EU, Minderheiten etc.

Zittersieg in Stichwahl: Wohin führt Duda Polen?

Ausland
13.07.2020 16:39

Mit einem blauen Auge am Sonntag ist die Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) in Polen davongekommen. Der von ihr unterstützte Andrzej Duda ging mit 51,2 Prozent nur hauchdünn gegen den liberalen Kandidaten Rafał Trzaskowski (48,8) als Sieger aus der Präsidentschaftsstichwahl hervor. Wohin führt Duda sein Land in den kommenden fünf Jahren? Sein Wahlkampf war jedenfalls geprägt von Hetze gegen sexuelle Minderheiten, scharfen Tönen gegenüber Brüssel und antideutschen Ressentiments. Seine Kritiker befürchten, dass unter Duda nun der Staatsumbau in ein autoritäres System vorangetrieben wird.

Dudas knapper Sieg ist nach Einschätzung der Experten Zeugnis einer gesellschaftlichen Spaltung in Polen, die sich nun noch weiter verschärfen dürfte. Während Duda seine Machtbasis vor allem auf dem Land und bei der Generation 50+ hat, lag in den Großstädten, im Westen Polens und bei den Jungen der Warschauer Bürgermeister Trzaskowski deutlich vorne, auch die in Österreich lebenden Polen wählten ihn mit großer Mehrheit.

„Duda ist ein Mann der Partei, der Befehle ausführt“
Duda sei „ein Mann der Partei, der Befehle ausführt“, sagt der Warschauer Politikexperte Stanislaw Mocek. Äußerst selten hat Duda in den vergangenen fünf Jahren dem mächtigen PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski widersprochen. Stattdessen winkte er umstrittene Gesetzesänderungen und großzügige Sozialleistungen durch. Nicht umsonst warb die Regierungspartei im Wahlkampf demonstrativ für ihren Mann.

Duda müsse laut den Politexperten Piotr Buras und Pawel Zerka nun zeigen, dass er ein Staatsmann, ein Mann des Ausgleichs und der Versöhnung ist. Doch der Wahlkampf hat zu viele Scherben hinterlassen. „Die Wahl Dudas bedeutet nicht, dass nun der Status quo beibehalten wird“, sagen Buras und Zerka. PiS kontrolliert das Parlament und den Präsidenten. Der Umbau in ein autoritäres System werde vorangetrieben.

PiS kann nun umstrittene Justizreformen leichter umsetzen
Schon im Wahlkampf hatte Duda angekündigt, das Programm der Regierung weiter zu unterstützen. Duda sieht sich als Verteidiger der katholischen Werte. Nun kann die PiS ihre strikt konservative Agenda umsetzen und die umstrittenen Justizreformen (z.B. neue Regeln für Disziplinarmaßnahmen gegen Richter) vollenden, in denen die EU eine wachsende politische Kontrolle über die Justiz sieht. Trzaskowski hatte dagegen versichert, er werde als Präsident die Reformen blockieren, weil sie die Demokratie aushöhlten.

EU „imaginäre Gemeinschaft, von der wir wenig zu gewinnen haben“
In Brüssel hatten sich daher viele Hoffnungen auf Dudas proeuropäischen Herausforderer Trzaskowski gerichtet. Wegen der umstrittenen Änderungen des Justizwesens in Polen hat die EU-Kommission 2018 ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen das Mitgliedsland eingeleitet. Warschau zeigte sich allerdings wenig einsichtig - auch nicht nach Niederlagen vor dem Europäischen Gerichtshof. Die EU sei „eine imaginäre Gemeinschaft, von der wir wenig zu gewinnen haben“, polterte Duda im Wahlkampf Richtung Brüssel.

Verhältnis zu Deutschland: „Kalte bis sehr kalte Politik“
Auch in den deutsch-polnischen Beziehungen werde sich wohl nicht viel ändern, glaubt der Politologe Antoni Dudek. Eine „kalte bis sehr kalte Politik“ Warschaus werde weiterhin das Verhältnis zu Berlin dominieren. Im Wahlkampf kritisierte Duda die angebliche Einmischung deutscher Medien in den Präsidentenwahlkampf. Der 48-jährige Jurist war angefressen, nachdem eine polnische Boulevardzeitung, die zum Teil in deutschem Besitz ist, über seine Begnadigung eines Pädophilen berichtet hatte. Später beschimpfte er öffentlich den Warschau-Korrespondenten einer deutschen Tageszeitung. Kritiker fürchten, dass es unter Duda nun vermehrt zu Repressalien für freie und kritische Medien kommen könnte.

Duda positionierte sich im Wahlkampf gegen sexuelle Minderheiten
Im Wahlkampf positionierte sich Duda auch gegen sexuelle Minderheiten und wurde dafür auch im Ausland heftig kritisiert. Am Wahlabend unternahm er einen ungelenken Versuch, den Schaden wiedergutzumachen: In seiner Nachbarschaft habe einmal ein schwules Paar gelebt. „Sehr nette, normale Männer“ seien das gewesen. Trotzdem erwartet Magdalena Swider von der Kampagne gegen Homophobie wachsende Intoleranz gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans-Menschen. „Duda hat sehr klargemacht, dass er für LGBT-Menschen die Hölle vorbereitet“, sagt sie. Beispielsweise plane Duda eine Verfassungsänderung, die gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption von Kindern verbieten solle. „Die ganze Familienpolitik schließt solche Familien aus, die nicht aus Mutter, Vater und Kindern bestehen“, sagte Swider.

Gute Beziehungen zu Trump
Außenpolitisch setzt sich Duda für eine Stärkung der Beziehungen zur NATO ein. Seit seiner Amtsübernahme haben das Verteidigungsbündnis und die USA ihre Präsenz in Polen ausgebaut, um auf die Aktivitäten Russlands in der benachbarten Ukraine zu reagieren. In der Woche vor der ersten Wahlrunde besuchte Duda als erstes ausländisches Staatsoberhaupt seit der Corona-Pandemie US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus. Dieser lobte seinen polnischen „Freund“ überschwänglich und erklärte, auf Bitten Warschaus „wahrscheinlich“ einen Teil der in Deutschland stationierten US-Soldaten nach Polen zu verlegen.

Die Macht des polnischen Präsidenten 
In Polen amtiert der Präsident fünf Jahre lang. Das Staatsoberhaupt repräsentiert das Land nicht nur nach außen. Der Präsident hat auch Einfluss auf die Außenpolitik, er ernennt den Ministerpräsidenten sowie das Kabinett und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen Streitkräfte. Außerdem kann er mit seinem Vetorecht Gesetzentwürfe stoppen. Im Parlament ist dann eine Dreifünftelmehrheit nötig, um das Veto des Präsidenten zu überstimmen.

Kronen Zeitung/krone.at

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