Regional Einkaufen

„Wertschöpfung muss beim Bauern stattfinden“

Vorarlberg
20.07.2021 18:55

Gerhard Eller, Gründer der App „Direkt-Regional“, spricht im Interview über die Notwendigkeit, direkt beim Produzenten zu kaufen und erklärt, wie Landwirte zur Bewusstseinsbildung beitragen können.

Krone: Herr Eller, mit der App „Direkt-Regional“ sollen lange Wege vermieden werden, denn der Endverbraucher kauft direkt beim Produzenten. Wie funktioniert das genau?
Gerhard Eller: Direkt-Regional ermöglicht es den Konsumenten, gezielt nach Produkten, Kategorien oder Produzenten zu suchen. Wir sind allerdings nur die Plattform. Soll heißen: Wir bringen Endverbraucher und Produzent lediglich zusammen, das Kaufgeschäft läuft schlussendlich direkt ab.

Sie sind eigentlich Logistiker. Was waren die Beweggründe, diese App zu entwickeln?
Meine Großeltern hatten eine Gemüsegärtnerei, mein Onkel eine klassische Landwirtschaft. Zudem kannte ich aufgrund meiner Arbeit im Bereich Lebensmittellogistik das Kräfteverhältnis zwischen Handel und Lieferanten. Und obwohl ich in diesem Umfeld aufgewachsen bin, hatte ich selbst keine Ahnung, wo ich welche Produkte direkt beim Bauern kaufen kann.

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Das Herzstück von Direkt-Regional besteht darin, den Kunden zum Bauern zu bringen. Dort soll die Wertschöpfung stattfinden.

Gerhard Eller

Und da es kein entsprechendes Angebot gab, haben Sie es selbst gemacht.
So könnte man es sagen. Das Herzstück von Direkt-Regional besteht darin, den Kunden zum Bauern zu bringen. Dort soll die Wertschöpfung stattfinden. Daher war mir von Anfang an wichtig, dass die App auch für den Produzenten einfach zu handhaben ist, also dass er die Produkte leicht einpflegen und die Verfügbarkeit mit einem Klick ändern kann.

Hat Corona der App einen Schub gegeben?
Ja, in mehrfacher Hinsicht. Zu Beginn der Pandemie sind die Zahlen hinaufgeschossen. Im Laufe des vergangenen Jahres sank die Zahl der aktiven Benutzer zwar ein wenig, allerdings blieb das Niveau höher als vor Pandemiebeginn. Außerdem haben wir während Corona das erste große Update gemacht. Seither kann man via Kartendarstellung nach Produzenten suchen. Bei den Produkten werden die Kilometer angezeigt, die der Produzent entfernt ist. Neu ist auch, dass manche Artikel über die App bestellt werden können. Wobei die Bestellung nur an den Produzenten weitergeleitet und nicht von uns verarbeitet wird. Zudem kann man mittlerweile auch Favoriten setzen und wird informiert, wenn ein Produkt wieder erhältlich ist. Und nicht zuletzt haben wir in Bludenz den ersten Direkt-Regional-Automaten aufgestellt - erfreulicherweise wird dieser sehr gut angenommen.

Sehe ich in der App, welche Produkte im Automaten sind?
Man sieht sogar die Füllmenge. Wenn man also unterwegs ist, reicht ein Blick auf die App.

Wie wurde die App denn von den Landwirten angenommen? Gab es da Erklärungsbedarf?
Ich bin anfangs von einem Stammtisch zum anderen gegangen, wurde bei etlichen Vereinigungen und Verbänden vorstellig und habe versucht, Multiplikatoren zu finden. Das hat bei einigen sehr gut funktioniert, bei anderen leider weniger gut. Viele Bauern machen das, was sie schon immer gemacht haben: Sie liefern an die Großabnehmer und überlassen diesen den Rest. Das ist schade, weil wesentlich mehr Potenzial da wäre. Insbesondere wenn man bedenkt, dass sich der Aufwand, direkt an den Konsumenten zu verkaufen, auf jeden Fall bezahlt macht. Klar ist es eine Umstellung und auch ein Lernprozess hinsichtlich Logistik und Direktvermarktung. Wenn man allerdings bedenkt, dass Großabnehmer und vor allem der Handel eine Marge von bis zu 40 Prozent einstreichen, während der Bauer fast leer ausgeht, ließe sich mit relativ wenig relativ viel machen.

Aber kann der Landwirt denn tatsächlich vom Direktvertrieb alleine leben?
Ja und nein. Aber darum geht es mir gar nicht. Ich bin auch kein Moralapostel und mir ist sehr wohl klar, dass nicht jeder Bauer ab Hof verkaufen möchte. In der Hinsicht durfte ich in den vergangenen Jahren einiges lernen. Unter anderem, dass es sehr wohl Großabnehmer und Großhändler braucht. Ansonsten können viele Bauern ihre Fixkosten gar nicht bedienen. Mir ist außerdem bewusst, dass die Logistik im Lebensmittelbereich einen hohen Kostenfaktor darstellt. Folglich sehen viele Bauern davon ab, ihre Produkte zu verschicken. Nichtsdestotrotz bin ich davon überzeugt, dass es für viele Landwirte von Vorteil wäre, würden sie mehrere Standbeine bedienen - Handel, Genossenschaft und eben auch Direktvermarktung.

Apropos Vermarktung: Diese ist ja ebenfalls ein zusätzlicher Kostenfaktor.
Stimmt. Wobei für die Nutzung unserer App nur sehr geringe Kosten anfallen. Der Bauer hat sogar die Möglichkeit, seine Produkte auf Direkt-Regional einzustellen und die Angebote eins zu eins für die eigene Website zu übernehmen. Die Präsentation ist ein wesentlicher Punkt bei der Vermarktung, sei es auf der Website, auf der App, im Hofladen oder bei unserem Automaten. Wenn Konsumenten neue Produkte sehen, probieren sie diese auch aus.

Fakten

Gerhard Eller, Logistik-Experte und Gründer sowie Inhaber der LOG-Transport Management Community mit Sitz in Ruggel, betreibt seit 2018 die App „Direkt-Regional“, über welche Endverbraucher direkt beim Bauern kaufen können. Alle Infos finden Sie unter: app.direkt-regional.com

Ist das Bewusstsein für regionale Produkte in den vergangenen 16 Monaten gestiegen?
Ich denke schon. Die Frage ist nur, ob sich das Bewusstsein nachhaltig verändert hat? Unsere Auswertungen belegen, dass Menschen recht schnell in alte Verhaltensmuster zurückfallen können. Lebensmittel sind in der Hinsicht sicherlich etwas ganz Spezielles. Die Menschen sind es gewohnt, alles an einem Ort zu bekommen. Außerdem brauchen sie Angebote - nicht nur Aktionen, Rabatte usw., sondern schlichtweg die Information, dass es ein Produkt gibt. Je mehr Bauern beispielsweise wieder anfangen, Fleisch selbst zu vermarkten, desto mehr Konsumenten werden auch wieder darüber nachdenken, woher das Fleisch kommt und was man daraus machen kann.

Bauern können also durch Direktvermarktung dazu beitragen, dass die Menschen regionaler einkaufen?
Ja, ich glaube durchaus, dass die Landwirte in der Hinsicht etwas bewirken können. Es gibt ja viele Beispiele hier im Land, die diese Schiene sehr erfolgreich fahren - sowohl was die Verkaufszahlen angeht, als auch im Hinblick auf das Bewusstsein ihrer Kunden. Direktvermarktung ist am Ende einfach ein zusätzliches Verkaufsangebot. Viele, die einmal damit angefangen haben, erkennen das Potenzial und lernen rasch, an welchen Schrauben sie drehen müssen, um die Kundschaft anzulocken.

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