Reform muss warten

Funktionärs-Chaos im heimischen Tennisverband

Tennis
27.02.2020 13:57

Im Österreichischen Tennisverband (ÖTV) herrscht weiter ein Funktionärs-Chaos: Im März 2019 hatte Werner Klausner, der dem Verband neue Strukturen geben wollte, nach internen Querelen das Handtuch geworfen. Seither fungiert Christina Toth als Interimspräsidentin. Eine angestrebte Reformierung ist aber erneut vom Tisch. Nun sollen plötzlich alle neun Landesverbandspräsidenten (!) ins Präsidium.

„Es gibt Menschen mit Eigeninteressen oder Eitelkeiten, die den Verband wieder in die Vergangenheit schießen“, hatte schon Klausner zu seinem Abgang nach nur einem Jahr Amt seinen Nachfolgern u.a. als Botschaft hinterlassen. Wer nach einem klärenden Gewitter nachhaltige Modernisierungen im ÖTV erwartet hat, wurde aber auch seither enttäuscht.

Die Juristin Christina Toth, die auch im Vorstand des IMSB-Nachfolgers LSA (Leistungssport Austria) in Südstadt sitzt, wollte mit Hilfe einer eigens engagierten externen Firma nach einem Monate langen Prozess das Präsidium auf neue Beine stellen: Ein Präsidium ohne Landesverbandspräsidenten hatte Toth noch Oktober vergangenen Jahres gegenüber der APA als „fix“ avisiert. Ziel war es, den nicht mehr zeitgemäßen ÖTV auf neue organisatorische Beine zu stellen und schnellere Entscheidungswege zu finden.

Nun ist wieder alles anders. Drei zuletzt in einer Wahlkommission vorgelegte Wahlvorschläge wurden Mitte Februar nicht angenommen. Die Statuten sollen nun so adaptiert werden, dass alle Landesverbandspräsidenten ins Präsidium gehievt werden. „Es gab Bedenken, dass der Prozess zu schnell vorangetrieben wurde“, meinte Präsidentin Toth am Donnerstag gegenüber der APA. „Es wird vielleicht von außen so wahrgenommen, aber ich sehe es nicht als Chaos. Eigentlich ist es wieder eine mutige Entscheidung. Bevor man sich mit einer knappen Mehrheit auf jemand einigt, hat man nun festgestellt, wir sind noch nicht so weit.“

Toth ersucht um Verständnis. „Ich habe diesen Prozess ein Jahr miterlebt und sehe, wie die Dynamik in so einer Gruppe ist. Wenn der Druck von außen da ist, schnelle Entscheidungen zu treffen und alles in der Öffentlichkeit ist, ist es nicht so leicht.“ Die nun angestrebte, auch nicht in Stein gemeißelte, Lösung mit allen Landesverbandspräsidenten im ÖTV-Präsidium favorisiert sie aber weiterhin nicht. „Ich bin nach wie vor kein Fan davon. Ich war immer dagegen und glaube, dass damit der Schritt in die Professionalisierung nicht gelingt. Aber wenn es das ist, was die breite Mehrheit findet, dann ist es ein demokratischer Prozess.“

Man darf jedenfalls gespannt in Richtung 22. März blicken, wenn die Generalversammlung stattfindet. Sollte die Lösung allerdings kommen, dann wird für die steirische Verbands-Präsidentin Barbara Muhr und den von ihr als Sportdirektor vorgeschlagenen Wolfgang Thiem „Plan B“ in Kraft treten. Die Grazerin hatte im Herbst das „Austrian Tennis Committee“ (ATC) gegründet. Mittlerweile ist sie davon abgerückt, sich selbst als Präsidentin anzubieten.

Thiem senior hatte avisiert, dass er sich im Falle der Ablehnung des ATC-Angebots aus dem ÖTV-Leistungszentrum Südstadt samt „seinen“ Spielern Dominic Thiem, Dennis Novak, Sebastian Ofner und Jurij Rodionov zurückziehen wird.

Diese von manchen Tennisfunktionären als „Erpressung“ dargestellte Vorgangsweise weist Muhr zurück: „Im Gegenteil. Wir haben ein Angebot gemacht. Sechs Leute, die das ÖTV-Präsidium machen, sollen mit wirtschaftlicher, juridischer Kompetenz und Sportkompetenz durch Wolfgang Thiem die gute Basis des ÖTV optimieren“, so Muhr.

Der Steirerin „geht es überhaupt nicht darum, dass ich Präsidentin werde“. Wolfgang Thiem sei nur wichtig, dass er zwei von drei der sechs vorgeschlagenen Leute gerne im Präsidium hätte. „Weil er Menschen braucht, in die er Vertrauen hat. Ich muss nicht Präsidentin sein, ich will es mittlerweile gar nicht mehr“, bekräftigt Muhr.

Sie sieht naturgemäß die nun angestrebte Lösung kritisch. „Die Frage ist, wem geht es worum. Die Funktionäritis ist ansteckender denn je, allerdings will ich das nicht allen unterstellen“, so Muhr. Ob die Statutenänderung im Delegiertenstimmensystem jene 17 von 33 nötigen Stimmen für eine einfache Mehrheit erreicht, wird sich weisen.

Interimspräsidentin Toth sieht eine mögliche Privatinitiative Wolfgang Thiems durchaus positiv. „Tennis lebt von den Privatinitiativen.“ Auf die Frage, ob sie denn auch künftig Tennis-Stars und -Experten wie Jürgen Melzer, Alexander Peya, Julian Knowle oder Oliver Marach nach dem Ende ihrer Karrieren lieber außerhalb des ÖTV tätig sehen würde, meinte Toth: „Sie alle wollen dem Nachwuchs etwas weitergeben, ihnen ist es egal, ob innerhalb oder außerhalb des ÖTV. Ziel muss sein, innerhalb des ÖTV solche Rahmenbedingungen zu schaffen, dass solche Leute gern ihr Know-how in den ÖTV einbringen.“

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(Bild: KMM)



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