Kalter Krieg:

Uni Graz blickt hinter Spionage in Österreich

Steiermark
29.01.2024 11:20

Österreich gilt oft als Hotspot für Spionage im Kalten Krieg. Ein noch bis August 2024 laufendes Forschungsprojekt der Uni Graz hat sich diesem Topos angenommen. Welche Rolle unser Land speziell für Nachrichtendienste aus der Tschechoslowakei (ČSR) spielte, ist dabei das Augenmerk eines Teams rund um die Historikerin Barbara Stelzl-Marx - denn Spione aus dem Vorläuferstaat Tschechiens und der Slowakei sollen hier in den Nachkriegsjahren besonders aktiv gewesen sein.

Dabei dürfe man sich die Arbeit für den Geheimdienst nicht wie einen Agentenfilm vorstellen. Oft hätten „ganz normale Leute“ Informationen recherchiert und weitergeleitet. Den durchschnittlichen Spion, so Stelzl-Marx, habe es aber nicht gegeben: „ČSR- wie Westdienste rekrutierten durch alle Schichten und in allen gesellschaftlichen Kreisen.“ Lediglich Regierungsmitglieder oder Vorstände von großen Wirtschaftsunternehmen seien kaum bis nie involviert gewesen - wobei auch diese über Assistenten oft erfolgreich bespitzelt worden seien. In der Öffentlichkeit stehende Personen wie der ehemalige Wiener Bürgermeister und ORF-Journalist Helmut Zilk, der unter dem Decknamen „Holec“ auch geheimdienstlich arbeitete, seien die Ausnahme gewesen.

Mit Material unter anderem aus zwei Archiven in Brünn und Prag sowie Akten der damaligen US-Spionageabwehr, des britischen Geheimdienstes und der „Intelligence Organisation Austria“ verfolgt das Team einen komparatistischen Ansatz. Zuvor haben viele Spionage-Studien laut der Historikerin lediglich Akten einzelner Dienste untersucht. „Dies ergab zumeist ein einseitiges Bild mit vielen Lücken.“ Allein die Betrachtung von Unterlagen verschiedener Institutionen, beispielsweise Nachrichtendienst und Spionageabwehr, würde inkorrekte Einschätzungen zu Geheimdienst-Aktivitäten verringern.

Zur Person

Barbara Stelzl-Marx ist Universitätsprofessorin für europäische Zeitgeschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz, Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung, Graz - Wien - Raabs, und Vizepräsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission.

Wien und Salzburg waren wichtige Zentren
Oft seien kleine Puzzlestücke durch die Dienste gemeldet worden, beispielsweise welche Züge über Österreich in die Sowjetunion fuhren. Aber nicht nur Wien war laut Stelzl-Marx von Interesse. Als Teil der US-Zone in der „Besatzungszeit“ sei Salzburg ein wichtiges Zentrum gewesen und Linz vor allem für Technologie- und Industriespionage wesentlich. Darüber hinaus habe Interesse an allen Informationen bestanden, die Operationen im Land erleichterten - also über die österreichische Polizei und Bundesheer oder Grenzschutz und Diplomatie.

Wieso Menschen für Geheimdienste arbeiten
Anhand des „MICE-Modells“ - ein Akronym für „Money“ (Geld), „Ideology“ (Ideologie), „Coercion“ (Erpressung), „Ego“ - versuchen die Historiker, gängige Motivationen festzumachen, aus denen sich Menschen aus der Tschechoslowakei in den Geheimdienst begaben. Bisherigen Ergebnissen zufolge war Ideologie weniger wichtig als angenommen und Geld nur ein Teilfaktor. Wesentlich sei das Ego gewesen, vor allem bei „Personen, die sich zurückgesetzt, übergangen fühlten, beispielsweise bei Beförderungen“. Erpressung hätte zu Beginn kaum eine Rolle gespielt, aber teilweise später, als manche ihren Dienst quittieren wollten.

Eine Publikation für das vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierte Projekt ist in Vorbereitung sowie eine Sonderausgabe des US-Journals „International Journal of Intelligence and Counterintelligence“, die im Laufe dieses beziehungsweise des nächsten Jahres erscheinen soll, mitherausgegeben vom ebenfalls am Projekt beteiligten Historiker Dieter Bacher.

 krone.at
krone.at
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Steiermark



Kostenlose Spiele