Nach Brexit-Einigung

Von der Leyen bei König Charles: Heikles Treffen

Ausland
27.02.2023 22:23

Jahrelang stritten Großbritannien und EU über die Brexit-Sonderregeln für Nordirland. Jetzt haben der britische Premierminister Rishi Sunak und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Einigung bei einem Treffen in Windsor westlich von London erzielt. Ebenfalls in Windsor empfing König Charles III. am Montagabend von der Leyen. Dieses Treffen war vielen ein Dorn im Auge.

Schon vor dem Besuch sorgte das geplante Treffen von der Leyens mit dem König für Stirnrunzeln. Der Monarch hält sich normalerweise aus Fragen der Tagespolitik stets strikt heraus. Es gilt daher als ungewöhnlich, dass er ausgerechnet an dem Tag mit von der Leyen zusammentrifft, an dem eine umstrittene Vereinbarung mit Brüssel geschlossen werden soll. Kritiker warfen Sunak im Vorfeld vor, den König für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Ein Sprecher des Premiers betonte, die Entscheidung, wen der König empfange, liege allein beim Palast.

„Schwere Fehleinschätzung“
Ex-BBC-Royalexperte Peter Hunt bezeichnete danach das Treffen als „schwere Fehleinschätzung von König Charles und seinen Beratern“. Der König sei von seiner einenden Rolle abgewichen in einem unklugen Versuch, als Staatsmann dazustehen. Er fügte hinzu: „Dafür wird jemand büßen müssen.“ Von der Leyen selbst schrieb auf Twitter, es sei bei dem Treffen unter anderem um die Unterstützung für die Ukraine und den Kampf gegen die Klimaerwärmung gegangen, schrieb die EU-Kommissionschefin.

Als „neues Kapitel“ bezeichnete die EU-Kommissionsschefin die Einigung mit Großbritannien über Brexit-Sonderregeln für Nordirland. Auch Premier Sunak sprach bei einer gemeinsamen Pressekonferenz vom „Beginn eines neuen Kapitels“ der Beziehungen. Die Verhandlungen seien nicht immer einfach gewesen, doch seien Großbritannien und die EU Verbündete, Handelspartner und Freunde, sagte der konservative Politiker. Die Einigung werde einen reibungslosen, freifließenden Handel ohne Grenze in der Irischen See ermöglichen, so Sunak weiter. Von der Leyen gab sich ebenfalls zuversichtlich, dass die Einigung funktionieren werde, da strenge Sicherheitsmaßnahmen ausgehandelt worden seien.

Nordirland-Vereinbarung als Zankapfel
Konkret geht es um die Umsetzung des sogenannten Nordirland-Protokolls, das als Teil des Brexit-Vertrags ausgehandelt worden war. Es sieht vor, dass die Zollgrenze zwischen Großbritannien und der EU in der Irischen See verläuft. Damit sollte verhindert werden, dass Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland eingeführt werden müssen. Sonst wurde mit einem Wiederaufflammen des Konflikts um eine Vereinigung der beiden Teile Irlands gerechnet. Doch die Kontrollen sorgen auch für Schwierigkeiten im innerbritischen Handel. London wollte den Vertrag deshalb nachverhandeln.

Medienberichten zufolge könnte die jetzt erzielte Einigung vorsehen, dass nur noch stichprobenartige Kontrollen bei Waren stattfinden, die in Nordirland bleiben sollen. Nur wenn vorgesehen ist, dass die Güter in die Republik Irland und damit in die EU weitertransportiert werden, sollen demnach die vollen Formalitäten anfallen.

Im Unterhaus des britischen Parlaments wandte sich Sunak am Montagabend gezielt an seine Kritiker und betonte, er habe ihre Bedenken berücksichtigt und könne ihre Vorbehalte verstehen. Man habe jedoch der EU Zugeständnisse abgerungen, die lange als unmöglich gegolten hätten. Der neue Deal sei „das, von dem viele gesagt haben, es könnte nicht erreicht werden“, warb der Premier.

EU erwartet sich Schlussstrich
Nach Ansicht von Kommentatoren hat Sunak Zugeständnisse von Brüssel erhalten, die seine Vorgänger nicht bekommen hätten. Zurückgeführt wird das darauf, dass der Premierminister als Pragmatiker gilt, dem mehr Vertrauen entgegengebracht wird. Was sich die EU-Kommission für Ihr Entgegenkommen erwartet, machte sie in einer Pressemitteilung deutlich: Großbritannien werde ein umstrittenes Gesetzesvorhaben zur Aushebelung des Nordirland-Protokolls nicht weiter verfolgen, hieß es darin.

Der Streit hatte die Beziehungen zwischen London und Brüssel erheblich belastet. Mit Spannung wird erwartet, ob die nordirische Unionistenpartei DUP das Abkommen akzeptieren wird. DUP-Chef Jeffrey Donaldson sprach von erheblichen Fortschritten, es gebe aber auch noch „Schlüsselfragen, die Anlass zur Sorge geben“. Die DUP blockiert aus Protest gegen die Regelungen seit Monaten die Bildung einer Regionalregierung in Nordirland. Sie steht nun unter Druck, die politische Blockadehaltung aufzugeben.

Schallenberg erfreut
Außenminister Alexander Schallenberg und Europaministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) zeigten sich erfreut über die Einigung. „Das ist der Schlüssel zu einem dauerhaften Frieden auf der Insel Irland, während gleichzeitig die Integrität des europäischen Binnenmarktes gewahrt bleibt“, schrieb Edtstadler auf Twitter. „Dies kann zu einer neuen und positiven Dynamik in unseren bilateralen Beziehungen und jenen zwischen der EU und Großbritannien beitragen“, twitterte Schallenberg. Auch Europaabgeordnete der ÖVP und der SPÖ sowie die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) begrüßten den Deal.

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