Der Amoklauf in Graz wirft erneut ein grelles Licht auf Österreichs Waffengesetze – und auf ein männliches Gewaltproblem, über das niemand gern spricht. Anwalt Hubert Niedermayr fordert strengere Regeln beim Besitz von Waffen.
„Krone“: Sie kritisieren die aktuelle Regelung, was Waffenbesitz in Österreich betrifft. Können Sie das erläutern?
Hubert Niedermayr: Es ist relativ leicht, eine Waffenbesitzkarte zu bekommen. Wenn man nicht vorbestraft ist und den psychologischen Test besteht, gibt es kaum Hürden. Doch dieser Test ist aus meiner Sicht nicht dazu geeignet, psychisch instabile oder gefährliche Personen herauszufiltern. Was ich besonders bedenklich finde: Jäger müssen keine psychologische Eignung nachweisen. Es genügt, die Jagdprüfung zu bestehen, die sich rein auf technische und theoretische Aspekte bezieht. Ein psychologisches Screening gibt es nicht – obwohl gerade in der Jagd die Hemmschwelle, Leben zu beenden, deutlich niedriger ist.
Wie könnte man die psychologische Eignungsprüfung verbessern? Welche Maßnahmen halten Sie als Jurist für sinnvoll?
Es gibt keine verfassungsrechtlichen Hürden, die psychologischen Tests zu verschärfen und nach einer gewissen Zeit zu erneuern. Es wäre eine politische Entscheidung, die der Gesetzgeber treffen müsste.
Ab wann spricht man bei der Nutzung von Schusswaffen von Verteidigung und wann ist es keine mehr?
Sobald eine Waffe im Spiel ist, eskaliert die Situation meist sofort. Natürlich darf ich mich im Ernstfall verteidigen – das Recht auf Notwehr ist klar geregelt. Aber es gibt auch die sogenannte Notwehrüberschreitung. Wenn ich in einer stressigen Situation jemanden erschieße, obwohl keine akute Bedrohung bestand, stellt sich die Frage: War es Angst – oder Aggression?
Was sagen Sie als Anwalt, der vor Gericht viele Fälle erlebt: Gibt es Muster bei Männern, die zu Gewalt greifen?
Leider beobachte ich häufig: Viele Männer verlieren im Leben den Draht zu sich selbst. Sie leben in einer Welt, die sie nicht mehr verstehen. Statt Hilfe zu suchen, greifen sie zu schädlichen Mitteln – Alkohol, aggressivem Männlichkeitsverhalten, Frauenfeindlichkeit.
Was kann man dagegen tun?
Der Staat kann – und sollte – hier ansetzen: mit mehr Schulpsychologie, mehr Beratungsangeboten, mehr niedrigschwelliger Hilfe. Schulen dürfen mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen werden. Es geht auch darum, ein positives Männerbild zu vermitteln: Eines, das Schwäche nicht versteckt, sondern zulässt. Wir brauchen Vorbilder, die genau das verkörpern.
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.