Rauchen galt lange als der große Krebsauslöser des 20. Jahrhunderts – nun rückt ein neuer Verdächtiger in den Fokus: ultra-verarbeitete Lebensmittel. Immer mehr internationale Studien weisen auf einen Zusammenhang zwischen Fertiggerichten, Snacks oder Softdrinks und einem rasanten Anstieg von Darmkrebsfällen bei jungen Erwachsenen hin. Dieser Trend betrifft längst nicht mehr nur die USA oder Großbritannien – auch in Österreich sind steigende Erkrankungszahlen bei Jüngeren messbar.
Laut einem Bericht des britischen „Guardian“ hat sich die Zahl der weltweiten Darmkrebsfälle bei Menschen unter 50 Jahren zwischen 1990 und 2019 mehr als verdoppelt (von rund 94.700 auf 225.700). Besonders deutlich ist der Anstieg bei 20- bis 29-Jährigen. In Europa kletterten die Raten dieser Altersgruppe jährlich um fast 8 Prozent – der stärkste Zuwachs wurde bei den Jüngsten beobachtet. Eine Entwicklung, die weder allein durch bessere Diagnostik noch durch genetische Faktoren erklärt werden kann.
Erhöhtes Risiko auch bei „normalem“ Körpergewicht
Eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Arbeiten nennt ultra-verarbeitete Lebensmittel (UPFs) als einen zentralen Faktor. Dabei handelt es sich um industriell hergestellte Produkte wie Fertigmahlzeiten, Chips, zuckerreiche Frühstücksflocken, Softdrinks, verarbeitetes Fleisch oder Snacks.
Eine großangelegte Studie, die über 46.000 Männer in den USA über fast drei Jahrzehnte verfolgte, zeigte: Wer besonders viele UPFs konsumierte, hatte ein 29 Prozent höheres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken – selbst wenn Gewicht und Ernährung insgesamt berücksichtigt wurden.
Als mögliche Mechanismen gelten chronische Entzündungen, Störungen des Darmmikrobioms und Veränderungen im Insulinstoffwechsel, die durch Zusatzstoffe, Emulgatoren und künstliche Süßstoffe begünstigt werden. Bemerkenswert: Das erhöhte Risiko wurde auch bei Menschen mit normalem Körpergewicht beobachtet – ungesunde Ernährung kann also unabhängig von Übergewicht krebserregend wirken.
Bei uns schon vierthäufigste Krebserkrankung
Auch in Österreich zeigt sich dieser Wandel. Eine Studie der MedUni Wien (JAMA Network Open, 2023) wertete fast 300.000 Darmkrebsscreenings aus und stellte fest: Bei Männern unter 50 Jahren steigt die Inzidenz, insbesondere in der Altersgruppe 45-49. Ihre Erkrankungsrate entspricht heute jener von Frauen, die zehn Jahre älter sind. Bei Frauen unter 50 ist der Trend bislang weniger ausgeprägt.
Darmkrebs ist hierzulande nach wie vor die vierthäufigste Krebserkrankung – im Jahr 2022 verzeichnete Statistik Austria 2299 Todesfälle. Laut einer internationalen Lancet-Analyse gehört auch Österreich zu den Ländern mit steigenden Raten bei 25- bis 49-Jährigen.
Risikofaktoren sind längst bekannt
Wie in vielen westlichen Industriestaaten machen UPFs in Österreich rund 40-50 Prozent der täglichen Kalorienzufuhr aus. Fertiggerichte, Snacks und Softdrinks sind längst fester Bestandteil des Alltags. Studien der EFSA und der Universität Wien belegen, dass dieser Konsum seit den 1990er-Jahren deutlich zugenommen hat. Parallel dazu stiegen Übergewicht, Bewegungsmangel und Diabetes – alles bekannte Risikofaktoren für Darmkrebs.
Hohe Raucherquote verstärkt auch Darmkrebs-Fälle
Auch das Rauchen spielt weiterhin eine Rolle, vor allem bei Männern. Während die Raucherraten in der älteren Bevölkerung sinken, rauchen junge Frauen heute wieder häufiger als früher. Studien zeigen, dass Rauchen das Darmkrebsrisiko um rund 20 Prozent erhöht – ein Effekt, der zusammen mit der Ernährung die steigenden Zahlen bei Jüngeren mit erklären kann.
Als Reaktion auf die Entwicklung hat Österreich die Altersgrenze für die Darmkrebsvorsorge 2023 auf 45 Jahre gesenkt (zuvor 50). Empfohlen werden regelmäßige Stuhltests oder eine Koloskopie. Experten raten zudem zu einer deutlich stärkeren Reduktion von UPFs, mehr Vollkornprodukten, Gemüse und fermentierten Lebensmitteln wie Joghurt sowie zu ausreichend Bewegung.
Früherkennung wirkt: Bei älteren Menschen ist die Sterblichkeit in Österreich dank verbesserter Vorsorgeprogramme bereits rückläufig.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.