Zweifel an der Sicherheit, politische Debatten um den Gastgeber und Absagen vieler Topstars: Vor der Afrika-Premiere der am Sonntag beginnenden Straßenrad-WM in Ruanda verstummen die Misstöne nicht. Kritiker werfen dem Land vor, mit dem Großereignis seine Sportswashing-Strategie fortzusetzen, um das Image aufzupolieren. Der Rad-Weltverband UCI sieht hingegen eine notwendige Internationalisierung, sportlich sind alle Augen auf Vierfach-Toursieger Tadej Pogacar gerichtet.
Pogacar gilt im Zeitfahren er als größter Konkurrent des belgischen Titelverteidigers Remco Evenepoel, im Straßenrennen hat der Slowene weit weniger Gegenwehr zu erwarten. Nicht nur fehlt Vuelta-Sieger Jonas Vingegaard, auch dessen dänischer Landsmann Mads Pedersen (Weltmeister 2019), Wout van Aert, Joao Almeida oder Mathieu van der Poel glänzen durch Abwesenheit. So wie auch die Österreicher. Nur bei den Frauen nimmt Anna Kiesenhofer das Zeitfahren in Angriff, Carina Schrempf den Straßenbewerb.
Europarat forderte Absage
Für Brisanz sorgt aber ohnehin der Austragungsort. Das kleine Land im Osten Afrikas drängt mit Macht auf eine größere Rolle in der Sportwelt. Sogar als Gastgeber für ein Formel-1-Rennen bringt sich Ruanda ins Gespräch. Im Fußball prangt der Slogan der Tourismus-Initiative „Visit Rwanda“ auf Trikots und Werbebanden von internationalen Spitzenklubs – darunter Arsenal, Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain und Atletico Madrid.
Die Rad-Gemeinde beschäftigen aber der Ärger über teure Hotels, Bedenken wegen der medizinischen Versorgung vor Ort und dazu die Nachrichten um Ruandas Rolle im Konflikt mit dem Kongo. Im Vorfeld forderte sogar der Europarat die UCI dazu auf, dem Land die Austragung zu entziehen – mit Verweis auf die ungenügende Menschenrechtslage und die Einmischung im militärischen Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo.
Vor 31 Jahren erschütterte Völkermord das Land
Kritik an der Unterstützung der M23-Rebellen, denen nach der Eroberung von zwei ostkongolesischen Provinzhauptstädten Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen wurden, weist Ruanda jedoch zurück. Das Land erklärte, seine Grenzen sowie die Tutsi-Minderheit im Ostkongo zu verteidigen. Unter anderen Österreichs Außenministerium rät weiterhin von Reisen in das Grenzgebiet ab. 31 Jahre ist es her, dass Ruanda durch einen grausamen Völkermord in den Fokus der Weltöffentlichkeit geriet. Damals hatten radikale Milizen der Volksgruppe der Hutu in nur 100 Tagen mindestens 800.000 Angehörige der Tutsi-Minderheit und gemäßigte Hutu ermordet.
Der seit rund 25 Jahren regierende Staatschef Kagame hat das Land nach Ansicht seiner Befürworter inzwischen wirtschaftlich stabilisiert und vereint. Menschenrechtsorganisationen stellten hingegen fest, dass Opposition und freie Presse in dem Land drangsaliert werden. Heikle Themen wie diese dürften bei aller Radsport-Begeisterung in Ruanda auch vom WM-Spektakel in Kigali nicht gänzlich an den Rand gedrängt werden.
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