Korruption als Hemmnis

Albanien – ein Land ohne Jugend

Ausland
28.10.2023 16:05

Der Mittelmeerstaat kämpft mit einem starken Abzug von jungen Menschen und Fachkräften. Manche landen in Österreich. Doch was sorgt für den sogenannten Braindrain? Und was muss die Politik tun, damit die Gesellschaft nicht überaltert? Ein Lokalaugenschein.

Ein Auto reiht sich an das andere. Auf den Straßen wuseln die Fußgänger zwischen den Fahrzeugen durch. An ein Fortkommen ist um 7 Uhr morgens in der albanischen Hauptstadt nicht zu denken. „Willkommen in Tirana. Dieser Dauerstau ist bei uns Alltag. Lösung gibt es keine. U-Bahn kann wegen der Erdbebengefahr nicht gebaut werden“, so der Taxi-Fahrer. Das Verkehrsproblem steckt wortwörtlich fest.

Korruption als Hemmnis
So ausweglos scheint auch die Situation mit dem Abzug der Jugend. Genaue Zahlen gibt es nicht. Schätzungen zufolge leben 30 Prozent der Albaner im Ausland. Die aktuelle Volkszählung soll im kommenden Jahr Daten liefern. Dann wird die Regierung gezwungen werden, auf den sogenannten Braindrain zu reagieren. Die Frage ist, ob die Politiker so reflektiert sind und auch ihre Arbeit und Strukturen hinterfragen. Denn Korruption steht im Balkanland noch immer an der Tagesordnung, wie Bruna Hoxha bestätigt.

Neuanfang mit finanzieller Unterstützung
„Ich bin ausgebildete Mathematik-Lehrerin. Aber wenn ich an einer Schule unterrichten will, muss ich meine ersten Gehälter dem Direktor abliefern“, erzählt die 25-Jährige. Im Zuge eines Caritas-Projekts, finanziert von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, konnte sie mit Hilfe einer finanziellen Starthilfe ihr eigenes Nachhilfeinstitut aufbauen. „Als ich gelesen habe, dass sich für die Unterstützung jeder bewerben kann, konnte ich das nicht glauben. Ich kenne es einfach nicht, dass Entscheidungen nach objektiven Kriterien getroffen werden.“

Ein weiterer Grund für den Abzug der Jugend sind die fehlenden Arbeitsplätze für gut ausgebildete Albaner. Trotz familienfreundlichen Strukturen wie zum Beispiel ein Babybonus im Wert von 100 Euro, verliert Lufra, die größte Molkerei des Landes, pro Monat bis zu drei Mitarbeiter, die ins Ausland gehen.

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Zwei bis drei Mitarbeiter verlassen pro Monat unser Unternehmen. 80 Prozent davon gehen ins Ausland. Beliebte Länder für die Auswanderer sind Italien und Deutschland.

Luis Ndreka, Chef der Molkerei Lufra in Bishtqethem (Bild: Katharina Pirker)

Luis Ndreka, Chef der Molkerei Lufra in Bishtqethem

Auf ein Leben im Ausland bereiten sich auch viele Schüler der HTL in Shkodër vor. Österreichische Unternehmen suchen an der deutschsprachigen Schule nach Praktikanten und zeigen ihnen damit ein Leben mit besseren Arbeitsbedingungen und vor allem mit gutem Lohn. Das löst zwar zum Teil das Problem des Fachkräftemangels bei uns, aber Albanien steht wieder mit leeren Händen da. 

„EU-Perspektive als Hoffnung“
Albanien ist seit dem Jahr 1993 ein Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Seit 1995 hat die Agentur der Entwicklungszusammenarbeit ADA ein eigenes Büro in Tirana. Konkret werden die albanischen Behörden beim Ausbau hochwertiger Berufsbildung, der Reform der Finanz- und Arbeitsmarktverwaltung und in der Wasserversorgung unterstützt. Ein neuer Schwerpunkt ist die Bekämpfung von Korruption. David Muckenhuber, ADA-Chef in Albanien, im Interview.

„Krone“:Viele junge Menschen sehen in Albanien keine Zukunft, weil Korruption noch an der Tagesordnung steht. Lehrer bewerben sich für Stellen, aber nur diejenigen bekommen einen Job, die die ersten Gehälter dem Direktor abliefern. Ist Ihnen diese Situation bekannt?
David Muckenhuber: Korruption wird von vielen Albanern als Hemmnis wahrgenommen. Deshalb braucht es mehr Transparenz und Rechtsstaatlichkeit.

Wie kann die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit (ADA) mit ihren Projekten dagegen ankämpfen?
Wir unterstützen Albanien mit Projekten zur Stärkung des Rechtsstaates. Bisher konnten landesweit kostenlose Rechtsberatungsstellen für vulnerable Gruppen eingerichtet werden, auch die Richter werden mittlerweile überprüft. Die EU-Beitrittsperspektive ist für viele Albaner eine große Hoffnung auf ein besseres Leben. Die ADA ist auch auf dieser Ebene ein großer Partner.

Die Recherchereise fand im Rahmen des Projekts „eurotours“ statt, finanziert aus Bundesmitteln.

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