Interview

„Zu wenig Vertrauen in die Wissenschaft“

Vorarlberg
21.11.2021 17:55

Dr. Susanne Andexlinger erntete für ihren harschen Sager gegen Impfkritiker viel Kritik, aber auch Beifall. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen mit Impfstoffen, Patienten, Wirkungen und Wege aus der Pandemie.

Krone: Frau Dr. Andexlinger, kommen Lockdown und Impfpflicht, die am Freitag verkündet wurden zu spät?

Dr. Susanne Andexlinger: Die Maßnahmen, die jetzt beschlossen wurden, kommen spät, sind aber alternativ los. Ob diese zu spät kommen, wird man erst retrospektiv sagen können.

Krone: Hätten Sie sich andere oder frühere Entscheidungen gewünscht?

Dr. Andexlinger: Die nun beschlossenen Dinge sind das Maximum, das man beschließen konnte. Daran werden die Österreicher noch zu kauen haben. Und ich glaube schon, dass konsequentere Maßnahmen wie etwa das Beibehalten der Maskenpflicht sinnvoll gewesen wären. Im vergangenen Jahr gab es in unserer Praxis kaum Patienten mit Erkältungskrankheiten. Jetzt schon, weil keine Masken getragen und die Hygienemaßnahmen nicht eingehalten wurden.

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Auf Wurmmittel zu verweisen, dessen Zulassung und Nebenwirkungen nicht hinterfragt werden, ist für mich völlig irrational.

Dr. Susanne Andexlinger

Krone: Was hätten Sie im Sommer anders gemacht?

Dr. Andexlinger: Ich hätte den Impfturbo früher gezündet. Klarer kommuniziert, wie viel gefährlicher und ansteckender die Deltavariante ist. Auch freiwillige Kontaktbeschränkungen, ein Verzicht auf Veranstaltungen oder größere Zusammenkünfte wären sinnvoll gewesen.

Fakten

Zur Person
Dr. Susanne Andexlinger maturierte 1981 am Bundesgymnasium Dornbirn und studierte anschließend an der Universität Innsbruck Medizin. Zusammen mit ihrem Mann hat die Lustenauerin eine Praxis für Allgemeinmedizin in Dornbirn. Ihre politische Karriere startete sie als Gemeindevertreterin in Lustenau. Aktuell ist die 58-Jährige Gemeinderätin für Soziales, Gesundheit, Senioren, Pflege und Wohnungsangelegenheiten. Seit 2019 ist Andexlinger Mitglied des Vorarlberger Landtags und Gesundheitssprecherin der ÖVP.

Krone: Freiwillig scheint wenig zu funktionieren. Sind die Österreicher nicht auch ein wenig unbelehrbar?

Dr. Andexlinger: Die Menschen in Österreich vertrauen viel zu wenig in die Wissenschaft. Dabei gäbe es aussagekräftige europäische Studienbezüglich Covid19. In Österreich hat jeder eine eigene Meinung, was aber doch kein gültiges Argument ist. Die Vielfalt der Meinungen steht oft über den Fakten.

Krone: Was hat Sie zu dem Sager im Landtag bewogen, dass Impfzweifler überlegen sollten auf eine Behandlung zu verzichten?

Dr. Andexlinger: Es gärt wohl in allen Medizinern ein bisschen. Wobei ich betonen möchte, dass jeder Österreicher - egal ob Raucher oder Nichtraucher, schlank oder adipös, geimpft oder ungeimpft - versichert ist. Das ist auch gut so, denn es macht Österreich zu einem Sozialstaat von großer Güte.

Krone: Aber Sie sind schon ein wenig verärgert über Impfverweigerer?

Dr. Andexlinger: Mit der Aussage im Landtag wollte ich mein Unverständnis darüber ausdrücken, dass es Menschen gibt, die einen Impfstoff, der 7,5 milliardenfach verabreicht wurde, als nicht erprobt bezeichnen. Gleichzeitig nehmen sie andere schulmedizinische Leistungen in Anspruch, ohne diese kritisch zu betrachten. Oder sie verweisen sogar auf Wurmmittel, dessen Zulassung und Nebenwirkung gar nicht hinterfragt werden. Das sind für mich völlig irrationale Entscheidungen.

Krone: Was sagen Sie einem ungeimpften Covid-Patienten, der mit schweren Symptomen zu Ihnen kommt?

Dr. Andexlinger: In solchen Momenten geht es nicht darum, ob jemand geimpft. Jeder erhält die Hilfe und Behandlung, die er benötigt. Aber es gibt dann schon den einen oder anderen, der zugibt, dass eine Impfung sinnvoll gewesen wäre.

Krone: Von 95 Covid-Patienten in den Vorarlberger Spitälern am Freitag waren immerhin 50 vollständig geimpft. Warum sind so viele Geimpfte im Krankenhaus?

Dr. Andexlinger: Kein Vakzin bietet 100 Prozent Sicherheit. Wir wissen, dass sich Geimpfte anstecken können, insbesondere bei Menschen mit einer hohen Viruslast - und diese tritt vor allem bei Ungeimpften auf. Die meisten infizieren sich über Ungeimpfte. Was die Spitäler angeht, ist es so, dass man den Schweregrad berücksichtigen muss. Auf der Intensivstation liegen überwiegend Ungeimpfte, die einen schwereren Verlauf haben.

Krone: Welche Rolle spielen Vorerkrankungen?

Dr. Andexlinger: Wir wissen, dass gewisse Menschen einen geringen Impfschutz entwickeln - Menschen mit einer chrononischen Erkrankung und einem schwachen Immunsystem, aber auch jene, die mit Chemotherapie oder Cortisonbehandlung. Sie sind besonders gefährdet. Wie die Statistik im Einzelnen aussieht, kann ich nicht sagen, aber meine persönliche Erfahrung bestätigt diese Thesen.

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Die mRNA-Vakzine haben eine sehr gute Wirkung und Verträglichkeit. Die lassen sich in der Praxis und bei Hausbesuchen gut verabreichen.

Dr. Susanne Andexlinger

Krone: War es richtig, eine Impfpflicht von Anfang an auszuschließen?

Dr. Andexlinger: Aus meiner Sicht nicht, denn vor einem Jahr waren die Erkenntnisse zur Krankheit noch spärlich und man konnte nicht vorhersehen, was passiert. Damals schon hinauszuposaunen, dass es keine Impfpflicht geben wird, fand ich nicht so gut.

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Niemand konnte wissen, was noch passiert. Damals schon hinauszuposaunen, dass es keine Impfpflicht geben wird, fand ich nicht so gut.

Dr. Susanne Andexlinger

Krone: Wie hat sich Ihre Einstellung zur Impfpflicht verändert?

Dr. Andexlinger: Vor einem Jahr hätte ich gesagt, dass man zumindest das Gesundheitspersonal und die Risikogruppen impfen sollte. Aber jetzt hilft nur noch die Impfpflicht für alle aus der Pandemie.

Krone: Als Allgemeinmedizinerin haben Sie einige Impfungen verabreicht. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Dr. Andexlinger: Es haben sich sehr viele Daten ergeben. Die mRNA-Vakzine haben eine sehr gute Wirkung und Verträglichkeit. Die Impfstoffe lassen sich inzwischen auch gut verabreichen - sowohl in der Praxis als auch im Rahmen von Hausbesuchen.

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