Seit drei Jahren lebt die Belarussin Dariya Siamchuk im Exil und sucht in ihrer Kunst Heilung für die Traumata ihrer Heimat. Derzeit ist die Künstlerin als „Artist in Residence“ in Graz. Dort hat die „Krone“ sie getroffen.
Cemra ist belarussisch und steht für Dunkelheit. Es ist der Name, den sich Dariya Siamchuk (35) für ihre künstlerische Arbeit ausgesucht hat. Es ist aber wohl auch der Begriff, der aus ihrer Sicht am besten den Zustand ihrer Heimat beschreibt: „Belarus erlebt dunkle Zeiten“, sagt Siamchuk im Gespräch mit der „Krone“. Weil sie klar gegen das Unrechtsregime in ihrem Land Stellung bezogen hatte, musste sie ihre Heimat vor drei Jahren verlassen: „Sonst würde ich heute wie viele Regimekritiker im Gefängnis sitzen“, sagt sie. Heute lebt sie in Warschau.
Doch die Situation in ihrer Heimat lässt sie auch im Exil nicht los. So gibt es etwa komplett schwarze Bilder, die jene auffällig gelben Markierungen tragen, die auch viele der politischen Gefangenen in Belarus im Gefängnis deutlich sichtbar auf ihrem Shirt tragen müssen. „Wie einst der Judenstern zeigen sie an, dass man mit diesen Menschen kein Mitleid haben muss, dass ihre Körper für jegliche Gewalt freigegeben sind.“
In ihrer Kunst arbeitet sich Siamchuk an ihren eigenen Traumata und an den Verwundungen ihres Landes ab. „Meine Bilder sind für mich wie lebendige Existenzen“, sagt sie. Sie hält sich zwar formell meist an die Form einer Leinwand in einem Rahmen, doch viele ihrer Bilder sehen aus, als wären sie aus Fleisch oder Porzellan. Sie haben Brüche und blutende Wunden.
Kunst, die Wunden zeigt, aber auch eine Heilung sieht
„Ich will aber nicht nur die Wunden zeigen, sondern in meiner Kunst auch einen Weg zur Heilung suchen“, sagt die Künstlerin. Das erreicht sie zum Beispiel mit den Performances, die sie bei ihren Ausstellungen macht. Dort tritt sie etwa als Krankenschwester auf, kümmert sich liebevoll um ihre Bilder, reinigt ihre Wunden und verarztet sie mit Bandagen aus Seide.
In Graz, wo sie auf Einladung der Kulturvermittlung Steiermark als „Artist in Residence“ zu Gast ist, arbeitet sie an der Fertigstellung eines Projekts, in dem sie sich mit ihrer Heimaterde beschäftigt: „Seit drei Jahren konnte ich keinen Fuß mehr auf mein Heimatland setzten und die Erde im Garten meiner Mutter nicht riechen“, schildert sie.
Das möchte sie mithilfe der Kunst jedoch bald ändern. Mit einem Parfümeur aus Polen hat sie den Duft ihrer Heimaterde extrahiert: „Als ich das Parfum zum ersten Mal gerochen habe, konnte ich die Tränen nicht mehr stoppen“, schildert Siamchuk. Dieser Geruch soll nun auch zentraler Bestandteil einer Installation werden, die sie demnächst in einer Galerie in Warschau zeigen wird und von der sie hofft, sie schon bald auch dem Grazer Publikum präsentieren zu können: „Der Aufenthalt hier war ein wichtiger Schritt für mich“, sagt Siamchuk.
Den Grazern gerne zeigen würde sie auch ein Bild, das wohl sinnbildlich für ihren Blick auf ihre Heimat steht. Es hat an der Oberseite die Umrisse von Belarus und im Zentrum eine Schusswunde, aus der Blut zu fließen scheint: „Mein Land ist schwer verwundet“, sagt Siamchuk. Aber das Bild trägt doch auch Hoffnung in sich: „Die Wunde ist auf der rechten Seite des Bildes, also nicht dort, wo das Herz liegt. Ich glaube noch ans Überleben meiner Heimat.“
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