Woher kommt die Ware?

Arbeiterkammer übt Kritik am „Irrgarten Amazon“

Web
16.12.2021 16:50

Die Arbeiterkammer (AK) hat den E-Commerce-Riesen Amazon aus Sicht der Konsumenten unter die Lupe genommen und eine Studie dazu enthüllt. Demnach sind auf Amazon.de chinesische Händler sehr dominant und österreichische kaum vertreten. Die EU wird über den Digital Markets Act die Internetriesen zwar regulieren, es brauche aber mehr, etwa die Verhinderung von „Killing Mergers“, wo große Plattformen kleinere schlucken.

Die Studie wurde im AK-Auftrag vom Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und dem Center for Digital Safety and Security (AIT) erstellt. Studienautorin Louise Beltzung vom ÖIAT: „Amazon ist ein Irrgarten für Konsumentinnen und Konsumenten. Dazu tragen die komplexen Strukturen, Auswahlmechanismen und das Design bei. Und das dürfte mehr Kalkül als Zufall sein.“

Viele wissen nicht, woher das Produkt kommt
Wer bei Amazon einkauft, kaufe meist bei einem Dritten. Fast jeder zweite Händler sei aus China. Viele Konsumenten wüssten gar nicht, wo sie ihr gewünschtes Produkt kaufen, denn auch hinter einer Namensendung mit DE könne ein Unternehmen mit Sitz in China stehen. Nach Möglichkeiten, die Ergebnisse nach Anbietern aus Österreich oder Qualitätskennzeichen zu filtern, suche man lange bzw. vergebens.

Amazon-Kunden wissen beim Einkauf oft nicht so genau, woher ihre Bestellung eigentlich kommt. (Bild: ©Gorodenkoff - stock.adobe.com)
Amazon-Kunden wissen beim Einkauf oft nicht so genau, woher ihre Bestellung eigentlich kommt.

Anteil österreichischer Händler sehr gering
Wer über Amazon von österreichischen Händlern kaufen will, hat es schwer: Der Anteil von Unternehmen mit Sitz in Österreich liegt in dieser Erhebung bei unter zwei Prozent (1,8 Prozent) unter allen Suchergebnissen. Die meisten österreichischen Verkäufer wurden bei der Suche nach Spirituosen (10 Prozent), Fernsehern (6,5 Prozent) und Wintersport-Produkten (5,1 Prozent) gefunden. Vertreibe Amazon als Händler das Produkt, habe es meist die Pole-Position. Und da Amazon eine Werbeplattform ist, sei rund jedes dritte Suchergebnis gesponsert und vorne mit dabei.

Amazon hingegen verweist in seiner Stellungnahme darauf, dass über 2000 österreichische Klein- und Mittelunternehmen ihre Produkte bei Amazon Marketplace verkaufen, diese hätten dadurch bisher 10.000 Arbeitsplätze in Österreich geschaffen. Für ein „regionales Einkaufserlebnis“ und mehr Sichtbarkeit der österreichischen Verkaufspartner habe man 2021 „Amazon Kleine Unternehmen“ für Österreich ins Leben gerufen, so der Online-Marktplatz. Dort würden ausschließlich Produkte lokaler KMUs aus Österreich und Deutschland angeboten, das Angebot könne nach Region - also Österreich - durchsucht werden.

Die AK fordert, dass die marktdominanten Online-Plattformen wie Amazon mehr Verantwortung übernehmen sollen, um Konsumenten besser zu schützen. Zwei geplante EU-Gesetze - das Digitale Dienste Gesetz und Digitale Markt Gesetz - sowie eine noch heuer umzusetzende Modernisierungs-Richtlinie gehen der AK zu wenig weit. „Konsumentinnen und Konsumenten dürfen nicht mehr getäuscht oder manipuliert werden durch Produktreihungen, Kundenbewertungen & Co. und es braucht mehr Rechtssicherheit wegen Fake-Händlern“, fordert die AK. Laut Konsumentenschutzexpertin Daniela Zimmer müssen künftig Onlineplattformen bekanntgeben, ob sie die Kundenbewertungen prüfen oder nicht: „Wenn eine Plattform das nicht prüft, würde ich darauf verzichten diesen Bewertungen Glauben zu schenken.“

„Überragende Marktstellung“
Für AK-Wirtschaftspolitikexperte Helmut Gahleitner ist die Studie der Beweis, wie wichtig die Regulierung der großen Internetkonzerne sei. Amazon habe eine „überragende Marktstellung“, es trete als Händler auf und verkaufe auch selber Waren. Amazon sei der zentrale Marktplatz für Millionen von Dritthändlern, die Zugang zu dem Marktplatz brauchen, wodurch Amazon die Geschäftsbedingungen aufgrund seiner Marktstellung einseitig regeln könne - „ein klassischer Gatekeeper“ (Torwächter, Anm.).

Da Amazon auf seinem Marktplatz ganz wesentlich die Kaufentscheidungen der Konsumenten beeinflusse, etwa durch Reihung und Kundenbewertung, entscheide es über den Erfolg der einzelnen Händler mit. „Hier braucht es dringend Regulierung“. Das klassische Wettbewerbsrecht greife zwar, aber die Strafen würden im Nachhinein ausgesprochen und die Verfahren sehr lange dauern, während die Internetriesen große Summen verdienen.

Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel (Bild: APA/AFP/Emmanuel Dunand)
Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel

Die EU-Kommission habe einen „ambitionierten Vorschlag mit klaren Regeln“ gemacht, der mittlerweile vom EU-Parlament - siehe Video oben - in erster Lesung verabschiedet wurde. Das vorgeschlagene Gesetz über Digitale Märkte (Digital Markets Act DMA) sei aber bereits etwas abgeschwächt, denn der notwendige Umsatz sei von ursprünglich 6,5 Milliarden Euro auf acht Milliarden Euro im Europäischen Wirtschaftsraum erhöht worden, wodurch manche nicht ganz so riesige Plattformen womöglich gar nicht mehr von der Regelung erfasst würden. Für die Änderung seien möglicherweise Lobbyisten der großen Konzerne verantwortlich. Sogenannte „Killing Mergers“, wo große Plattformen kleinere aufkaufen, um sich des Wettbewerbs zu entledigen, sollten verhindert werden können, damit die Riesen nicht noch größer werden, so Gahleitner. Bei wiederholtem Marktmachtmissbrauch dürfe auch eine Entflechtung von digitalen Plattformen kein Tabu sein.

Amazon zählt zu den Gewinnern der Coronakrise. In den ersten neun Monaten 2021 hat der US-Konzern 19 Milliarden Dollar (16,9 Milliarden Euro) Gewinn erzielt, nach 14,1 Milliarden Dollar im Vorjahreszeitraum. Das Betreiben des Cloudservices Amazons AWS und das Geschäft mit Online-Werbung zählen zu den zentralen Geschäftsfeldern des Konzerns, aber auch die Vormachtstellung im E-Commerce wird weiter ausgebaut.

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