Album „Bite Me“

Reneé Rapp: Eklektischer Volltreffer mit Ansage

Musik
03.08.2025 09:00

Über die Musicalbühnen und Filmkameras schaffte es Jungtalent Reneé Rapp ins Musikbusiness. Nach einem in Amerika und Großbritannien gefeierten Debütalbum will sie mit dem Zweitwerk „Bite Me“ langsam zur Welteroberung ansetzen. Mit der Mischung aus juvenilem Seelenstriptease und populärer Genreverweigerung könnte der Plan aufgehen.

kmm

Der große Schritt ins Rampenlicht wurde Reneé Rapp schon in die Wiege gelegt. Mutter Denise wählte zur Geburt ihrer Tochter einen alliterativen Namen, um ihr bei einer späteren Karriere im Entertainmentsektor einen Startvorteil zu verschaffen. Das kann man irgendwo zwischen wagemutiger Weitsicht und übermotivierter Selbstsicherheit einordnen – funktioniert hat es auf jeden Fall. In unseren Breitengraden ist das Multitalent aus Huntersville, North Carolina, noch ein viel zu unbeschriebenes Blatt, was ihrer bisherigen, durchaus fulminant verlaufenen Karriere gegenüber nicht gerecht wird. Dieser Tage veröffentlichte Rapp ihr Zweitwerk „Bite Me“ und löst damit genau jenes Versprechen ein, an dem die weibliche Konkurrenz wie Miley Cyrus eher krachend gescheitert ist – nämlich ein gleichermaßen rotzfreches, wie emotionales und stilistisch breit umfassendes Werk zu schaffen, das im weiblichen Popstar-Segment für positive Aufregung sorgt.

Über die Bühne zur Musik
Dass die schwungvolle 25-Jährige derzeit durch alle Decken geht, wird man auch bei uns bald feststellen. Die ersten Erfolgsjahre lukrieren aus den Sektoren Theater und Schauspiel – die Musik kam erst viel später. Für ihre Teilnahme an der Musicalversion von „Big Fish“ wurde sie schon als 18-Jährige mit Preisen überhäuft. Schauspielerin Laura Benanti überreichte ihr damals den Jimmy Award für „Best Performance By An Actress“ in New York und war ob ihrer Präsenz baff: „Ich werde in meinem Leben nie so selbstsicher sein wie diese 18-Jährige.“ Zahlreiche weitere Musical-Rollen folgten, bis sie 2019 die folgenschwere Entscheidung traf, die Rolle von Regina George im Tony Award-nominierten Broadway-Musical „Mean Girls“ zu übernehmen. Dort überzeugte sie nicht nur darstellerisch, sondern auch mit ihrer beeindruckenden Stimme – ein längst bekanntes Talent wurde endlich präsentiert.

2020 folgte der Sprung ins Fernsehen. Rapp übernahm eine der vier tragenden Rolle in der US-Serie „The Sex Lives Of College Girls“ und wurde über Nacht gleichermaßen zum feuchten Traum einer ganzen Schar pubertierender Burschen und zu einer ernsthaften Schauspielerin, die spätestens hier den Sprung ins breitere Rampenlicht geschafft hatte. Nach zwei Staffeln war Schluss, der Preis für die frühe Prominenz hoch. Auf der Theaterbühne und vor der Filmkamera entwickelte sie eine Essstörung und bekam Probleme mit dem Socialising zu anderen Personen. Das Burn-Out wurde zwar nicht offiziell diagnostiziert, war in ihrem Alltag aber gegenwärtig. Die Flucht in eine andere, weniger öffentliche Kunstform diente als kurzfristige Rettung. Rapp begann mit dem Musizieren, dem Songwriting und dem Zusammenstellen diverse Ideen und Sketches. Nach der EP „Everything To Everyone“ (2022) und einer Minitour in den USA folgte 2023 mit dem Debütalbum „Snow Angel“ der große Durchbruch.

Aus der Verzweiflung geflüchtet
Mitverantwortlich dafür war 2024 ein Auftritt mit Rapperin Megan Thee Stallion bei „Saturday Night Live“. Ihre gemeinsame Version des Rapp-Songs „Not My Fault“ ging durch die Decke und machte das Top-Talent global bekannt. Wenig später wurde sie zur globalen Botschafterin von L’Oréal Paris, tourte in den größeren europäischen Ländern und eroberte über Nacht die Streaming-Plattformen. Gestählt von den bereits gemachten Erfahrungen im Unterhaltungsgeschäft, fiel Rapp der Raketenstart in die Musikkarriere unerwartet leicht. „Es war aber auch furchteinflößend“, erzählte sie dem amerikanischen „Rolling Stone“ in einem Interview, „es hat sehr lange gedauert, bis ich für mich einen Weg gefunden habe, wie ich eine Pause einlegen könnte. Damals waren viele Konzerte und Festivalauftritte zugesagt und ich wäre fast daran verzweifelt. Am Ende war es aber gut so. Ich hatte einen Auftrag und fühlte mich bereit, wieder loszulegen.“ So entstand der Songwriting-Prozess zu „Bite Me“.

Auf ihrem Zweitwerk geht Rapp gleich einmal frivol und girl-punkig in die Vollen. Der Opener und gleichzeitig die erste Single-Auskoppelung „Leave Me Alone“ ist ein frecher Selbstermächtigungsbanger und gleichzeitig auch die Botschaft, dass das Zwischentief überwinden ist und sich die Künstlerin endgültig in der Popwelt angekommen sieht. Hedonistische Tendenzen zum Partyspaß und der Ungezwungenheit des freien Lebens sind auch im weiteren Verlauf des Werkes auszumachen. Die vermehrt zum Vorschein kommende Rock-Kante hat sie sich von starken weiblichen Vorbildern abgeschaut. Joan Jett und Alanis Morissette wurden für die sehr persönlichen und teilweise konfusen Texte als Vorbild herangezogen. In Songs wie „Mad“,, „Kiss It Kiss It“ oder „Shy“ geht es um ihren Abschied vom Fernsehen, das schwierige Finden ihrer wahren Sexualität und die Öffentlichkeit, die sie seit Jahren auf Schritt und Tritt begleitet.

Reife im Girlpunk
„Bite Me“ ist auch insofern ein Befreiungsschlag, als sich Rapp nicht nur völlig von den von ihr gezeichneten Rollenbildern emanzipiert, sondern auch deutlich zeigt, dass sie – im Gegensatz zu vielen anderen Karriere-Beispielen - nicht aus dem Hause Disney stammt und daher erst gar nicht versucht, irgendeine Art von bremsender Etikette wiederzugeben. Besonders schön sind aber die ruhigen Töne. Das mit pop-jazziger Atmosphäre kokettierende „Why Is She Still Here“ oder die sanfte Ballade „I Think I Like You Better When You’re Gone” sind eine angenehme und reife Abwechslung zum akustischen Zungezeigen, das Rapp ansonsten gerne praktiziert. In einer guten halben Stunde lässt uns „Bite Me“ am diversen Lebensgefühl einer jungen Frau teilhaben, die in gewissen Bereichen angekommen zu sein scheint, in anderen aber auf einer weiterführenden Identitätssuche ist. Dieser post-adoleszente Zwiespalt sorgt auch für Kurzweil und das Aufrechterhalten von Spannung in den einzelnen Song. „Bite Me“ bringt wenig Neues, ist in seiner Girl-Pop-eklektischen Umsetzung aber ein Volltreffer mit Ansage.

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