“ der Online-Kommunikation vorgesehen, wie ein Sprecher der Kommission mitteilte. Die Bedingungen würden demnach von den Datenschutzbehörden genau überwacht werden.
Die freiwilligen Kontrollen seien für den Schutz der Kinder von großer Bedeutung. „Dank dieses Ansatzes konnten in den letzten Jahren viele große Erfolge bei Ermittlungen erzielt werden“, so der Behördensprecher.
Was sagen die Gegner?
Kritiker weisen immer wieder auf die Gefahren durch Massenüberwachung hin. Besonders Datenschützer sehen in dem Ansatz einen massiven Eingriff in die Privatsphäre.
Dieser Kritik schließt sich auch der Messenger WhatsApp an. Trotz gegenteiliger Behauptungen gefährde der Vorschlag die Privatsphäre, Freiheit und digitale Sicherheit aller, sagte eine Sprecherin des Facebook-Konzerns Meta, zu dem auch WhatsApp gehört, dem Portal Netzpolitik.org.
Wenn wir vor die Wahl gestellt würden, entweder die Integrität unserer Verschlüsselung und unsere Datenschutzgarantien zu untergraben oder Europa zu verlassen, würden wir leider die Entscheidung treffen, den Markt zu verlassen.
Signal-Chefin Meredith Whittaker
Signal hatte sogar angekündigt, sich aus Europa zurückzuziehen, sollte die EU-Verordnung kommen. „Wenn wir vor die Wahl gestellt würden, entweder die Integrität unserer Verschlüsselung und unsere Datenschutzgarantien zu untergraben oder Europa zu verlassen, würden wir leider die Entscheidung treffen, den Markt zu verlassen“, sagte Signal-Chefin Meredith Whittaker. Die Datenschutzexpertin ist Präsidentin der gemeinnützigen Signal-Stiftung in den USA, die Signal entwickelt.
Wie geht es weiter?
Zeichnet sich eine Einigung ab, könnte das Thema beim Rat der Innenminister Anfang nächster Woche in die nächste Runde gehen. Doch danach sieht es nicht aus: Wichtige Mitgliedsstaaten wie das EU-Schwergewicht Deutschland haben der Chatkontrolle in der zuletzt diskutierten Form eine Absage erteilt – eine Mehrheit ist nicht in Sicht.
Im Rat der Mitgliedstaaten bräuchte es zu einer Annahme der Verordnung letztendlich die Zustimmung von 15 der 27 EU-Staaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen. Zieht Deutschland nicht mit, ist das Thema also vorerst wieder vom Tisch.
Findet sich doch noch eine Mehrheit für den Vorschlag, bräuchte es dann eine Einigung mit dem Europäischen Parlament. Das sieht eine mögliche Chatkontrolle aber quer durch alle politischen Lager äußerst kritisch und wollte den ursprünglichen Vorschlag damals entschärfen.
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