Als Gianni Versace am 15. Juli 1997 nach einem Morgenspaziergang zu seiner Villa „Casa Casuarina“ am Ocean Drive in Miami Beach zurückkehrt, wartet dort bereits sein Mörder. Mit zwei Pistolenkugeln tötet er den 50-jährigen Designer. Und so endet vor genau 25 Jahren auf tragische Weise ein Leben, das selbst für die exzentrische Modewelt neue Maßstäbe gesetzt hatte.
Der Täter ist schnell identifiziert: Andrew Cunanan, ein 27-jähriger Serienmörder, geführt auf einer FBI-Liste mit den zehn meistgesuchten Verbrechern. Vier weitere Morde werden ihm zur Last gelegt. Gianni Versace befindet sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt seines Ruhms. Er hat aus dem Nichts innerhalb von zwei Jahrzehnten ein Modeimperium erschaffen, schwelgt in Glamour und Luxus.
Frühe Begeisterung für Mode
Geboren am 2. Dezember 1946 in Reggio Calabria, erblüht im Schneideratelier der Mutter schon früh seine Begeisterung für Mode. 1972 zieht er nach Mailand, arbeitet zunächst für verschiedene Labels, macht schließlich 1978 seinen eigenen Namen zur Marke. Gianni Versace ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort. In den 1980er-Jahren entwickelt sich Mailand zur Modemetropole, bricht die Pariser Dominanz. Unterstützt von der mächtigen italienischen Textilindustrie sorgt eine neue Designer-Generation für Furore.
„Frauen mit Busen und Hintern“
Vor allem zwei Namen sind in aller Munde: Giorgio Armani und Gianni Versace. Der größtmögliche Kontrast, den Mode bieten kann. Hier: ein androgyner Look in Beige und Grau. Dort: eine bis in den Exzess gesteigerte opulente Sinnlichkeit. Oder wie es Anna Wintour, die Chefredakteurin der „Vogue USA“, einmal beschrieb: „Armani entwirft für die Ehefrau, Versace für die Geliebte“.
Gianni Versace selbst beschreibt sein Leitbild 1992 im „SZ Magazin“ so: „Ich will Frauen mit Busen und Hintern. Die Rollen sollen festgeschrieben sein: Ein Mann ist ein Mann, eine Frau eine Frau.“ Die leuchtendsten Farben, die buntesten Muster, die kostbarsten Stoffe an den schönsten Frauen und gemeißelsten Männern: In der Mode von Gianni Versace wird der Superlativ zur Norm.
Seine Boutiquen gleichen römischen Tempeln. Models macht er zu Supermodels. Megapromis wie Elton John, Sylvester Stallone und Prinzessin Diana bilden seinen Freundeskreis. Der Designer wohnt nicht, er residiert: in Palazzi von imperialer Pracht, gefüllt mit erlesener Kunst. Ein Lebensstil, der die Fantasie anregt.
Donatella rückt nach
„Lorenzo De Versace“ nennt ihn einmal die „New York Times“. Eine Anlehnung an Lorenzo de Medici, genannt, der Prächtige. An der von Gianni: die Geschwister Donatella und Santo Versace. Sie ist seine engste Vertraute im Kreativen, oft als Muse tituliert. Er kümmert sich um die geschäftlichen Belange des Familienunternehmens. Am 15. Juli 1997 bricht ihre Welt zusammen. Warum Andrew Cunanan den Designer tötete, ist unklar. Wilde Spekulationen gibt es trotzdem. Cunanan selbst begeht acht Tage nach der Tat Suizid.
Nach dem Tod von Gianni rückt Donatella Versace in die Rolle der Kreativchefin nach - und steht vor einer Mammutaufgabe. „Die ganze Welt blickte auf mich und 99 Prozent der Leute dachten, ich würde es nicht packen. Und vielleicht dachte auch ich am Anfang so“, gesteht sie 2017 dem britischen „Guardian“ anlässlich des 20. Todestages ihres Bruders.
Zelebrierter Feminismus
Das Scheitern kommt tatsächlich. Und die Öffentlichkeit nimmt genüsslich daran Anteil. Ihre Drogenprobleme, die Schönheitsoperationen, die Magersucht von Tochter Allegra. Viele Kollektionen werden von der Kritik verrissen. Doch Donatella Versace hält dem stand, befreit sich mit der Zeit aus allen Miseren und entwickelt das Label Schritt für Schritt weiter. Sie wird schließlich gar eine der Frontfrauen eines auf den Laufstegen zelebrierten Feminismus. In einem „FAZ“-Porträt sagte sie vor drei Jahren: „Jetzt ist es an der Zeit, für Frauen zu kämpfen.“
Die Designerin denkt nach eigenen Worten immer noch jeden Tag an ihren vor 25 Jahren ermordeten älteren Bruder Gianni. „Der Tod meines Bruders ist die schlimmste Erfahrung, die ich je gemacht habe. Es ist unmöglich, zu beschreiben, was ich damals gefühlt und durchgemacht habe. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke“, sagte die Italienerin in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der spanischen Zeitung „El Mundo“.
Besonders schlimm seien die Erinnerungen an jedem 15. Juli, sagte Donatella. „Der 15. Juli rückt nun wieder näher und obwohl ich wie jedes Jahr mein Bestes tue, um mich abzulenken, spüre ich jedes Mal dasselbe wie am 15. Juli 1997: Einen unglaublichen Schock, einen unvorstellbaren Schmerz.“ Sie erinnere sich, „als wäre es gestern passiert“. Sie und Gianni hätten „eine sehr enge Beziehung“ gehabt. „Von ihm habe ich gelernt, niemals aufzugeben, denn seine Leidenschaft für seine Arbeit, seine Lebensfreude und seine Art waren ansteckend. Er war ein Ideen-Vulkan.“
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