„Eindeutiger“ Nutzen

Ärztin: Asthmaspray bei Covid-19 „ein Schlüssel“

Wissenschaft
19.04.2021 19:27

Vor einer Woche hat die Universität Oxford in der Fachzeitschrift „The Lancet“ eine Studie herausgegeben, die zeigt, dass die Verabreichung von Asthmasprays mit Budesonid in der frühen Krankheitsphase die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Covid-19-Verlauf um mehr als 90 Prozent verringert. Vereinfacht gesagt: Patienten, die diesen Wirkstoff erhalten, erkranken sehr selten schwer. Dr. Lisa-Maria Kellermayr ist Allgemeinmedizinerin beim Corona-Visitendienst in Oberösterreich und wendet Budesonid bereits seit Monaten an - aber es hört ihr niemand zu, sagt sie. Dabei halte man hier „einen Schlüssel“ in der Hand. Sie war zu Gast bei Damita Pressl im krone.tv-Studio.

„Es braucht hier mehr Druck“, hält Kellermayr fest und appelliert, flächendeckend mit Budesonid zu behandeln - und zwar bereits in den ersten paar Tagen der Krankheit. Denn so könne man die Intensivstationen entlasten. Budesonid wirkt entzündungshemmend und kann damit die Entzündung der Atemwege, die mit Covid einhergeht, lindern. „Wir haben bereits in der ersten Welle gesehen, dass die Patienten unter einem sehr schwer zu therapierenden Reizhusten leiden, und die Tabletten, die man normalerweise gibt, nicht wirksam sind.“

So habe sie im Austausch mit Kollegen beschlossen, Asthmasprays mit Budesonid zur Behandlung von Covid-19 einzusetzen. „Eine Studie dauert. Ich habe aber in dem Moment den Patienten vor mir sitzen. Den Patienten, der keine Luft bekommt. Und da muss ich handeln. Das ist eine Nutzen-Risiko-Abwägung, und die war in dem Moment eindeutig. Aufgrund der Vielzahl an Patienten ist uns dann bewusst geworden, wie gut dieses Medikament anschlägt.“

„Wie soll ein Intensivmediziner wissen, wie die ersten drei Tage aussehen?“
Der Wirkstoff muss in den ersten Tagen der Erkrankung verschrieben und angewandt werden, dann sinkt das Risiko eines schweren Covid-Verlaufs deutlich. Das belegt auch die Oxford-Studie. Dass sich dieses Wissen nicht bereits seit Anfang durchgesetzt hat, klagt Kellermayr, liege daran, dass sie „nur“ Allgemeinmedizinerin sei. „Wie soll ein Intensivmediziner wissen, wie die ersten drei Tage aussehen? Der sieht die Patienten erst, wenn sie im schweren Verlauf sind - wenn sie bereits spitalspflichtig sind.“

Kellermayr habe in Fortbildungen von ihren Erfahrungen erzählt und so versucht, möglichst viele Kollegen zu erreichen. Es war ein schwerer Kampf, sagt sie: „Wir werden im Vergleich mit Fachärzten nicht als gleichwertiger Arzt wahrgenommen. Ich weiß nicht, in wie vielen Regierungsprogrammen die Absicht der Aufwertung gestanden ist - allein: Passiert ist nichts.“ Aus Frust ging Kellermayr letztlich über Twitter an die Öffentlichkeit.

„Es haben sehr viele Kollegen aufgegriffen und waren dankbar. Ganz offenkundig hat sich etwas verändert. Es ist sogar einer Herstellerfirma aufgefallen, anhand der Verschreibungsdaten. Die haben mich angerufen und nachgefragt: Ihnen sei erzählt worden, ich würde das Medikament empfehlen. Dafür sei es ja gar nicht zugelassen. Ich habe erklärt: Es hilft. Deswegen verschreibe ich es und deswegen empfehle ich es. Mir ist völlig klar, welche Verantwortung ich damit auf meine Schultern lade. Aber es war einfach so offenkundig.“

„Wir haben hier einen Schlüssel in der Hand“
Österreich könnte die Oxford-Studie durchaus untermauern, sagt Kellermayr: Covid-19 ist eine meldepflichtige Krankheit, der Wirkstoff ein rezeptpflichtiger. Somit sei jeder Fall nachverfolgbar, wenn man wollte. Doch es hakt am Datenschutz. „Wir sitzen auf einem Schatz. Wir haben hier einen Schlüssel in der Hand - wir bräuchten ihn nur ins Schlüsselloch stecken und schauen, ob er sperrt.“ Man könne die Fälle auch rückverfolgen - dies wäre datenschutzrechtlich einfacher. Das Interesse scheint sich auch hier in Grenzen zu halten: „Eine Wissenschafterin der Universität hat mich nach meiner E-Mail-Adresse gefragt. Aber gekommen oder passiert ist bis heute nichts.“

Was die Menschen laut Kellermayr über Covid-19 noch wissen sollten, hat sie in einer Informationsbroschüre zusammengefasst: Da stehen Symptome, Selbsthilfetipps und Hinweise dazu, wann es den Hausarzt oder eine Krankenhausbehandlung braucht. Von Kollegen zusammengetragen und auf private Websites übernommen. „So haben wir versucht, für die Patienten wichtige Informationen zu verbreiten.“ - Doch eigentlich sollte die Information in den Teststraßen aufliegen, fordert Kellermayr.

Was jeder zu Hause haben sollte
Jeder sollte einen Pulsoximeter zu Hause haben - auch das wird laut Kellermayr viel zu wenig betont: Das ist ein kleiner Fingerclip, in jeder Apotheke und größeren Supermärkten um etwa 30 Euro zu haben, der die Sauerstoffsättigung misst. So erkennen Patienten rechtzeitig, wann sie Hilfe brauchen. „Dass viele Patienten erst ins Krankenhaus kommen, wenn sie fast intensivpflichtig sind, wissen wir aus der ersten Welle in Norditalien“, so Kellermayr. Wichtig wäre auch ein Medikamentenlieferdienst für Patienten in Quarantäne: „Wenn das ganze Umfeld auf einen Schlag in Quarantäne ist, wer bringt denn das Rezept zur Apotheke? In der Praxis ist es meistens so: Das Familienmitglied mit den wenigsten Symptomen schleicht trotz Quarantäne außer Haus und fährt mit der Straßenbahn zur Apotheke.“

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