Filzmaier analysiert

Wahlkämpfe, Förderungen und Inserate

Politik
19.06.2022 10:00

Die Dinge im Titel haben eine Gemeinsamkeit. Sie kosten viele Euro an Steuergeld. Doch über das eigene Geld sprechen Politiker und Parteien ungern. Das fällt nun der ÖVP auf den Kopf. Vielleicht auch anderen Parteien und aus politischer Sicht nicht zu Unrecht.

1. Die Bundespartei der ÖVP ist Beschuldigte in einem Korruptionsstrafverfahren. Zudem hat der Rechnungshof Zweifel an der Richtigkeit des von der Partei arg verspätet vorgelegten Finanzberichts für das Wahljahr 2019. In beiden Fällen ist die saubere Trennung der rechtlichen Prüfung von politischen Bewertungen wichtig. Denn es gilt die Unschuldsvermutung. Diese steht als Verfassungsbestimmung im sechsten Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention und in Artikel 48 der EU-Grundrechtscharta. Punkt.

2. Eine Schuldvermutung mit Gebrüll im Stil von „Hängt sie höher!“ ist daher rechts- und demokratiepolitisch ein Armutszeugnis der lautesten Schreier. Politisch darf, soll und muss man freilich hinterfragen, warum es bestimmte - vielleicht gerade noch legale - Strukturen und Handlungsweisen der ÖVP sowie womöglich generell in Parteien gibt, die geeignet sind, zu tricksen, zu tarnen und zu täuschen. Oder die Leute für dumm zu verkaufen.

3. Fangen wir mit dem Beispiel Wahlkampfkosten an: Die ÖVP hat nach eigenen Angaben für die EU-Wahl 6,9 Millionen ausgegeben und für die Nationalratswahl im selben Jahr klar weniger. Nämlich 5,6 Millionen. Stimmt das, war Generalsekretär Karl Nehammer als damals oberster Parteimanager nicht besonders schlau.

4. Denn bei der Europawahl ging es für die ÖVP um sieben von 705 Abgeordneten, also bloß um ein Hundertstel. Hingegen kämpfte die ÖVP in der Nationalratswahl um - als Vergleich des prozentuellen Anteils gerechnet - rund vierzigmal mehr Abgeordnete sowie Regierungsmacht und Kanzlerschaft. Wer würde dafür weniger Geld ausgeben als für nahezu null zusätzlichen Einfluss im Europäischen Parlament? Niemand.

5. Die Zweifel des Rechnungshofs an den Behauptungen der ÖVP sind demzufolge berechtigt. Ein logisch klingendes Gegenargument können Nehammer und seine Parteigänger schlecht offensiv vorbringen: Europawahlen sind die einzigen Wahlen, für welche es unverändert indirekt eine Rückerstattung der Wahlkampfkosten gibt. Als Parteisonderförderung je nach Wahlergebnis. Die ÖVP bekam rund 4,6 Millionen Euro.

6. Die Partei könnte argumentieren: „Wir haben uns leichter getan, für die Europawahl Unsummen auszugeben, weil wir ja wussten, davon den Großteil vom Steuerzahler wieder zurückzubekommen!“ Das macht keinen schlanken Fuß. Zudem war es ein für alle Parteien im Jahr 2012 peinliches Sittengemälde, für Nationalratswahlen die Kostenrückerstattung abzuschaffen, jedoch zeitgleich die Parteienförderung zu erhöhen.

7. Was für sämtliche Parteien ein verdammt gutes Geschäft war, denn Förderungen gibt es jedes Jahr und nicht bloß in Wahljahren. Apropos Geschäft und Förderungen: Der Seniorenbund in Oberösterreich, eine Teilorganisation der ÖVP, ist zugleich ein Verein. Als dieser hat er, wie auch andere „Parteiteilgruppenvereine“, Coronagelder bekommen. Was sollen wir uns politisch denken, wenn Parteien und ihre Teile von Förderungen gesetzlich ausgeschlossen werden, parteiidentische Vereine aber mit gleichem Namen, gleicher Adresse und gleichem Personal das Geld beantragen und bekommen?

8. Dazu ein Gleichnis: Donald Duck sieht aus wie eine Ente, er watschelt wie eine Ente, und er quakt wie eine Ente. Welches Tier ist er? Die ÖVP redet uns ein, er wäre sicher keine Ente, sondern ein anderes Getier. Sozusagen ein politisches Unschuldslamm. Weil in der schwarz-türkisen Argumentationslinie sind alle Vereine, welche den Parteienten so sehr gleichen, ebenfalls irgendetwas anderes.

10. Martin Thür, Politikjournalist im ORF, hat eine Liste parteinaher Vereine erstellt. Stand letzten Freitag zählte er 1090 der ÖVP nahestehende Vereine und 163 mit Bezug zur SPÖ. Bei 65 Vereinen steckt die FPÖ dahinter und in 57 Fällen die Grünen. Allein die Neos haben nur zwei nahe Vereine. Es kann Gründe für parteiliche Vereinsgründungen geben. Doch wer legt die Hand ins Feuer, dass allfällige Förderungen, Veranstaltungssubventionen oder Inserate in Mitgliederzeitschriften stets objektiv vergeben werden?

10. Das führt zum Stichwort Zeitschriften. Hier geriet der Vorarlberger Wirtschaftsbund als Teilorganisation der ÖVP ins Zwielicht. Sein Blättchen bestand bis zu 82 (!) Prozent aus Inseraten, welche sechsmal teurer waren als in anderen Blättern. Auch seitens Unternehmen mit Landesanteil.

11. Die Frage nach Vergleichsfällen in allen Bundesländern und Parteimedien liegt auf der Hand. Wie viele mit Steuergeld bezahlte Inserate enthalten zudem nichts Unanständiges, jedoch wenig werblichen und informativen Mehrwert? Die ÖVP ist hinsichtlich viel mehr Transparenz in Zugzwang, vor allem die SPÖ und FPÖ täten freilich gut daran nachzuziehen.

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