Live im Happel-Stadion

Iron Maiden: Metal-Spektakel samt Fitness-Revue

Musik
18.07.2025 02:06

Ihr insgesamt 16. Österreich-Auftritt war der größte ihres Lebens. Donnerstagabend begeisterten die Heavy-Metal-Legenden Iron Maiden 53.000 Fans im vollgefüllten Wiener Ernst-Happel-Stadion mit einem Best-Of ihrer frühen Kultjahre. Die Begeisterung vom audiovisuellen Spektakel wurde stellenweise nur vom grottigen Sound verhunzt.

kmm

Wie planen Sie im stolzen Alter von 69 Jahren zwei normale Sommertage unter der Woche zu verbringen? Ich kann Ihnen sagen, was Iron-Maiden-Bandgründer Steve Harris tut. Am ersten Tag spielt er 90 Minuten lang Hobbyfußball, am zweiten steht er mehr als zwei Stunden lang vor mehr als 53.000 Fans auf der Bühne des Wiener Ernst-Happel-Stadions und treibt mit seinem Bass die unwesentlich jüngeren Kollegen zu musikalischen Höchstleistungen. Überhaupt ist die Kondition der britischen Heavy-Metal-Urgesteine unglaublich. Frontmann Bruce Dickinson läuft über die gesamte Konzertdistanz wie von der Tarantel gestochen von links nach rechts und wieder zurück und überwindet dabei Dutzende Male verschiedene Hindernisse. „Bandneuling“ und Drittgitarrist Jannick Gers steckt mit 68 Jahren in einer hautengen schwarzen Leggings und grätscht das Bein für einen Halbspagat öfters auf einem Verstärkerturm aus. Böse Zungen mögen von einem Altherren-Geschwader sprechen – die Fitness der sechs Herren ist aber auch nach 50 Jahren Karriere mehr als beeindruckend.

Ob am musikalischen Feld oder am fußballerischen: Bassist, Bandgründer und West-Ham-United-Fan ...
Ob am musikalischen Feld oder am fußballerischen: Bassist, Bandgründer und West-Ham-United-Fan Steve Harris ist omnipräsent.(Bild: Andreas Graf)

Am Zenit ihrer Österreich-Karriere
Ein halbes Jahrhundert Iron Maiden bedeutet auch ein halbes Jahrhundert Heavy Metal, wie wir es kennen. Black Sabbath, Steppenwolf, KISS und Alice Cooper in allen Ehren, aber erst die (nicht exklusiven) aber perfekt gespielten Twin-Gitarren, die Liebe zu massentauglichen, aber trotzdem harten Rhythmen und Geschichten zwischen Alltagsgespenstern und historischen Ereignissen machten den Metal salonfähig und Maiden zur größten Band des Planeten. Nach zahlreichen Auftritten zwischen Wiener Stadthalle, Nova Rock oder dem Fußballstadion in Wiener Neustadt ist ein vollgefülltes Happel im Winter der Bandkarriere noch einmal ein bislang nicht dagewesenes Highlight. Nicht nur die Angst, die eigenen Helden eventuell ein letztes Mal zu sehen, treibt die vielen Fans an. Die Medienberichte zur bisherigen Tour waren zumeist euphorisch und im Sektor der Stromgitarren haben auch vermeintlich obsolete Werbeschienen wie die gute alte Mundpropaganda erfolgreich zum Kartenverkauf beigetragen.

Bandmaskottchen Eddie ist mittlerweile vornehmlich virtuell – zweimal kam er aber auch noch ...
Bandmaskottchen Eddie ist mittlerweile vornehmlich virtuell – zweimal kam er aber auch noch persönlich auf die Bühne.(Bild: Andreas Graf)

Das audiovisuelle Spektakel lässt keine Wünsche offen. Auf einer überdimensionalen LED-Leinwand wird in einem Kurzvideo auf die Vergangenheit zurückgeschaut, werden zu den jeweiligen Songs passende Visuals eingeblendet und wird am Ende des Sets mit einem übergroßen, nach Menschen schnappenden Bandmaskottchen Eddie überrascht. Anstatt Requisiten, Drachen und selbst zusammengebaute Burgen aus längst vergangenen Tagen auf die Bühne zu schleppen, haben Iron Maiden den Weg der Moderne gewählt und punkten damit nicht bei jedem Fan. So aber kann man jahrzehntealte Notalgie auch einer gegenwärtigen Generation greifbar machen. Die Hit-Revue umfasst sehr bekanntes („The Trooper, „Run To The Hills“), durchaus bekanntes („Killers“, „Powerslave“) und auf keinen Fall wenig bekanntes. Das Gitarrentrio shreddert in wilden Posen, Steve Harris pumpt den Bass, als wäre es ein Stromgenerator und Dickinson kann seine Liebe zum dramatischen Schauspiel ausleben: Er hat am Ende der Show mehr Kostümwechsel hinter sich als ein Theaterdarsteller in diversen Rollenverkörperungen.

Das Zusammenspiel der Maiden-Musiker funktioniert nach so vielen Jahren quasi blind.
Das Zusammenspiel der Maiden-Musiker funktioniert nach so vielen Jahren quasi blind.(Bild: Andreas Graf)

Audiovisuelles Top-Spektakel
Auf der Videowall werden die Songinhalte noch einmal grafisch verstärkt wiedergegeben. Der satanische Eddie in „The Number Of The Beast“, Starkregen und eine Schiffskatastrophe beim epischen „Rime Of The Ancient Mariner“, außerirdische Organentnahmen zu „Seventh Son Of A Seventh Son“ und ein besonders geglücktes, an ein frühes Computerspiel erinnerndes Storyboard mit einem vom Geist verfolgten und am Galgen landenden Dickinson im ausladenden „Hallowed Be Thy Name“. Dazwischen werden Feuersalven in die Luft gejagt, beim unvermeidlichen Dauerbrenner „The Trooper“ kurz die Österreich-Fahne geschwenkt und Explosionen gezündet. Eine Iron Maiden-Show befindet sich immer am Rande eines Musicals, begeht aber nicht den Fehler, sich davon den Drive der Show nehmen zu lassen. Bei so viel Pomp und Trara bleiben Zwischenansagen rar. Der Sänger begrüßt kurz zur Show und ruft die 50-Jahre-Party in Erinnerung, ein launiges Kapitel über die strengen Wiener Securitys beendet er mit dem Satz: „Sie haben sogar Angst, dass ein Albatros eine Bombe über dem Publikum abwerfen könnte“ – dann doch lieber eine Drohne zum Filmen installieren.

Gitarrist Jannick Gers: Von seinen Stretching-Übungen auf der Bühnen können sich einige ...
Gitarrist Jannick Gers: Von seinen Stretching-Übungen auf der Bühnen können sich einige Hobbysportler etwas abschauen.(Bild: Andreas Graf)

Die Bombe zünden schon lieber die Briten auf der Bühne. Besonderes Augenmerk wird auf den neuen Drummer Simon Dawson gelegt, der den in die verdiente Pension gegangenen Nicko McBrain solide, aber nicht gerade spektakulär ersetzt. Grobe Schnitzer leistet er sich keine, in puncto Charisma und Energie kann er mit seinem kultigen Vorgänger aber nicht mithalten. Die Stimmung im Happel-Stadion ist nahezu durchgehend am Siedepunkt und man spürt bei den treuen Fans ein bisschen die Wehmut, dass man die großen Helden möglicherweise das letzte Mal in so einer Umgebung bejubeln darf. Die Londoner setzen ihre Karriere-Retrospektive auf mehr als zwei Stunden Spielzeit an, verzichten dabei völlig auf das ambivalente „No Prayer For The Dying“-Album oder von vielen erhoffte Songs wie „Alexander The Great“, aber bei einem derart üppigen Back-Katalog ist es unmöglich, jedem recht zu tun. Dickinson hat sich nach knapp zwei Monaten Tour auch so gut eingegroovt, dass er nur ganz selten den Gesangseinsatz verpasst und alles wie aus einem Guss wirkt.

Das Erbe von Nicko McBrain wiegt schwer – aber Drummer-Neuling Simon Dawson probiert alles, um ...
Das Erbe von Nicko McBrain wiegt schwer – aber Drummer-Neuling Simon Dawson probiert alles, um ihm gerecht zu werden.(Bild: Andreas Graf)

Der längste Atem
Der einzig markante Kritikpunkt ist aber ein schmerzhafter – an gut 75 Prozent der Zuschauerpositionen im Stadion scheint der Sound unterirdisch schlecht gewesen zu sein. Man bemängelt die viel zu leise eingestellte Stimme des Frontmannes oder ein zermatschtes Soundwirrwarr, das von leichten Windböen auch noch in andere Richtungen weggetragen worden wäre. Glücklich waren jene, die möglichst weit vorne und möglichst zentral ihren Helden huldigten – dort stimmten Tonlagen und Abmischung und die Fans konnte sich auf das Feiern und Staunen konzentrieren. Iron Maidens bislang größte Österreich-Show kann dennoch als Triumphzug verbucht werden, denn im Heavy-Metal-Sektor kann den Briten auch weiterhin keine Band das Live-Wasser reichen. Die Trias aus visueller Reizüberflutung, musikalischer Hit-Lastigkeit und konditioneller Top-Form hatte einen magischen Einfluss auf die Fans. Übrigens: Steve Harris gewann das Fußballspiel am Vortag mit seiner Maiden-Crew mit 10:1 gegen die Wiener Konzertveranstalter, der Bassist zog – wie auch in der Band – vom gesicherten Mittelfeld aus die Fäden und bewies einen langen Atem. Und das eben auf und abseits der Bühne.

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