Andreas Wirth wurde als Wirtschaftskammer- Präsident bestätigt. Was er in Sachen Lehrlingsausbildung ändern will und ob er das Land als Konkurrenz für die Wirtschaft sieht.
„Krone“: Was sind Ihre Schwerpunkte für die nächste Amtszeit?
Andreas Wirth: Ich werde weiterhin Brücken schlagen – zu Behörden, Parteien und Institutionen auf Landes- und Bundesebene -, um die Wettbewerbsfähigkeit des Burgenlands nachhaltig zu sichern. Ganz oben auf der To-do-Liste steht der Bürokratieabbau. Und das ganz große Thema muss das Comeback der Wirtschaft sein. Wir brauchen eine Bauoffensive, mehr Internationalisierung und ein Ankurbeln der Wirtschaft. Was wir auch angehen werden, ist eine Reform der Lehre.
Was passt bei den derzeit geltenden Richtlinien zur Lehrlingsausbildung nicht?
Vorab eines: Die Wirtschaft freut sich über jeden tüchtigen Mitarbeiter, aber es muss für beide passen. Die geltenden Vorschriften rund um die Lehrausbildung sind in manchen Bereichen realitätsfern. Wenn eine burgenländische Firma auf einer Baustelle in Wien arbeitet, ist es schwierig Lehrlinge mitzunehmen – das Verhindern aktuelle Arbeitszeitregelungen.
Wie sollten die Rahmenbedingungen bei der Lehrlingsausbildung aussehen?
Ein Beispiel: manche Firmen bieten eine Vier-Tage-Woche mit je 10 Stunden. Für Lehrlinge ist das nicht erlaubt, das Gesetz schreibt es anders vor. Es müssen diverse Einschränkungen für Lehrlinge überarbeitet werden. Wie soll ich einem Dachdecker seinen Beruf lernen, wenn er nicht aufs Dach darf? Außerdem braucht es für Unternehmer und Lehrlinge faire Bedingungen für eine Auflösung der Lehre. Selbst wenn der Lehrling selbst draufkommt, dass der Beruf nichts für ihn ist, ist es für den Unternehmer so gut wie unmöglich, sich von ihm zu trennen. Hier müssen wir die Bedingungen adaptieren.
Wie „schlimm“ ist die Bürokratie für die Unternehmer?
Bei Unternehmer-Umfragen wird die Bürokratie als enorme Belastung empfunden: Beispiel Bauansuchen in sechsfacher Papierausführung oder übertriebene Genehmigungsverfahren, Förderstellen verlangen beispielsweise Originalbelege von der Bank. Das ist praxisfremd, heute passiert alles digital. Hier sind die Behörden gefordert, zu entschlacken. Manche Unternehmer verbringen mehr Zeit am Schreibtisch beim Formulare ausfüllen als auf der Baustelle bei den Kunden.
Sie haben zuletzt gewarnt, dass der Produktionsstandort in Gefahr ist und Betriebe abwandern könnten. Wie steht es um die Wettbewerbsfähigkeit des Burgenlands?
Hier ist das Burgenland nicht allein. Österreich ist das einzige EU-Land, in dem die Wirtschaft nicht wächst. Wenn die Wirtschaft schrumpft, dann liegt das Problem nicht am Wetter, sondern an der Wirtschaftspolitik.
Thema Trinkgeld: Ist es sicher? Ist es Teil des Lohns? Wie hoch sollte es sein?
Da brauchen wir nicht diskutieren: Trinkgeld ist ein Zeichen der Wertschätzung – und gehört ausschließlich den Mitarbeitern. Trinkgeld ist eine freiwillige Zuwendung der Kunden als Anerkennung für gute Arbeit – und keine versteckte Einkommensquelle, die mit Abgaben belastet werden muss.
Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in den Betrieben? Wird die KI Mitarbeiter ersetzen?
Es wird sich die Waage halten, es wird hie und da Arbeitsplätze geben, die durch die KI ersetzt werden können, gleichzeitig braucht es Menschen, die die KI füttern und beobachten. Wir haben kürzlich in Hamburg eine Pflegeeinrichtung besucht, die KI einsetzt. Keine Panik – es ist nicht so, dass Roboter die Menschen betreuen. Die KI beobachtet das Verhalten der Menschen im Wohnraum und analysiert, ob es Auffälligkeiten gibt. Wenn ja, kann der Betreuer sofort reagieren.
Das Land ist ein großer Arbeitgeber. Ist es eine Konkurrenz zur Privatwirtschaft?
Ja. Meiner Meinung nach soll das Land Rahmenbedingungen für gutes wirtschaften im Land schaffen und die Unternehmer arbeiten lassen. Der Staat ist kein guter Unternehmer.
Bei der Kammerwahl konnten Sie zulegen, die ÖVP hat bei der Landtagswahl hingegen verloren. Wie sehen Sie das?
Ich bedanke mich nochmals bei den Unternehmern, die mir mit 75 Prozent ein sehr hohes Vertrauen geschenkt haben. Wir als Kammer sind Interessensvertreter, keine Partei: Wir bauen Brücken – auch zu schwierigen Partnern – für den Erfolg der Wirtschaft.
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