Streif mit Rudi Sailer

„Im Flachen schob mich Bruder Toni an“

Tirol
25.01.2020 09:48

60 Jahre nach seiner ersten Mutprobe auf der Streif begleitet die „Krone“ Rudi Sailer (75) zu den Schlüsselstellen. Und er erzählt, wie ihm der berühmte Bruder half.

Rudi, „ein wilder Bursch“ des Ski Clubs Kitzbühel, gerade erst 16 Jahre alt, durfte sich 1960 auf der gefürchteten Rennstrecke versuchen. „Mit Startnummer 112, damals fuhren 123 Läufer mit“, erinnert sich Rudi bei der stylischen heutigen Startzone. Damals bestand der Start noch aus zwei Stangen im Schnee.

Ehrfurcht und Zittern gehörten einst wie heute dazu. „Man konnte den Angstschweiß einiger Läufer regelrecht riechen. WC gab es am Start keines und mancher schaffte es nicht mehr in den Wald“, denkt Rudi an manch strenge Gerüche zurück.

Fürchterliche Premiere
Zurück zu seiner Premiere 1960: „Beim ersten Training hat´es mich bei der Mausefalle aus den Schuhen gehoben, beim nächsten Versuch am Steilhang. Beide Male war der Ski kaputt“, erinnert sich Rudi, als wir bei der Mausefalle in den Abgrund blicken. „So geht das nicht, Mandei“, habe der längst berühmte und zwei Jahre zuvor zurückgetretene Bruder Toni festgestellt. Statt einer Kappe musste ein (viel zu großer) Helm her. Bessere Kästle-Skier, gewachselt in der Küche, machten Mut.

Die Hand von hinten . . .
Beim Rennen ging die Bruderliebe dann noch weiter: „Toni hat sich hoch oben am Steilhang positioniert, ist in Schussfahrt wie ein Adler herabgestochen, um mich in der Alten Schneise anzuschubsen“, schmunzelt der 75-Jährige. Auf diese Hilfe war er nicht gefasst: „Mich hat es fast auf die ,Pappn‘ gehauen!“ Weil in der Alten Schneise keine Menschenseele zusah, fiel der kleine Schwindel nie auf.

Den Schwung verspielte Rudi aber nach der Hausbergkante, er wurde nach unten getrieben: „Im Zaun landete man damals nicht, weil es keinen gab. Also bin ich mitten durch die Zuseher hindurch in Richtung Zielschuss.“ Ergebnis: Immerhin Rang 44. Später folgten mehrere Top-Ten-Plätze auf der Streif – begleitet von etlichen Kapriolen: Bei der Steilhang-Ausfahrt, wo ebenfalls jede Sicherung fehlte, purzelte Rudi einmal in den darunter liegenden Wald. Sein Vater sah von einem Fernsehkamera-Plateau herab auf den sich aufrappelnden Sturzpiloten. Erst als er dessen Startnummer 75 erkannte, ahnte er: „Rudi, bist du das?“

Kamikaze am Zaun
Zu jeder Schlüsselstelle der Streif hat der spätere Skischulbetreiber („Rote Teufel“) haarsträubende Geschichten parat. Manche holen ihn noch heute ein: Jener Japaner, der 1985 zig Räder auf dem Zaun der Mausefalle schlug und für TV-Bilder des Schreckens sorgte, ist zum 80-Jahr-Jubiläum zu Gast, ein Skitag mit Rudi ist geplant. Da dürfte auch der Gast aus Asien staunen, wie selbstverständlich sich der 75-Jährige über die Eisbahn namens Streif bewegt . . .

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