Wenn am Montag die EU-Agrarminister tagen, könnte ein skurriler Punkt auf der Agenda für Kopfschütteln sorgen. Für einige Minister – darunter auch Norbert Totschnig (ÖVP) – geht es nämlich buchstäblich um die Wurst: Begriffe wie „Tofu-Würstchen“ oder „Veggie-Burger“ sollen verboten werden.
Statt die Landwirtschaft auf Klimakurs zu bringen oder faire Tierhaltungsstandards zu fördern, bespricht man nächste Woche auf Ministerebene in Brüssel auch, wie man manche Lebensmittel korrekt benennen soll. Denn einige möchten aus dem „Veggie-Schnitzel“ die „Pflanzenpressplatte“, oder aus „Tofu-Würstchen“ die „Bratrolle“ machen – schon wieder!
Offenbar haben sich seit dem letzten derartigen Verbotsversuch 2020 noch nicht alle in die Irre geführten Konsumenten von der traumatischen Erfahrung erholt, aus Versehen etwas ohne tierisches Eiweiß gegessen zu haben. Denn das Hauptargument der Verbots-Befürworter mit Agrarlobby-Hintergrund lautet: Die Menschen könnten Veggie-Produkte mit Fleischprodukten verwechseln.
Irrgarten im Supermarkt
Man stelle sich vor: Eine Packung „Soja-Würstel“ liegt im Regal, klar beschriftet, daneben ein riesiger grüner „vegan“-Aufkleber, aber der Durchschnittskonsument greift – tragischerweise – trotzdem zu und bemerkt erst beim Essen: „Moment, das ist ja gar keine echte Käsekrainer“! So läuft es wohl eher nicht ab. Im Umkehrschluss hat sich auch noch niemand über die Bezeichnung „Fleischtomate“, „Sonnenmilch“ oder „Katzenzungen“ empört.
Mündige Konsumenten
Laut Verbraucherumfragen hat eine überwältigende Mehrheit der EU-Bevölkerung kein Problem mit den Bezeichnungen. Auch der Europäische Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass bestehende Kennzeichnungsvorgaben völlig ausreichend sind. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) in Österreich warnt sogar davor, dass ein Verbot zu Verwirrung führen würde – weil Konsumenten dann gar nicht mehr wissen, was sie kaufen sollen.
Der Fleischkonsum sinkt seit über 15 Jahren – nicht nur in Österreich. Während Gesundheits- und Klimaexperten zu einem höheren pflanzlichen Anteil in unserer Ernährung raten, möchte die Politik die Weltordnung der Fleischindustrie aufrechterhalten, in dem sie Wortklauberei betreibt. Anstatt Tiertransporten und Vollspaltenböden den Rücken zu kehren und nachhaltige, regionale, tierwohlgerechte Fleischproduktion zu fördern, stößt man sich an Produktbezeichnungen in einem kleinen Abschnitt des Kühlregals.
Zeit für das Wesentliche
Vielleicht ist es tröstlich zu wissen, dass sich Europas Agrarpolitik nicht allein mit komplexen Fragen wie Artensterben, Bodenverbrauch oder der Zukunft bäuerlicher Betriebe aufhalten muss. Man findet offenbar noch Zeit für das Wesentliche: die sprachliche Reinheit am Kühlregal. Und wer weiß – vielleicht schmeckt der Klimawandel ja ein bisschen weniger bitter, wenn der Veggie-Burger künftig korrekt als „pflanzliches Faschiertes in Bratform“ etikettiert wird.
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