Nachdem sich der 68-Jährige nach der Wien-Wahl dazu entschieden hatte, noch im Hohen Haus zu verbleiben, wurde er dennoch bereits zum ehrenamtlichen Sonderbeauftragten der Stadt Wien für wissenschaftliche und universitäre Angelegenheiten bestellt - was den "Rathaus-Ökos" damals den Vorwurf der Wählertäuschung einbrachte. Nun wird Van der Bellen schließlich doch noch in den grünen Reihen des Wiener Gemeinderats Platz nehmen und seinen Job als Uni-Beauftragter an den Nagel hängen. Diese Aufgabe sei mit dem Mandat im Stadtparlament nicht vereinbar, erklärte der Professor am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.
Im Gemeinderat tritt er die Nachfolge von Sigrid Pilz an, die mit Anfang Juli Patientenanwältin wird und somit aus dem Stadtparlament ausscheidet. Van der Bellens Sessel im Nationalrat wird hingegen AK-Experte Bruno Rossmann (60) einnehmen, der bereits von 2006 bis 2008 für die Grünen im Parlament gesessen war. Offiziell angelobt wird Van der Bellen im September in der ersten Gemeinderatssitzung nach der Sommerpause. Seine Arbeit in der Bundeshauptstadt will er allerdings bereits im Juli aufnehmen.
"Jetzt komme ich in eine Regierungsfraktion"
Van der Bellen gestand sich am Donnerstag einen "leicht wehmütigen Blick zurück" auf 18 Jahre Parlamentsarbeit ein - allerdings: "Ich freue mich auf das Neue im Rathaus, es ist ja nicht irgendein Rathaus", verwies er auf die "spannende Stadt" Wien. Dort wolle er sich nun vorrangig Bildungs- und Forschungsagenden widmen.
Außerdem habe er im Nationalrat fast zwei Jahrzehnte lang Oppositionsarbeit gemacht. "Jetzt komme ich in eine Regierungsfraktion, wobei sich das Klima zwischen den Koalitionsparteien noch dazu völlig anders darstellt als im Bund, wo die täglichen Knirschstellen unüberhörbar sind", lobte Van der Bellen die rot-grüne Zusammenarbeit. Gefragt, ob er auch nach Wien gewechselt wäre, wenn es keine grüne Regierungsbeteiligung geben würde, antwortete der Professor nach kurzem Zögern mit: "Ich glaube schon."
"Endlich Vernunft in Wiens grünen Reihen"
Höchst erfreut über den Wechsel Van der Bellens zeigten sich wenig überraschend Bundeschefin Eva Glawischnig und Wiens grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Beide orteten den personellen Zuwachs als "großen Gewinn" sowohl für die Bundeshauptstadt als auch für die Landespartei selbst.
Zumindest hoffnungsfroh gab sich diesbezüglich auch die Volkspartei. Mit Van der Bellen kehre womöglich endlich Vernunft in die grünen Reihen in Wien ein, denn es könne nur besser werden, so der Tenor von ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch und Manfred Juraczka, dem Chef der Rathaus-Schwarzen. Keinerlei Hoffnungsschimmer hegten hingegen die Blauen - dafür vielmehr den Verdacht, dass auch Van der Bellen "die Parkpickerl-Despotin Vassilakou oder Linksextremisten wie Klubchef David Ellensohn" nicht zur Räson bringen werde.
Grüne 2006 vor die FPÖ "gepusht"
Seine politische Karriere hatte Alexander Van der Bellen nicht gerade früh gestartet. "Entdeckt" wurde der Volkswirtschaftsprofessor von Peter Pilz, 1992 kandidierte er für die Grünen für das Amt des Rechnungshofpräsidenten. 1994 wurde er Nationalratsabgeordneter. Drei Jahre später trat er schließlich sein Amt als Bundessprecher an - damals mit dem Ziel, "die Partei endlich einmal von dieser existenzbedrohenden Vier-, Fünf-Prozent-Marke wegzubekommen".
Im Laufe seiner elfjährigen Funktion als Bundessprecher ist Van der Bellen dies - neben der strukturellen Konsolidierung einer bis dahin stark zerstrittenen Bewegung - auch gelungen. Stand die Partei zu Beginn gerade einmal bei 4,8 Prozent, überholten die Grünen bei der Nationalratswahl 2006 mit elf Prozent knapp die FPÖ und wurden drittstärkste Kraft im Land. Dies war sein größter Erfolg.
Beim Urnengang 2008 verlor die Ökopartei Stimmen, worauf der Professor das Handtuch warf, als Sprecher für Internationale Entwicklungen und Außenpolitik jedoch weiterhin im Parlament werkte. Seine womöglich größte politische Niederlage erlitt Van der Bellen im Jahr 2002, als die schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen platzten.
Geboren in Wien, aufgewachsen in Tirol
Geboren wurde der humorige Wirtschaftsprofessor am 18. Jänner 1944 in Wien als Sohn einer estnischen Mutter und eines russischen Vaters. Aufgewachsen im Tiroler Kaunertal, absolvierte Van der Bellen das Volkswirtschaftsstudium in Innsbruck und unterrichtete als Uni-Professor sowohl in der Tiroler Hauptstadt als auch in Wien.
Was Van der Bellen auszeichnet, ist sein - für Politiker eher ungewöhnlich - offener, sinnierender Stil. Seine längeren Nachdenkpausen bei Interviews sind fast schon legendär. Populär machte ihn seine Gabe, auch Andersdenkenden ernsthaft zuhören zu können, und sein Humor mit Anflug von Ironie. Auch scheut sich Van der Bellen nicht, seinem Laster in der Öffentlichkeit zu frönen: Den Fußball- und Burgenland-Fan trifft man oft mit Zigarette an.
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