VfGH kippt Frist

Spaltenböden: Wird ein Schweineleben jetzt besser?

Österreich
08.01.2024 11:21

Knalleffekt in Sachen Spaltbodenhaltung: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat am Montag die bis 2040 dauernde Übergangsfrist beim Verbot von Vollspaltenböden in der Schweinehaltung aufgehoben. Die Frist sei mit 17 Jahren zu lang und sachlich nicht gerechtfertigt, hielt das Höchstgericht fest. Ob nun das Leben als Schwein in Österreich früher besser wird, ist aber noch fraglich. Tierschützer orten zumindest einen Teilerfolg.

Denn prinzipiell fällt die entsprechende Klausel im Tierschutzgesetz nun mit 1. Juni 2025 - und dann? 

Verbot für neue Betriebe bereits gültig
Wird eine neue Anlage zur Schweinehaltung gebaut, gilt das 2022 im Nationalrat beschlossene Verbot schon seit Anfang 2023. Für bereits bestehende Ställe wurde eine Übergangsfrist bis 2040 festgelegt, um den landwirtschaftlichen Betrieben Planungssicherheit zu geben und getätigte Investitionen zu schützen, hieß es damals von der Bundesregierung.

Doch hier macht der VfGH nun einen Strich durch die Rechnung. Die Dauer von 17 Jahren sei angesichts der Abwägung zwischen Investitions- und Tierschutz sachlich nicht gerechtfertigt, erklärt das Höchstgericht. Damit werde einseitig auf den Investitionsschutz abgestellt, sprich das Tierwohl wurde hier zu wenig berücksichtigt. 

Höchstgericht ortet Wettbewerbsverzerrung
Kritisch sieht das Höchstgericht außerdem, dass die Übergangsfrist pauschal für alle Betriebe gilt, egal wann die Investitionen getätigt wurden. Die Betreiber neuer Anlagen hätten aufgrund des für sie geltenden höheren Standards auch höhere Kosten als bestehende Betriebe. Dadurch herrsche ein ungleicher Wettbewerb, der mit der Übergangsfrist 17 Jahre dauern würde, hielt der VfGH fest.

Damit wurde dem Burgenland beim zweiten Anlauf recht gegeben. Im Dezember 2022 war eine erste Beschwerde gegen Vollspaltenböden in der Schweinehaltung abgewiesen worden, weil diese „zu eng gefasst“ war. Damals wurden die angefochtenen Bestimmungen nach Eingehen der Beschwerde vom Bund geändert, weshalb laut VfGH auch die neuen Regelungen angefochten hätten werden müssen. Im vergangenen April zog das Land dann ein weiteres Mal gegen die Übergangsfrist vor den VfGH.

Wird ein Schweineleben in Österreich nun besser?
So weit die rechtliche Komponente, doch wird das Leben von Schweinen in Österreich nun besser? Tierschützer sehen zumindest einen Teilerfolg.

Für Sebastian Bohrn Mena, Initiator des Tierschutzvolksbegehrens und Sprecher der Nachfolge-Initiative oekoreich, ist damit ein richtungsweisendes Urteil gefällt worden: „Der Profit darf nicht über dem Wohl der Tiere stehen. Das hat jetzt auch der Verfassungsgerichtshof festgehalten und damit die nächste Runde im Kampf für ein baldiges Ende der Vollspaltenböden eröffnet. Wir nehmen den Kampf jetzt wieder auf!“

Der Verein gegen Tierfabriken (VGT) bezeichnete die Haltung auf Spaltböden, egal bei welcher Tierart, schlichtweg als Tierquälerei. Neben der permanenten Belastung der Atemwege durch das aufsteigende Ammoniak erleiden die Tiere durch das Liegen auf dem harten Boden immer wieder Verletzungen an den Beinen - was zu einer vermehrten Gabe von Antibiotika führt, damit sich die Wunden nicht entzünden. 

„Abschaffung des Systems Spaltböden“
VGT-Obmann Martin Balluch erklärte gegenüber krone.at, dass man die Abschaffung der Übergangsfrist zwar sehr wohl als „Abschaffung des Systems Spaltböden“ sehen könne: „Wenn dieses Haltungssystem adäquat wäre, würde es das ewig geben. Leider steht das so nicht explizit da.“

Zitat Icon

Wenn dieses Haltungssystem adäquat wäre, würde es das ewig geben. Leider steht das so nicht explizit im VfGH-Entscheid.

VGT-Obmann Martin Balluch im Gespräch mit krone.at

Es wurden aber einige Punkte in dem Antrag vom VfGH abgewiesen, die tatsächlich mehr Tierwohl gebracht hätten, wie Stroheinstreu, oder eine Änderung des Mindestplatzes pro Tier. „Da sagt der VfGH, dass diese Anträge nicht rechtskonform waren.“ Hier könnte man noch einmal nachbessern. „Dennoch bin ich davon überzeugt, dass man den VfGH in einer funktionierenden Demokratie nicht einfach ignorieren kann“, so Balluch. Hier werde nun die Bundesregierung gefordert sein, die entsprechenden Gesetzesänderungen vorzunehmen. 

„Übergangsfrist einfach inakzeptabel“
Veronika Weissenböck, Kampagnenleiterin der Vier Pfoten in Sachen Spaltböden, bezeichnete den Entscheid als „Meilenstein für den österreichischen Tierschutz“: „Eine Übergangsfrist von 17 Jahren für Betriebe, in denen Schweine auf tierquälerischen Vollspaltenböden stehen müssen, ist einfach inakzeptabel, zumal es für diese Betriebe auch gezielte Förderungen geben wird, die notwendig und begrüßenswert sind.“

Vollspaltenböden in Österreich

  • Aktuell leben 70 Prozent der Mastrinder und rund 1,9 Millionen Schweine in Österreich nach wie vor auf Spaltböden.
  • Diese Haltung ermöglicht nicht nur eine große Anzahl von Tieren auf engstem Raum, auch fällt die Einstreu und das Ausmisten (Personalkosten) weg. Nur so lässt sich billiges Fleisch, welches von Konsumenten nach wie vor verlangt wird, produzieren. 
  • Die Tiere leiden durch den ständigen Ammoniakdampf an Atemwegserkrankungen, das Liegen am harten Boden führt zu Verletzungen an den Beinen.
  • Die türkis-grüne Bundesregierung beschloss zwar 2022 das Aus, doch mit einer Übergangsfrist bis 2040.
  • Diese Übergangsfrist wurde vom VfGH nun auf Antrag der burgenländischen Landesregierung gekippt. 

Die Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs entspräche im Übrigen auch dem Willen der österreichischen Bevölkerung, so Vier Pfoten: „In einer Online-Umfrage von Integral im vergangenen Jahr sprachen sich insgesamt 91 Prozent für ein Verbot der Vollspaltenböden aus.“

Die Wiener Tierschutzombdusfrau Eva Persy schlug in dieselbe Kerbe: „Das Urteil des VfGH ist wegweisend und ein Riesen-Erfolg - nicht nur für die Tiere und den Tierschutz, sondern für uns als aufgeklärte Gesellschaft insgesamt. Denn es bestätigt, was viele Menschen aus moralischen Gründen ohnehin verurteilt haben: dass es nicht zu rechtfertigen ist, wirtschaftliche Abwägungen über das Wohl von Lebewesen zu stellen.“

Antrag stammte aus dem Burgenland
Besonders erfreut zeigte man sich über die Entscheidung im Burgenland, denn die dortige Landesregierung zeichnete vor den Antrag verantwortlich. Die schwarz-grüne Bundesregierung habe ein Verbot von Vollspaltenböden zwar „als Alibi beschlossen, aber das Inkrafttreten auf das Jahr 2040 hinausgeschoben und gleichzeitig von einem undurchsichtigen Evaluierungsprozess abhängig gemacht“, führt Landeshauptmann Hans Peter Doskozil aus. Dieser Praxis hat der VfGH nun einen Riegel vorgeschoben.

Rauch will Gespräche suchen
Der für den Tierschutz zuständige Minister Johannes Rauch (Grüne) will nun mit Vertretern von Landwirtschaft und Tierschutz Gespräche über eine neue Lösung aufnehmen, die den Landwirten den Übergang wirtschaftlich ermöglichen soll, „damit bessere Bedingungen in der Schweinehaltung rasch Wirklichkeit werden“. Rauch betonte, sein Ziel sei immer ein rasches Verbot gewesen. „Es war ein Erfolg, gegen den anfänglich erbitterten Widerstand von manchen Vertretern der Schweinebranche ein Datum für das endgültige Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten festzuschreiben“, hielt er fest.

Aus dem Landwirtschaftsministerium hieß es, das Erkenntnis des VfGH werde umfassend rechtlich und fachlich analysiert. Mögliche Optionen würden gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und den Betroffenen erarbeitet. Die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln, das Tierwohl und das Überleben der Höfe solle sichergestellt werden, betonte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP): „Wir dürfen unser österreichisches Schnitzel nicht gefährden und uns von Importen aus dem Ausland abhängig machen.“ Auch die Landwirtschaftskammer hob die Absicherung der Schweinehaltung und der Versorgungssicherheit hervor.

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