In Österreich gehen erneut die Wogen rund um eine geplante EU-Richtlinie für mehr Sicherheit im Autoverkehr hoch. Diese sieht unter anderem regelmäßige Prüfungen der Fahrtauglichkeit älterer Menschen vor. Die EU-Kommission hatte ihren Vorschlag bereits im März präsentiert. Nun wurden im zuständigen Ausschuss des EU-Parlaments entsprechende Vorschläge vorgelegt - und damit bei heimischen Politikern und Seniorenvertretern erneut für Verärgerung gesorgt.
Der Kommissionsvorschlag hatte vorgesehen, dass Menschen über 70 mindestens alle fünf Jahre entweder eine Selbsteinschätzung zur Fahrtauglichkeit ausfüllen oder eine ärztliche Untersuchung absolvieren sollen. Die Berichterstatterin schlägt nun vor, den Führerschein nach einer ärztlichen Untersuchung bei Menschen über 60 nur um sieben Jahre zu verlängern, über 70 nur um fünf Jahre und für Menschen über 80 nur um zwei Jahre.
Starke Ablehnung in Österreich
Während solche mehr oder weniger absurden Regeln in einigen EU-Staaten bereits länger gang und gäbe sind, stoßen sie in Österreich auf große Ablehnung. „Ich halte wenig von diesen Ideen, die hier im EU-Parlament diskutiert werden. Diese Regelungen sind praxisfern und nicht vernünftig“, sagte Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne). „Es gibt den Vorschlag der Kommission, gegen den wir uns sehr, sehr deutlich auch ausgesprochen haben“, meinte sie dazu am Montag am Rande eines Medientermins. Die Führerscheingültigkeitsdauer im Alter zu begrenzen, da habe sich „Österreich gemeinsam mit anderen Mitgliedsstaaten dagegen ausgesprochen“, erklärte die Ministerin.
Sie stehe „voll und ganz hinter dem Ziel für mehr Verkehrssicherheit“. Aber dies müsse „datenunterstützt und faktenbasiert“ geschehen. „Und wir sehen das einfach nicht in den Unfallstatistiken, dass in diesem Alter die Unfallhäufigkeit so signifikant steigt“, sagte Gewessler. „Wir haben hier in Österreich bereits gute Initiativen, etwa bei der Beratung und Selbsteinschätzung von älteren Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern. Auch die Seniorinnen und Senioren in unserem Land wollen gut und sicher mobil sein. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen“, erklärte die Ministerin.
Pensionistenverband ortet Altersdiskriminierung
„Das darf so in dieser Form in Österreich nicht umgesetzt werden“, sagte auch der Präsident des Pensionistenverbandes, Peter Kostelka. „Regelmäßige Zwangsuntersuchungen von Gesundheit und Fahrtauglichkeit und mit fortschreitendem Alter immer kürzer werdende Befristungen des Führerscheins sind klare Fälle von Altersdiskriminierung.“ Auch Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec lehnt den Vorschlag „strikt“ ab. „Es ist ein Irrglaube, dass ältere Menschen ein größeres Sicherheitsrisiko auf den Straßen darstellen“, so Korosec.
Das darf so in dieser Form in Österreich nicht umgesetzt werden.
Peter Kostelka, Präsident des Pensionistenverbandes
Ablehnung gab es auch vonseiten der ÖVP. „Unser Verhandlungsziel ist, dass am Ende des Tages ein anderes Gesetz am Tisch liegt als das, was wir jetzt haben“, erklärte ÖVP EU-Abgeordnete Barbara Thaler. „Dieser Vorschlag wäre ein Anschlag auf die motorisierte, individuelle Mobilität der Menschen und ist völlig indiskutabel“, pflichtet ihr ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger bei.
Gegen automatische Fahrtauglichkeitschecks wie es sowohl die Kommission als auch die Berichterstatterin vorschlagen, ist auch SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried: „Besser sind die österreichischen Regeln: Demnach gibt es dann eine Überprüfung der Fahrtauglichkeit, wenn es einen konkreten Anlass gibt.“
Schieder: Nachprüfungen „nicht zielführend“
Differenzierter drückt sich sein Parteikollege und SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder aus. Auch er kritisiert zwar die automatischen Nachprüfungen ab einem gewissen Alter als „nicht zielführend und diskriminierend“, auch „altersbezogene gestaffelte Geschwindigkeitsbegrenzungen“ seien „völlig sinnlos“. Schieder begrüßt aber das Ziel des Kommissionsvorschlags, nämlich die Zahl der Verkehrstoten drastisch zu reduzieren. Zu den positiven Maßnahmen zählt der EU-Abgeordnete einen „europaweiten digitalen Führerschein“ und einen vorgesehenen „Führerscheinentzug für Raserinnen und Raser sowie Alkolenkerinnen und Alkolenker“.
Kritik kam auch vom Autofahrerklub ARBÖ: „Das, was hier zu Papier gebracht wurde, ist fern jeder Realität“, so Generalsekretär Gerald Kumnig. „Unter dem Deckmantel der Verkehrssicherheit sollen bestimmte Gruppen von Menschen einfach von der Individualmobilität ausgeschlossen werden. Das ist schlichtweg ein Weg in die falsche Richtung und darf so nicht umgesetzt werden.“ Die geplanten Gesundheitschecks und Befristung der Fahrerlaubnis ab dem 60. Lebensjahr findet Kumnig nicht richtig. „Das ist diskriminierend. Die Geburtsurkunde gibt keine Auskunft über die Fahrtauglichkeit. Abgesehen davon sind ältere Lenkerinnen und Lenker oftmals defensiver und umsichtiger unterwegs.“
Der Vorschlag muss nun noch den entsprechenden Transportausschuss passieren, im Plenum des EU-Parlaments abgestimmt und dann mit den EU-Ländern verhandelt werden. „Das ist noch lange nicht fertig in der Diskussion“, meinte dazu Gewessler. Der finale Gesetzestext - als Richtlinie lässt er den Mitgliedstaaten einen gewissen Umsetzungsspielraum - dürfte demnach von der aktuellen Vorlage abweichen. „Ich gehe nicht davon aus, dass diese teils eigenartigen Vorschläge sich dann auch im Gesetz wiederfinden. Sondern ich bin überzeugt, dass wir hier bestehende und funktionierende Regelungen fortführen werden. Und so vernünftig die Verkehrssicherheit verbessern“, so Gewessler.
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