Debatte um Lehrpläne in Schulen, Widerstand der Lehrer, Minister offen für Vorschläge - ein Experte erläutert im „Krone“- Gespräch dramatische Schwachstellen im Bildungssystem und verweist auf internationale Vorbilder.
Praxisferne Lehrpläne. Das ist wie hüftsteife Rennpferde. Österreichs Schulsystem hinkt hinterher, sagen Experten. Veraltet, Inhaltsvermittlung wie vor 80 Jahren. Nun rebellieren die Lehrervertreter gegen seit 2018 neu entwickelte Pläne. Nicht umsetzbar. Unverständlich. Zu viel an Mehraufwand. „Wir sind keine 150.000 Wunderwuzzis.“ Bundesminister Martin Polaschek (ÖVP) war auf die drastische formulierten Einwände offenbar vorbereitet. Der „Krone“ sagte er, man werde die mehr als 100 Rückmeldungen evaluieren und teils einarbeiten.
Was freilich nichts an der aktuellen Situation ändert. Die neuen Lehrpläne sollen im Schuljahr 2023/24 in Kraft treten.
Corona hat die Planungen überholt
„Die grundlegenden Ansätze der neuen Pläne sind gut. Doch durch Corona wurden sie überholt“, sagt Maximilian Schulyok. Der Bildungsexperte ist Geschäftsführer des Österreichischen Schulbuchverlags (ÖBV). Er kann die Verzweiflung der Lehrer nachvollziehen.
„Jetzt kommen zusätzliche Anforderungen wie Vermitteln sozialer Kenntnisse und Digitalisierung.“ Zauberwort Kompetenzorientierung. Kinder sollen nicht mehr nur Wissen lernen, sondern auf die volatile Welt vorbereitet werden. „Die Lehrer geraten immer mehr unter Druck.“ Zudem seien die Lehrpläne offenbar nicht klar genug vermittelt. Dynamisiert wird die Entwicklung durch den akuten Lehrermangel, der noch schlimmer werde. Doch warum findet man keine Einstiegswilligen?
Zu wenig Praktiker sind eingebunden
„Es gibt im Gegensatz zu etwa Skandinavien zu wenig Wertschätzung für den Beruf. In Österreich heißt es, du wirst nur Lehrer, weil du viel frei hast.“ Oder wie Wiens Ex-Bürgermeister Häupl einst meinte, wenn er so viel wie ein Lehrer arbeiten würde, wäre er dienstagmittags fertig für die Woche. Das fördert weder die Motivation der aktiven noch der potenziellen Pädagogen.
Das parteipolitische Hickhack zerstört die dringend nötigen Reformen. Wir brauchen weniger Bildungsdebatte, sondern Bildungsdialog.
Bildungsexperte Maximilian Schulyok
Maximilian Schulyok verweist auf Länder wie Schweden. Dort gibt es Aufnahmeverfahren für Lehramtsstudien. Entsprechend begehrt und respektiert seien dort Posten in der Lehre. In Österreich nimmt man sogar Quereinsteiger. Zudem glaube man, dass mit neuen Lehrplänen alles besser werde. „Es braucht breitere Ansätze. Und man muss mehr Praktiker einbinden. Bei uns läuft das alles zu theoretisch ab.“ Und: In Österreich ist das Thema Spielball der Politik. „Das Hickhack behindert dringend nötige Reformen. Wir handeln uns da ein gewaltiges Problem ein.“
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