Sommerszene Salzburg

Miniaturen der Konsum- und Wegwerfgesellschaft

Salzburg
16.06.2021 10:40

Zwei zum Preis von einem! Was Kunden in die Geschäfte lockt, kann auch für das Theater nicht falsch sein. Erst recht nicht, wenn sich zwei kurze Stücke so passend zu einem Ganzen vereinen, wie das am Dienstag bei der Premiere von „Im Einkaufstempel - Ich Biomüll“ im Salzburger Einkaufszentrum Europark der Fall war. Im Mittelpunkt der Aufführung stehen zunächst Menschen, die sich in einem Hypermarkt begegnen. Und später, folgerichtig, an einer Müllsammelinsel zusammentreffen.

Die beiden im Zuge der Sommerszene Salzburg uraufgeführten Stücke drehen sich um alltägliche Begegnungen und Gespräche, vor allem aber um unerfüllte und im besten Fall durch Konsum kurzfristig befriedigte Sehnsüchte. Eine Kundin steht - nicht zum ersten Mal, wie das Gespräch mit dem Verkäufer erahnen lässt - vor einem Regal Wanderschuhe und träumt von langen Reisen zu Fuß. Doch aufbrechen wird sie wohl nie, weil sie zu Hause ihre Eltern pflegt.

Im „Einkaufstempel“ treffen sich Schnäppchenjäger und An-der-Kasse-Vordrängler, müde Verkäuferinnen und freundliche Security-Mitarbeiter, Menschen, die vom Aufsperren bis zum Türschluss im Einkaufszentrum verbringen, um zumindest etwas soziale Interaktion zu haben. Die vom Theater ecce unter der Leitung von Reinhold Tritscher in Kooperation mit der Laube Volxtheaterwerkstatt erarbeiteten Geschichten bieten durchaus Platz für Konsumkritik. „Der Granny Smith aus Südafrika ist billiger als der steirische Apfel“, heißt es etwa einmal.

Mitunter sind die Dialoge etwas platt, dann wieder spitz und griffig - und oft strotzen sie vor überraschendem Witz und Wissen. Da scheinen sich die Anhängerin von Plastikverpackungen und die Bio-Fetischistin sogar kurz einmal einig, als der Name „Staudinger“ fällt - bis sich herausstellt, dass es nicht um Heinrich, den Waldviertler Schuhhersteller und Kreditrebell geht, sondern um Hermann, den deutschen Chemiker und Pionier der Kunststoffforschung. Oder wenn im Einkaufszentrum Unterschriften für ein Wiedererstarken der Atlantropa-Idee gesammelt werden, einst ein Mega-Projekt zur Absenkung des Mittelmeers mit Riesenstaumauern.

Trister, verzweifelter, dann der zweite Teil: Nach dem Auspacken und Konsumieren gehört der Müll schließlich wieder entsorgt. Auch „Ich Biomüll“ bietet genaue Beobachtungen der Akteure - und ihrer Widersprüchlichkeiten. Das wird etwa bei jenem Frühpensionisten deutlich, der beim Anbringen einer Überwachungskamera bei der Müllinsel datenschutzrechtliche Bedenken äußert, selbst aber den Müll der Hausgenossen nach Strafzettel, Mahnungen und Medikamentenbeipackzettel durchwühlt.

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