„Krone“-Kolumne

Coming-out: Wie sag ich es ihnen?

Kolumnen
12.08.2021 08:00

Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller darüber, wie es ist, beruflich mit Sexualität zu tun zu haben.

Ein Coming-out als Sexualpädagogin, Sex-Kolumnistin und Sexualitätsforscherin ist nicht so einfach. Sagt man es neuen Bekanntschaften gleich, riskiert man damit, dass sie einen ab sofort nur mehr durch die Sex-Brille wahrnehmen. Ich will das gar nicht verurteilen; ich hätte selbst auch bestimmte Vorstellungen im Kopf, wie wohl typische Wurmforscherinnen oder Käferzüchter so sind. Und Sex ist auch nichts Schlechtes. Aber man will als Mensch ja nicht nur auf den Beruf reduziert werden.

Sobald ich neuen Bekannten von meinen Berufen erzähle, geht es los. Wahrscheinlich geht es anderen Berufsgruppen genauso. Wie bei Mechanikerinnen, Make-up Artists, Ärzten und Anwältinnen gibt es immer etwas, das Menschen diese Berufsgruppen fragen - oder ihnen erzählen - möchten. Ob es Wurmforscherinnen auch so geht? - Ah interessant, Wurmforschung! Mein Mann ist auch ein Wurmexperte und hat letztens bei der Gartenarbeit diesen speziellen Wurm entdeckt, aber irgendwie war auf Dauer der Wurm drin, wenn Sie verstehen, was ich meine? *zwinker* Wissen Sie vielleicht: Kann man da was machen? Sie lieben es doch sicher, in der Erde zu wühlen und sich schmutzig zu machen! Wollen Sie nicht mal vorbeikommen? - Kennen wir doch alle.

Menschen haben alle möglichen (und unmöglichen) Vorurteile darüber, wie Sexualpädagogen, -kolumnisten und -forscher wohl so sind. Vermutlich pervers? Auf jeden Fall anders als andere Menschen mit normalen Berufen. Menschen glauben, dass Sexforscher selbst sexuell hyperaktiv sind. Oder sich nur ständig mit diesem Thema beschäftigen, weil sie selbst nie Sex haben. Mir sind auch schon Menschen begegnet, die sich von den vielen Sex-Themen animiert fühlen und gleich ausprobieren wollen, wie es so ist, mit der Sexforscherin, dem Sexualpädagogen, der Sexkolumnistin. Andere Menschen fühlen sich von den vielen Sex-Themen peinlich berührt und gehen lieber.

Wenn man neuen Bekanntschaften erstmal den Beruf verheimlicht, wird es noch seltsamer. Ewig windet man sich mit Allgemeinplätzen („ich arbeite mit Menschen“, „ich schreibe“) durch das Gespräch. Fragt sich zwischendurch, ob so viel Geheimniskrämerei überhaupt notwendig ist? Sexualität ist doch schon lange kein Tabu mehr in unserer Gesellschaft. Sagt man. Aber meine Kollegen und ich haben manchmal einen anderen Eindruck. Irgendwann hat man dann bei neuen Bekannten schon so lange nichts gesagt. Wenn man jetzt beginnt, über die Arbeit mit Sexualität zu sprechen, wird dann nicht rückblickend alles nur mehr durch die Sex-Brille gesehen? - Hätte ich von Anfang an gewusst, dass das ein Käferzüchter ist… ich habe mir schon gedacht, dass der was mit Insekten zu tun hat! Schaut schon so aus. Ist für einen Käferzüchter aber eigentlich eh ganz sympathisch. - Also ist man lieber erstmal vorsichtig, wem man von seinem Beruf erzählt.

Irgendwie ist es schwierig, Kontakt herzustellen, wenn man nicht frei reden kann. Und Berufe sind in der Gesellschaft so wichtig für den Status, für die soziale Anerkennung. Das merken gerade auch Menschen, die keinen bezahlten Job haben. Mit anderen Sexualforschern und Sexualpädagogen hat man es da leichter. Wir wissen, dass Sexualpädagogik ein wunderbarer, sinnvoller und lustiger Beruf ist - aber halt ein Beruf. Und dass Sexualitätsforscherinnen auch Menschen sind mit einer privaten Sexualität, die sie nicht mit jedem teilen möchten.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Wurmforscherinnen und Käferzüchtern für die Beispiele entschuldigen. Eigentlich kenne ich persönlich keine Wurmforscherin. Dabei würde ich mich gerne einmal mit einer unterhalten, wie es so ist. Die lieben es doch sicher, in der Erde zu wühlen?

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