Beinahe unberührt

Expedition in den letzten Urwald Österreichs

Niederösterreich
29.07.2025 05:55

Die „Krone“ durfte mit Öko-Ranger ins von Menschenhand noch nie berührte Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal vordringen. Das UNESCO-Schutzgebiet ist das einzige seiner Art in Mitteleuropa! 

Es tropft taunass wie in einem tropischen Regenwald von den Bäumen, der Geruch von Moder liegt in der Luft, einsetzender Niederschlag berührt uns nicht. Denn das dichte Blätterdach schirmt ab, als wir von der kleinen, entlegenen Ortschaft Langau im südwestlichen Niederösterreich aufbrechen. Unser Expeditionsziel: Das letzte große Urwaldrelikt des Alpenbogens im Herzen Mitteleuropas, das nur äußerst selten – wenn überhaupt und nur auf schmalem Steg – betreten werden darf!

Angeführt wird die Wanderung von der Park-Rangerin Nina Schönemann. Sie wirkt mehr wie eine Hüterin der Elemente, als eine Naturführerin im herkömmlichen Sinne. „Was wir hier betreten dürfen, ist keine Kulisse – es ist lebendiger Organismus“, versichert die junge Frau.

Expeditionsziel für Schutzgebietsleiter Christoph Leditznig, Landeshauptfrau-Stellvertreter ...
Expeditionsziel für Schutzgebietsleiter Christoph Leditznig, Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf, Park-Rangerin Nina Schönemann und „Krone“-Journalist Mark Perry: Das letzte große Urwaldrelikt des Alpenbogens im Herzen Mitteleuropas(Bild: noel.gv.at)

Bereits 1875 unter Schutz gestellt
Es ist im wahrsten Sinne des Wortes naturhistorischer Boden, den wir betreten. Denn der sogenannte „Rothwald“ wurde in weitsichtiger Weise schon 1875 von Albert Rothschild unter Schutz gestellt – in einer Zeit, als es den Begriff Naturschutz noch nicht gab. Dunkelgrün leuchtender Öko-Meilenstein: 2017 wurde das Gebiet zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben, vier Jahre später erweitert und damit grenzüberschreitend mit dem Lassingtal in der Steiermark verbunden. Es erstreckt sich nun undurchdringlich weit vom mächtigen Dürrensteinmassiv in Niederösterreich bis zur Einmündung des Lassingbaches in die steirische Salza. Wir schreiten alsbald ehrfürchtig durch einen Naturdom, dessen Säulen – Fichten, Buchen, Tannen – oft mehr als 50 Meter hoch in den Himmel ragen.

  • Das Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal umfasst mehr als 7000 Hektar Natur.
  • Davon sind etwa 500 Hektar echter Urwald, also Wald, der seit der letzten Eiszeit niemals genutzt wurde.
  • Herzstück ist der vier Quadratkilometer große Primärwald nahe Gaming (NÖ).

Manche dieser Baumriesen sind ein halbes Jahrtausend alt. Rekordhalter ist eine Tanne mit 700 Jahresringen. Der Boden schwingt und ist durchsetzt von moderndem Totholz – doch nichts daran ist tot. Es ist das Nährbeet für neues Leben: Pilze, Insekten, Moose. Rund 5000 dokumentierte Arten leben hier –  darunter seltene Flechten, Pilze und Spezies, die nur hier ihre letzte Zuflucht gefunden haben.

„Was wir in diesem Paradies sorgsam bewahren, ist nicht nur biologische Vielfalt – es ist ein außergewöhnliches botanisches Zeitarchiv. Ein Ökosystem, das sich über Jahrtausende ohne jeglichen Eingriff entwickelt. Nichts hat sich hier verändert. Wir können in die Vergangenheit der Erdgeschichte blicken“, flüstert denn der umsichtige Schutzgebietsleiter Christoph Leditznig.

Zitat Icon

Was wir in diesem Paradies sorgsam bewahren, ist nicht nur biologische Vielfalt – es ist ein außergewöhnliches botanisches Zeitarchiv.

Christoph Leditznig, Schutzgebietsleiter

Auch Niederösterreichs Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf, der sich dem Schutz dieser Zone mit sichtbarer Leidenschaft verschrieben hat und der sich mit seinem Landesratskollegen Ludwig Schleritzko anschickt, im Kamptal Österreichs siebenten Nationalpark wurzeln zu lassen, findet klare Worte: „Unser Wildnisgebiet ist kein Museum. Es ist ein Versprechen – an unsere Kinder, dass es künftig noch Orte geben wird, an denen die Natur noch selbst entscheiden darf. Wir werden es so erhalten wie von der Schöpfung geschenkt.“ Schönemann beugt sich prompt über eine morsch-modernde Buche, die dereinst von einem gewaltigen Sturm geknickt wurde, und legt die Hand auf den Moosteppich: „Hier liegt Erinnerung an die Natur nach der letzten Eiszeit.“

Unternehmerlegende investierte angeblich 190 Mio. Euro
Nach Stunden, die zwischen hängenden Nebelschwaden und dieser Urzeitwildnis wie im Flug verflossen sind, öffnet sich der Wald wieder – und ein Ort der stillen Extravaganz tritt hervor: der in ein Jahrhunderte altes Jagdhaus integrierte Glaspavillon der Forstverwaltung Neuhaus, auch liebevoll Glassalon genannt.

Hier, wo moderne Linien in Waidmannsromantik übergehen, findet unsere Ökoexpedition ihre stilvolle Umrahmung. Konzipiert wurde das besondere Eventgebäude durch Unternehmerlegende Thomas Prinzhorn, dessen Familie weitsichtig handelte, als 2019 bekannt wurde, dass die Rothschilds hier ihre letzten Besitzungen in Österreich zu veräußern gedachten. Kaufpreis: angeblich 190 Millionen Euro. Bestens investiertes Ökokapital noch allemal.

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