„Krone“-Kolumne

Der unangenehme Dating-Druck nach der Pandemie

Kolumnen
27.06.2021 08:00

Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller zum neuen Dating-Druck und Erwartungen bei der Partnersuche.

Es ist wie eine ungeschriebene Regel: Wer bis zum Ende der Party bleibt, will nicht alleine nach Hause gehen. Im Winter war das größte Problem von Singles noch, dass sie aufgrund der Kontaktbeschränkungen nicht wussten, wie sie neue Leute kennenlernen konnten. Mit den Öffnungen hat sich das geändert. Steigende Erwartungshaltungen, der Druck sozial zu sein und Spaß zu haben: Für viele Singles beginnt sich die Mühle der Partnersuche nun langsam wieder zu drehen.

Der Pandemie-Winter hat einsamen Singles nur allzu viel Gelegenheit geboten zu fantasieren. In der Fantasie scheint alles rosig, schön und aufregend, besonders vor und nach der schrecklichen Pandemie. Zeit, diese Fantasien an der Realität zu messen. Vermutlich wird sich schnell herausstellen, dass nun, wo die Pandemie sich in der Hitze des Sommers erschöpft, nicht alles so rosig ist wie erhofft.

Die zweischneidige Rolle der Fantasie bei der Partnersuche kennt man von Online-Dating. Bevor man eine Online-Bekanntschaft trifft, hat man bereits Idealbilder der anderen Person innerlich aufgebaut. Bilder, die auf der Basis von Stehsätzen wie „Hallo, wie geht’s, was machst du am Wochenende?“ und kaum unterscheidbarer Dating-Fotos nur wenig Realitätsgehalt haben können. Sportlicher Mann in den Bergen, Frau im Minikleid im Spiegel, Mann mit Katze (wahlweise Hund, Baby, Babyküken, o. ä.), Frau mit offenen Haaren, lächelnd und mit Blick von unten, weichgezeichnet. Sich in diese Idealbilder zu verlieben, ist leicht, scheint die ideale Person doch alles zu erfüllen, was wir schon immer gesucht haben. Trifft man die Person dann das erste Mal in echt, kann der Fantasie-Funke überspringen. Oder jäh erlöschen, weil die Fantasie-Person sich als eine Projektion unserer eigenen Wünsche und Bedürfnisse herausstellt.

Träumen ist trotzdem schön! Reale Menschen sind gegenüber der Pandemie-Idealisierung aber vermutlich nur allzu oft enttäuschend: Sie haben in der Pandemie zugenommen, wenig erlebt, sich vielleicht überarbeitet oder sind wunderlich, einsam oder sozial ängstlich geworden. Der Winter hat uns allen viel abverlangt. Vielleicht passt es sehr gut, sich jetzt endlich wieder ins Party-Leben zu stürzen. Vielleicht braucht es aber auch noch ein wenig Zeit, bis man sich mit fremden Menschen, größeren Gruppen, lauter Musik und einem Abstand wohlfühlt, bei dem das Abendessen einer anderen Person riechbar ist.

Ob andere das zu vorsichtig oder zu überstürzt finden, sollte eigentlich egal sein. Neue Leute lernt man ohnehin am besten im eigenen Tempo kennen. Auch wenn man schon lange alleine war und gerne wieder Sex oder eine Beziehung hätte: Wenn es sich nicht gut anfühlt, sollte man auf seine Intuition hören und es langsam angehen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse von Singles in der Pandemie war, dass sie alleine auch gut klarkommen. Auf die eine oder andere Woche als Single kommt es nun auch nicht mehr an. Dass man bis zum Ende der Party durchgehalten hat, und trotzdem alleine nach Hause geht, ist nichts Ungewöhnliches. Zumindest muss man auf die nächste Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen, nun nicht mehr so lange warten.

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