Ein Primar erzählt

Ein Optimist mit Herz und Tiefgang

Vorarlberg
17.03.2021 08:00

„Man sieht nur mit dem Herzen gut“ - nach diesem Motto leitete Albert Lingg als Primar das LKH Rankweil. Als Pensionist widmet er sich seiner Familie und engagiert sich sozial.

Interessiert war Albert seit jeher an vielem, sei es an den Naturwissenschaften oder der Philosophie, vor allem aber an Menschen. „Die Psychiatrie reitet ja, wenn nicht einseitig betrieben, auf beiden Pferden – der Medizin und der ganzen Breite der Geisteswissenschaften. Daher sollte der Psychiater auf dem ganzen Klavier spielen können, was die Aufgabe spannend macht“, definiert der gebürtige Bregenzerwälder sein umfangreiches Aufgabengebiet. Bereits in jungen Jahren wurde er Primar des im Volksmund als „Valduna“ bekannten Rankweiler Krankenhauses.

„Im Rückblick sehe ich es als Glück an, zur Zeit großer Umbrüche in der Haltung gegenüber psychisch kranken Menschen tätig gewesen zu sein. Es galt, Reformen umzusetzen und Menschen Alternativen zu Langzeitaufenthalten in der Anstalt zu organisieren.“ Was ihm gelang, auch wenn erst Widerständen getrotzt werden musste: „Als wir etwa Menschen, die Jahrzehnte asyliert waren, bei Ausflügen in ihre Heimatorte begleiteten, bekam ich wütende Telefonanrufe, warum wir ‘die Deppen’ wieder ins Dorf brächten. Da galt es viel Aufklärungsarbeit zu leisten, um Vorurteile und Ängste gegenüber psychisch Kranken abzubauen.“

Der landläufigen Meinung, es gäbe immer mehr psychische Erkrankungen, widerspricht Albert: „Seelische Notstände werden heute nur häufiger diagnostiziert, es gab früher viel verborgenes Leid, aus Scham versteckt oder mangels Anlaufstellen nicht aufgefangen. Auch die in den 80er-Jahren noch doppelt so hohe Suizidrate hat damit zu tun“, erklärt der passionierte Optimist, der selbst in der derzeitigen Pandemie positive Aspekte sieht: „Viele Menschen genießen die gegenwärtige Entschleunigung, entdecken unsere Umwelt neu und lernen etwa vermeintliche Kleinigkeiten wieder zu schätzen.“

Vorarlberger Version von Mick Jagger
Für seine eigene Psychohygiene stand er mit einer Band als Leadsänger auf der Bühne und brachte es als „rockender Primar“ mit Rolling Stones-Coverversionen zu erstaunlicher Popularität. Und auch wenn er mittlerweile nicht mehr abrockt, einen Pensionsschock hat er keineswegs erlitten: „Ich bin weiter in Ausbildungen tätig, Berater der ’Aktion Demenz’, Beirat im Sunnahof und Obmann der Telefonseelsorge - hauptsächlich bin jedoch Familienmensch und spät, aber dafür umso bewusster - Ehe- und Hausmann“, so der fünffache Vater und neunfache Großvater. Mit Teilen seiner Großfamilie lebt Albert in einem Mehr-Generationen-Haus und genießt dies ganz offensichtlich: „Mein Vorsatz als 71-Jähriger lautet frei nach Tschechow: Verpfusche nicht das Finale deines Lebens!“

Raimund Jäger
Raimund Jäger
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