Mauern einzureißen, sich immer neu zu erfinden und analoge Wärme mit digitaler Kühle zu verbinden - das war stets das Credo der heimischen Vollblutmusikerinnen von 5K HD. Auf „Creation Eats Creator“ wagen sich Sängerin Mira Lu Kovacs, Bassist Manu Mayr und Co. nun in zarte „Unplugged“-Gefilde, ohne aber per se unplugged zu musizieren. Das Weniger oft mehr ist, erklären die beiden im großen „Krone“-Interview und zeigen sie auch bald auf Tour quer durch Österreich.
„Krone“: Mira, Manu - 5K HD überraschen mit dem Unplugged-Album „Creation Eats Creator“. Dieses Projekt entstand relativ zufällig...
Manu Mayr: Ich hatte letzten Herbst drei Tage Porträt im Wiener Porgy & Bess und überlegte, was ich da machen könnte. Ich wollte 5K HD einbauen, aber nicht auf die herkömmliche Art. Da kam die Idee auf ein Unplugged-Konzert, weil das Porgy einen tollen Flügel hat. Das war im Oktober 2020. Dieser ganze Prozess hat uns zur Überlegung gebracht, daraus mal ein Album zu machen und auf Tour zu gehen. All das ging damals fast wie von selbst. Wir haben für das Porgy-Konzert zweimal geprobt und sind dann im März 2021 sofort ins Studio gegangen. In zweieinhalb Tagen war das Album eingespielt. Es lag natürlich auch daran, dass nicht viele neue Nummern dafür komponiert wurden. Einige Songs haben große Arrangements erfahren, andere wurden auf das Wesentliche reduziert. Es war naheliegend, weil bei uns auch vorher schon alles gespielt war. Die Leute im Publikum dachten immer, bei uns rennen die Elektronik und ein Laptop mit, aber es war immer alles live gespielt. Die Umsetzung auf unplugged fiel uns daher sehr leicht - nur eben ohne künstlichen Hall.
Mira Lu Kovacs: Und die Lautstärke wurde reduziert. Der Sound ist noch immer groß, aber er ist nicht mehr so aufgeblasen wie sonst. Es gibt mehr Raum zum Atmen und man kann mehr Details bemerken. Für manche Fans ist der Sound vielleicht nahbarer geworden. Wenn Trompeter Martin Eberle und ich sehr eng beieinanderliegende Töne spielen, bin ich mir nach wie vor nicht sicher, von wem welcher Ton ist - obwohl er trompetet und ich singe. Die Klänge sind so ähnlich, was nur im akustischen Zusammenhang so stark auffällt. Alles verschmilzt so schön miteinander.
Akustisch zu spielen erfordert noch mehr Präzision und Perfektionismus, weil man jeden Fehler und jedes Detail sofort heraushört.
Kovacs: Wir sind bei 5K HD grundsätzlich extrem präzise, aber es ist nicht so leicht, mit einem langen und tiefen Hall zu singen, weil sich der Ton gefühlsmäßig währenddessen verändert. Bei dem Set bin ich auch hochkonzentriert, weil alles sehr genau passen muss. Beim Livespielen auf Tour wird das spannend, weil sich sicher viel verändern wird. Mit „Justice“ und „Happy Fucking Life“ gibt es zwei Songs, die bisher noch auf keinem Album erschienen sind. Gerade bei „Happy Fucking Life“ haben wir lange nicht gewusst, wie wir ihn im Original ernsthaft spielen sollten. Wir lachen uns für diese gute Laune selbst ein bisschen aus, zu der wir uns mit dem Song gedrängt haben. Die Fassung auf „Creation Eats Creator“ wohnt uns aber inne und stimmt so.
Herrschte bei den Aufnahmen durch die Reduzierung der Songs auch mehr Intimität unter euch Musikern?
Kovacs: Ich finde schon, denn durch die Reduktion gibt es keine Auffangpolster mehr. Alles ist ziemlich nackt und man geht ein Risiko ein, weil man oft sehr bestimmt einen Einsatz finden muss.
Mayr: Ich fand es spannend, dass das Klavier unser Raum wurde. Es sind über 200 Saiten in einem Hohlkörper gespannt und wenn man das Pedal drückt öffnet sich alles. Das Gefühl von Klingenlassen und Abdämpfen war direkt kontrollierbar. Das Projekt erforderte sehr viel Präzision und sehr viel Direktheit. Wir hatten einen ganz intensiven Bezug zu all dem, was wir machten. Weil alles eine direkte Konsequenz hat. Das dynamische Level ist ganz anders als bei herkömmlichen Alben.
Hat sich die Identität der Songs in diesem neuen Kosmos verändert? Projizieren die Songs ein neues Gefühl auf euch Musiker?
Mayr: Bei „Happy Fucking Life“ war es am Eindeutigsten. Der Song wurde von einer Lollipop-Synthie-Nummer zu einer erhabenen Akustikballade.
Kovacs: „In, Out“ ist auch eine Nummer, die im Original verzerrt und brachial ist und hier total anders klingt.
Mayr: Unser Produzent hat vorher sehr viel Sophie gehört und jetzt haben wir unsere Songs von der Ästhetisierung des Geräuschs ummanteln lassen. Anstatt Dinge zu verzerren und elektronisch anzureichern habe ich versucht, etwas aus der schwingenden Saite zu machen und dadurch Dreck entstehen zu lassen. Das ist bei „In, Out“ speziell so. Ich ziehe mit dem Fingernagel über die Saite. Was normalerweise als störend scheppernd bezeichnet wird, ist hier als bewusstes Stilmittel eingesetzt.
Kovacs: „Selfish Lover“ versinkt im Original in einem wunderschönen Hall-Topf und hier wird der Hall fast ganz weggenommen. Das Lied ist tragisch und es ist gut, dass der Fokus nun auf dem Material liegt. Aus diesem Song stammt auch die Zeile „Creation Eats Creator“, die das Unplugged-Album als Titel trägt. Ich wollte damals schon das Studioalbum so nennen, aber es hat nicht gepasst.
Hat euch eure Kunst auf diesem Album nun endgültig absorbiert?
Kovacs: Es kann sein. Ich glaube schon, dass es irgendwann passiert, dass man zu seinem eigenen Kunstwerk wird. Der Titel ist aber eher eine Kritik an uns Menschen. Ich bin derzeit so frustriert ob der Menschheit, weil wir so unfassbar dumm sind. Ich ärgere mich über mich selbst, über andere Menschen und über das System, in dem nichts funktioniert. Ich verstehe nicht, dass wir all diese Dinge nicht entschiedener ändern wollen, sondern das alles nur auf wahnsinnig brüchigen Brücken gebaut wird.
Mayr: Dazu gibt es eine nette Anekdote. Der Titel schwingt für mich um die Sorgen um den Planeten mit. Die Nummer „Justice“ hat die Textzeile „I can only breath the air that you produce“ und da hatten wir mit Videoideen herumgesponnen. Ich habe YouTube-Waldbrand-Videos daruntergelegt und das hatte eine unheimliche Wirkung. Die Umweltbewegung „Extinction Rebellion“ wollte den Song verwenden und ich habe zugesagt, aber wir gehen mit der Organisation nicht kritiklos konform, weil sie sektenähnliche Züge trägt und wir nicht allem zustimmen.
Kovacs: Man sollte sich einfach besser informieren und das haben wir verabsäumt. Googeln hilft in jeder Lage des Lebens. (lacht)
Das Artwork erinnert mich ein bisschen an Kraftwerk, es könnte aber auch aussagen, dass ihr in einer endlos scheinenden Wüste oder Tristesse verdurstet und damit wieder auf die Klimathematik zurückkommt.
Kovacs: Interessant. Es ist sehr karg und trocken und kann die Assoziation sicher hervorrufen. Am Ende will doch wieder jeder gleich sein und reinpassen und so funktioniert auch der Kapitalismus - obwohl wir alle so unterschiedlich sind. Es gibt sehr viele Bilder und Bedeutungen, die ich nicht auslegen möchte, aber die Linien, Farben und Formen projizieren das Menschsein als Großes und Ganzes. Im echten Leben sind die Stiegen, die wir schultern, nicht gewellt, aber es hat auch mit der Wahrnehmung zu tun. Ist die Welt, so wie sie scheint? Ist das, was ich lese und konsumiere richtig und real? Ist das, was mir Twitter und die Nachrichten sagen real? Es hat viel mit Mental Health und Selbstliebe zu tun, aber die Themen kommen auch in der Weltwirtschaft und in den Nachrichten vor. Man muss im Leben viel mehr Fragen stellen. Alles ist nur ganz kurz wahr und in der nächsten Sekunde oft schon widerlegt. Wir sollten die Dinge so betrachten, dass sie heute anders sind als morgen und dann anders als übermorgen. So sollte man Gefühle, Menschen und Berichterstattung wahrnehmen. Wir haben natürlich wieder versucht, über alles zu schreiben. (lacht)
Aber mit nichts tut sich der Mensch schwerer, als mit Veränderung. Und das führt dann oft wieder zur Ohnmacht und zur Verzweiflung.
Kovacs: Ich bin auch jemand, der nach Stabilität, Verlässlichkeit und Vertrauen sucht. Ich möchte dem Moment, den Menschen und auch der Politik vertrauen, auch wenn das nicht realisierbar ist. Vielleicht müssen wir die Stabilität aber auch in der Veränderung finden. Das ist eine Predigt, die ich mir selber halte, weil ich es gerne lernen würde. Ich schreibe oft Texte über Dinge, die ich gerne hören möchte. Aber ich bin noch lange nicht dort angekommen.
Wie wichtig war die Fragilität deines Soloalbums „What Else Can Break“ für „Creation Eats Creator“?
Kovacs: Das hat nicht so viel miteinander zu tun, außer dass man sich immer weiterentwickelt und die Reduktion vielleicht Ähnlichkeiten aufweist. Dadurch kamen mir 5KHD in diesem Gewand noch einmal näher. Dieses Projekt war für mich immer eine riesengroße Explosion, bei der es auf der Bühne gleichzeitig hell und dunkel ist. Hier kam mir die reduzierte Musiksprache nun mehr entgegen. Wir haben mit sehr wenigen Mitteln einen großen Sound gemacht.
Bei 5K HD war das Zwischenspiel zwischen digitaler Kälte und analoger Wärme schon immer sehr ausgeprägt. Auf „Creation Eats Creator“ ist nun fast nur mehr die analoge Wärme übriggeblieben.
Kovacs: Das sagen alle. Ich finde das Album noch immer sehr kühl. Es ist manchmal so nüchtern und direkt. Mir fehlt die Elektronik gerade nicht, das war eine bewusste Entscheidung.
Mayr: Unseren Produzenten hat das Thema Kühle am meisten beschäftigt. Ich finde, dass die Dinge, die etwas Hartes haben sollen, noch immer da sind. Härte bedeutet für mich nichts Aggressives oder Bedrohliches, sondern zeigt nur eine gewisse Intensität oder eine melancholische Schönheit. Vielleicht hat die Produktion das Material wärmer klingen lassen. Und dass der Faktor der künstlichen Verzerrung automatisch wegfällt.
Kovacs: Ein Flügel macht ein Album automatisch warm. Es war eine ganz natürliche Sache, bei der wir uns gar nichts dabei gedacht haben. Es war einfach klar, bestimmte Dinge wegzulassen. Dadurch, dass man die Harmonien so klar heraushört, versucht Benny Omerzell noch weniger das Klavier zu akzentuieren. Manchmal spielt er fast nur mehr mit einem Finger und ich frage mich dann, ob er noch da ist. (lacht) Die Live-Umsetzung für die anstehende Tour wird damit jedenfalls sehr spannend.
Ich habe beim Hören das Gefühl, dass ihr versucht, der Stimme und auch jedem einzelnen Instrument in den richtigen Momenten genügend Raum zu geben. Sodass jeder mal bewusst in den Vordergrund darf.
Mayr: Soli gibt es ein paar Mal bei Klavier und Trompete, das war auch eine bewusste Idee. Das Hervortreten wollten wir eher vermeiden. Es geht nie darum, jemanden individuell herauszuheben und die anderen in den Hintergrund zu stellen. Das Klangereignis und das kollektive Spielen stehen stets an erster Stelle. Es geht um das Interagieren, aber natürlich übernimmt hier und dort der eine oder andere die Führungsrolle.
Kovacs: Wir haben alle sehr songdienlich soliert. Es ist nicht dieses Solo-Gedudel, sondern einfach nur so, als würde kurz etwas anderer singen.
Unplugged-Alben waren vor allem in den 90er-Jahren sehr populär. Was sind eure persönlichen Favoriten?
Kovacs: Mir fällt nur ein Live-Album bzw. ein Bootleg ein. Ich habe vor x Jahren eine gebrannte Cat-Power-CD bekommen. Solo und live und fast ausschließlich aus Covers bestehend. Der Sound ist so beschissen, aber gerade deshalb so fantastisch. Sie wechselt darauf dauernd die Gitarren und die Stimme klingt unheimlich dumpf. Ich weiß gar nicht, warum ich das so mag, aber es passt einfach. (lacht) Dann gibt es noch das berühmte Fanta-4-Album mit „Tag am Meer“. Das ist ein wirklich schönes Album.
Mayr: Meine Unplugged-Gewohnheiten als Teenager traue ich mich gar nicht zu erwähnen. Natürlich Nirvana, aber auch die Ärzte. Als MTV Deutschland angefangen hat, die Bands zu kommerzialisieren. Das Unplugged-Konzept ist aber nicht unser Konzept. Wir stecken nicht einfach den Amp aus und kramen die Akustikgitarre hervor. Deshalb heißt unser Album auch nicht „Unplugged“. Die Tour wird als Akustiktour angekündigt und das Wort ist einfach catchy. Wir haben auch Fans, die im Jazz daheim sind und sich damit besser identifizieren können. Es geht nicht darum, Rock-Songs zu Lagerfeuer-Songs zu verwandeln, sondern um andere Details. Mehr um zeitgenössische Klassik-Einflüsse.
Kovacs: Ich hatte kurz Angst, dass die Leute das Projekt falsch aufnehmen. Dass ihnen der Wumms der Band fehlt, weil sie vom Sound gerne weggepustet werden. Wir haben aber schon ein paar Mal live gespielt und die Leute waren fast froh, dass es nicht so intim und leise war, wie sie es erwarteten. Mich hat das ein bisschen überrascht. Wir blasen die Leute jetzt ganz sanft weg. (lacht)
Ihr geht also schon mit etwas Routine in die anstehende Tour im Herbst?
Kovacs: Übers Jahr hatten wir ein paar Gelegenheiten live zu spielen, aber langsam kommen wir rein. Dieses Setting verlangt noch etwas mehr Aufmerksamkeit und Rücksicht von allen Beteiligten. Auf und vor der Bühne. Beim Poolbar-Festival in Feldkirch haben wir an einem sonnigen Tag vor 1000 Leuten im Freien das Unplugged-Programm gespielt und da stießen wir schon an unsere Grenzen. Da war fast etwas zu viel Party für dieses Setting. Ich spiele lieber indoor. Es ist schwieriger, bei Open-Airs einen guten Sound zu haben. Wie mischt man das für das ganze Publikum gut? Das geht ja kaum. Auf der Bühne müssen wir noch viel mehr aufeinander reagieren, weil niemand lauter drehen kann. Wenn einer zu laut ist, dann können die anderen nichts dagegen machen. Man muss wach und fit sein.
Mayr: Und den Mut dazu haben, die Dinge runterzubrechen. Natürlich darf es auch mal ausbrechen, aber man muss sich dann wieder zurückholen. Das funktioniert mittlerweile schon ganz gut, man muss es aber überzeugt machen.
Arbeitet ihr mittlerweile auch wieder an einem „herkömmlichen“ neuen 5K HD-Album?
Kovacs: Wir werden nach der Tour eher einmal durchatmen. Wir haben jetzt viel über Reduktion gesprochen, vielleicht ist das auch für uns selbst gut. Mit dem Unplugged-Werk und den zwei Alben davor habe ich das schöne Gefühl, dass wir derzeit sehr viele Möglichkeiten haben, uns zu präsentieren. Das System, alle zwei bis drei Jahre ein Album rauszubringen, entspricht nicht der Philosophie der Band. Es hat sich bislang so ergeben, aber wir wollen diese Strukturen verändern. Wir haben klanglich alle Zutaten in der Hand und müssen uns nur entscheiden, welche Kombi wir verändern. Ich will mir einfach Zeit nehmen und nie wieder hudeln. Hudeln hat noch nie geholfen. Für uns wäre es sehr leicht, etwas nachzuschießen, aber darauf habe ich keine Lust. Horchen wir lieber genau hin und schauen, was sich ergibt.
Tourtermine
5K HD werden mit „Creation Eats Creator“ im Herbst auf große Europatour gehen. Dabei stehen auch einige Österreich-Konzerte an. Am 18. September beim Wiener Donauinselfest, am 1. Oktober im Spielboden Dornbirn, am 19. Oktober im Porgy & Bess in Wien, am 20. Oktober im Badener Cinema Paradiso, am 21. Oktober im Innsbrucker Treibhaus, am 22. Oktober im Jazzit Salzburg, am 23. Oktober im Grazer Dom im Berg und am 24. Oktober beim „Ars Electronica“ in Linz. Weitere Infos und Tickets finden Sie unter www.oeticket.com.
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