Verhaltensforscher

„Nach außen hin brav, im Privaten disziplinlos“

Garagenfeste, Demos, Vereinsamung, Verweigerung: Der renommierte Verhaltensforscher Kurt Kotrschal (68) aus Scharnstein analysiert, wie die Krise uns Menschen verändert. Und nimmt sich dabei kein Blatt vor den Mund: „Unsere Gesellschaft ist eine der Heuchler geworden.“ Warum, erklärt er im „Krone“-Interview.
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„Krone“: Herr Professor, man hat den Eindruck, Corona hat bestehende Bruchlinien in der Gesellschaft verstärkt.
Kurt Kotrschal: Wir ernten die Früchte von 20 Jahren neoliberaler Politik. Gerade bei den Systemerhaltern, wie etwa dem Gesundheitspersonal, sind nur Anforderungen, nicht aber Gehälter gestiegen.

Bei den Maßnahmen-Kritikern ist eine zunehmende Fanatisierung feststellbar.
Dieses Problem sitzt tief in der Gesellschaft. Das Nicht-Miteinanderreden gefährdet die Demokratie. Die Leute bewegen sich online nur noch in ihren Blasen und werden aggressiv, wenn man nicht ihrer Meinung ist.

Sie sind auch von der Polit-Blase nicht begeistert.
Populistische Aussagen der Politiker sind derzeit alles andere als hilfreich.

Die Corona-Krise dauert eben schon sehr lange.
Deshalb sagen viele: ,Ich lasse mir vom Staat nicht mehr alles gefallen‘. Ein Teil der ,Szene‘ wird sich weiter radikalisieren, fürchte ich.

Die Zusammensetzung der Kritiker ist politisch mehr als bunt. Wie kommt das?
Es zeigt, dass viele dieser Kritiker kein sehr tief sitzendes Weltbild haben.

Haben Sie Verständnis für die Maßnahmen-Kritiker?
Es ist ja nichts Schlechtes, wenn man etwas hinterfragt. Das haben wir ja auch bei den 68ern gesehen. Ich etwa habe kein Problem mit dem Maskentragen, habe mich bis zu meiner Impfung systemkonform benommen. Aber ich halte die Maske nicht überall für sinnvoll.

Stichwort ,Corona-Partys‘: Was sagen Sie dazu?
Wir sind zur Gesellschaft der Heuchler geworden. Nach außen gibt man vor, die Corona-Maßnahmen zu befolgen, aber im Privaten macht jeder, was er will.

Wer leidet am meisten?
Am Anfang hat man sich vor allem Sorgen um die Senioren gemacht. Die haben sich aber gut arrangiert. Wer soziale Kontakte wie einen Bissen Brot braucht, um sich in der Gesellschaft integrieren zu können, sind unsere Kinder und Jugendlichen.

Einige Maßnahmen überzeugen auch Sie nicht?
Ich verstehe nicht, was dagegen spricht, sich bei gutem Wetter im Freien zu treffen. Zu behaupten, man müsse beispielsweise am Donaukanal im Freien mit Masken dasitzen, finde ich befremdlich.

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