Verbot greift nicht

So umgehen Ghostwriter-Agenturen die UG-Novelle

Nachrichten
29.09.2021 16:41

Die Novelle des Universitätsgesetzes in Österreich sollte ‒ wie die Gesetzesgeber es wohl wünschen ‒ dazu führen, dass die Studierenden in diesem Land keine wissenschaftlichen Arbeiten mehr einreichen, die ein Ghostwriter und nicht sie selbst verfasst haben. Das Ziel ist zweifelsohne erstrebenswert, allerdings sind die Mittel, für die sich die österreichischen Gesetzesgeber entschieden haben, nicht unbedingt zielführend ‒ wie es beim Verbot der Prostitution und bei der Prohibition der Fall war.

Diese aus der Geschichte wohl bekannten Verbote haben nämlich keinesfalls dazu geführt, dass die Prostituierten aus dem Markt spurlos verschwunden sind oder dass der Alkohol aus dem Leben der Amerikaner für immer verschwunden ist. Beide Verbote wurden auch aufgehoben, weil man mit der Zeit richtig erkannt hat, dass sie im Grunde genommen keine Probleme lösen, sondern vielmehr zur Kriminalisierung führen. Dies wird auch bei dem Ghostwriting ‒ dem Verfassen von Texten unter Verzicht auf Nutzungsrechte ‒ ohne Zweifel früher oder später geschehen. Es ist also nur eine Frage der Zeit, dass die Gesetzgeber die altbekannte Erfahrung teilen.

Auch Politiker, Wissenschaftler und Künstler sind Ghostwriting-Kunden
Die Agenturen, die Dienstleistungen im Ghostwriting-Bereich anbieten, wie beispielsweise die Ghostwriting-Agentur Business And Science, sind in vielen Ländern legal. Zu ihren Kunden gehören jedoch nicht nur Studenten, sondern auch Politiker, Wissenschaftler, Künstler, Führungskräfte ‒ um nur einige Beispiele der Kunden von den Ghostwritern zu nennen. Die Vielfalt unter den Kunden zeigt eindeutig, dass es viele Gründe geben kann, die Dienstleistungen eines Ghostwriters in Anspruch zu nehmen. Keinesfalls sind diese Dienstleistungen nur für Studierende auf dem Markt bestimmt. 

(Bild: stock.adobe.com)

Die Ghostwriting-Agenturen sind sich zurzeit sehr gut dessen bewusst, dass sie einige Kunden, nämlich die österreichischen Kunden, in Zukunft nicht mehr bedienen können werden. Sie haben sich daher bereits jetzt auf die Umstellung nach der UG-Novelle vorbereitet. Unter anderem haben sie ihre Webseiten entsprechend angepasst: Sie weisen die Kunden darauf hin, dass sie keine Ghostwriter-Unterstützung mehr für Österreicher und österreichische Studenten anbieten. Davon zeugen entsprechende Hinweise auf den Webseiten der seriösen Anbieter: „Aufgrund der Hochschulrechts-Novelle in Österreich hat sich die Unternehmensführung […] dazu entschieden, den gesamten österreichischen Markt in Zukunft nicht mehr zu bedienen“. Anmerkungen in den AGBs machen darüber hinaus die österreichischen Kunden auf die Änderung in der Gesetzgebung aufmerksam: „Ab dem 1.10.21: Vom Angebot Ghostwriting von Musterarbeiten sind Auftraggeber ausgeschlossen, die entweder eine österreichische Staatsangehörigkeit besitzen oder an einer österreichischen Universität/Hochschule studieren“, wie es auf der Webseite von Business And Science zu lesen ist. 

Österreicher umgehen heimisches Verbot
Trotz dieser Maßnahmen, die dazu führen sollen, dass offiziell Österreicher und österreichische Studenten von den Ghostwriter-Agenturen nicht mehr beliefert werden, greifen Österreicher und österreichische Studenten als Kunden weiterhin auf die Ghostwriter-Dienste zurück. Diesbezüglich hat sich nichts geändert, nur senden sie jetzt Anfragen von den deutschen oder internationalen E-Mail-Adressen und bestreiten Österreicher und österreichische Studenten zu sein, wovon sich die Ghostwriting-Agentur Business And Science mehrmals überzeugen konnte. Somit wird von den Studierenden problemlos die UG-Novelle umgangen und die Agenturen bzw. die Ghostwriter können nicht mehr dafür belangt werden.

(Bild: stock.adobe.com)

Der Geschäftsführer der Ghostwriting-Agentur Business And Science, Piotr Snuszka sieht das Verbot an sich, vor allem was seine Folgen betrifft, im Kontext der geschichtlichen und der aktuellen Entwicklungen sehr kritisch. Er erinnert dabei an die Geschichte von ähnlichen Verboten: „Nicht ohne Grund wurde das Verbot der Prostitution oder die Prohibition aufgehoben. Alle moralisch bedenklichen Branchen werden nicht verboten, weil ein Verbot schwerwiegendere Folgen hätte. In allen verbotenen Branchen werden dennoch Geschäfte abgewickelt, bloß ohne jegliche Regulierung und genau darin liegt eine weit größere Gefahr.“

Die Studenten werden problemlos eine Lösung (einen Ghostwriter oder eine illegale Ghostwriter-Agentur) finden, um sich beim Verfassen ihrer wissenschaftlichen Arbeit unterstützen zu lassen, solange sie diese für sie unabdingbare Unterstützung nicht von ihren Betreuern und Dozenten bekommen. Es ist durchaus verständlich, dass die Betreuer und Dozenten bei den aktuellen Studentenzahlen an Hochschulen und Universitäten nicht jedem einzelnen Studierenden ausreichend Zeit widmen können, damit jeder von ihnen einen wissenschaftlichen Text problemlos selbständig verfassen kann.

Anbieter mit gefaktem Impressum
Nicht wenige Studierenden haben jedoch keine Chance, die Grundlagen des wissenschaftlichen Schreibens zu beherrschen und verzweifeln daran, die für ihr Studium notwendige Hausarbeit, Seminararbeit, Bachelorarbeit oder Masterarbeit zu verfassen. Sie suchen folglich Hilfe unter Kollegen oder Bekannten, die für sie als Ghostwriter arbeiten oder im Internet. Stoßen sie im Internet auf seriöse Ghostwriting-Agenturen, werden sie darauf hingewiesen, dass die Arbeit nur als Vorlage dient und nicht als eigener Text eingereicht werden darf. Trotzdem möchte Österreich gerade die Ghostwriting-Agenturen verbieten. Den Studenten, die keine Unterstützung unter Freunden oder Bekannten finden, bleiben somit nur 
Anbieter mit gefakten Impressen, die nicht gefunden werden können, die sie weiterhin unterstützen werden, ohne dass sie dafür bestraft werden. 

(Bild: stock.adobe.com)

Wie im Falle der Prohibition wird sich am Ende zeigen, dass das Problem, dass es Alkoholiker gibt, mit dem Verbot nicht gelöst wurde, der schwarze Markt blühte dank dem Verbot. Solange die Missstände an den Universitäten nicht gelöst werden, solange die Studentinnen unzureichend oder gar nicht betreut werden, so lange wird es Ghostwriter geben, nach dem Verbot nur auf dem Schwarzmarkt, der kaum überprüfbar ist. Die Rechtsprechung sollte aus diesen wohl bekannten Beispielen aus der Geschichte lernen, dass solche Verbote wenig eine Lösung darstellen, sondern nur illegale Geschäfte stärken. 

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