Identität gelüftet

Ein Deutsch-Schweizer trainierte Paris-Attentäter

Ausland
13.11.2019 10:57

Zum vierten Mal jährt am Mittwoch sich die verheerende Anschlagsserie des IS in Paris, bei der insgesamt 130 Menschen ums Leben kamen. Als drei IS-Zellen gleichzeitig an mehreren Orten in der französischen Hauptstadt zuschlugen und ein Blutbad anrichteten - koordiniert, organisiert und kaltblütig. Zwar beanspruchte die Terrororganisation die Anschläge bald für sich, wer jedoch die Ausbildung und Vorbereitung der Attentäter übernommen hatte, darüber wurde nahezu nichts bekannt. Nun dürfte die Identität eines der Drahtzieher feststehen - bei ihm handelt es sich um einen Deutsch-Schweizer.

Während sich die Attentäter der Anschläge selbst wenig um die Wahrung ihrer Anonymität bemühten, verhält sich das bei Thomas-Marcel Christen anders. Wie die „Bild“ berichtet, handelt es sich bei ihm um jenen Mann, der die Anschläge in Paris koordiniert und vorbereitet hatte. Doch der im Aargau in der Schweiz geborene 32-Jährige selbst hielt sich bislang stets im Hintergrund und ließ vielmehr seine Attentatspläne und deren blutige Durchführung für sich sprechen.

In Köln mit Islam in Kontakt gekommen
Geboren im Jahr 1987, wuchs Christen nach der Scheidung seiner Eltern ab 1998 bei seinem Vater in Frankreich auf einem Campingplatz auf, ehe ihn seine Mutter - in der Finanzbranche tätig - zu sich in die Schweiz holte, wie das Blatt berichtet. Im Jahr 2006 zogen Mutter und Sohn nach Deutschland - genauer gesagt nach Frankfurt. Der damals 19-Jährige fand dort offenbar zum Islam, besuchte die Abu-Bakr-Moschee und sollte dabei auch erstmals in Kontakt mit dem radikalen Islam kommen - in Person des Predigers Abu Dujana. Drei Jahre später konvertierte der Deutsch-Schweizer schließlich zum Islam, begann zwei Jahre später in Bonn ein Studium - und heiratete nach islamischem Brauch eine der Verwandten des Predigers.

Doch die Radikalisierung Christens schritt weiter voran, im März 2013 reiste er schlussendlich über Köln nach Paris und von dort weiter nach Istanbul. Vier Monate später gab es den letzten Kontakt des Deutsch-Schweizers mit seiner Mutter - zu diesem Zeitpunkt hatte er sich bereits nach Syrien abgesetzt. Doch er war nicht unvorbereitet aufgebrochen - mit 15.000 Euro in bar, diversen Handys und Notebooks hatte er seine Reise angetreten.

Stundenlanges Schusstraining
Auch seine „alte“ Identität legte der Deutsch-Schweizer in Syrien ab, nannte sich fortan Abu Musab, und sollte in der Folge rasch in der IS-Hierarchie aufsteigen. Neben mehreren Fremdsprachen - Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch und möglicherweise auch Russisch - dürfte auch sein Wissen über Waffen und seine Fähigkeiten beim Schusswaffengebrauch zu seinem Aufstieg beigetragen haben. Wie ein mit ihm befreundetes IS-Mitglied dem Blatt berichtete, habe er „den ganzen Tag mit Schießen verbracht, stundenlang trainiert, sich Trainingsvideos von westlichen Spezialeinheiten angeschaut“.

Anonymität oberstes Ziel
Doch anonym zu bleiben, war für Abu Musab stets oberstes Ziel. Fotos mit IS-Flagge, posierend mit Waffen, dürfte es offenbar nicht geben - vielmehr habe er sogar Smartphones beschlagnahmen lassen, sofern nur der Verdacht bestand, dass er womöglich fotografiert worden sei. Sein Aufstieg in der Terrororganisation setzte sich danach unvermindert fort, bald kam er auch in Kontakt mit dem IS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani, der gleichzeitig die letzte Instanz rund um Anschläge im Ausland darstellte - und hatte damit auch Zugang zur absoluten Führungsspitze des IS.

Bald danach gründete Christen seine eigene Einheit - Katiba Furgan, berichtete die „Bild“ weiter. Stationiert in der Terroristen-Hochburg Rakka, umfasste sie bis zu 100 Mitglieder - und sie alle wurden von dem Deutsch-Schweizer ausgebildet.

Die Nacht der Anschläge in Paris
Am 13. November 2015 kam es dann zu den verheerenden Anschlägen in Paris, die nahezu gleichzeitig in der französischen Hauptstadt stattfanden. Zunächst sprengte sich während des Freundschaftsspiels Frankreich - Deutschland ein Selbstmordattentäter vor dem Stade de France in die Luft.

Nur Minuten danach starben in Bars und mehreren andere Lokalen in Paris zahlreiche Menschen, als bewaffnete Attentäter das Feuer auf sie eröffnen. Es folgte ein weiterer Selbstmordanschlag gegenüber dem Place de la Republique, während sich zur selben Zeit in der Konzerthalle Bataclan - hier fand gerade ein Konzert statt - ebenfalls drei Terroristen Zugang verschafften und auf die Fans das Feuer eröffneten. Das Blutbad in Paris forderte an diesem Abend rund 130 Menschenleben.

Der Belgier Abdelhamid Abaaoud - Anführer der Zelle - konnte zunächst entkommen, ehe er mehrere Tage später im Zuge einer Razzia getötet wurde. Die tödliche Präzision bei der Ausführung der Anschläge schockierte nachhaltig. Mit Nachdruck wurde nach Hintermännern und Strippenziehern im Hintergrund gesucht, bald fielen zwar erste Namen - doch jener des Deutsch-Schweizer war nicht darunter. Ein gesichts- und namenloses Phantom zu jagen, ist weitaus hinderlicher bei den Ermittlungen.

In IS-Video gepixelt
Und auch seitens der Terrororganisation war man offenbar um die Wahrung der Anonymität Christens bemüht. Das Ende Jänner 2016 veröffentliche Video, in dem sich der IS mit den Anschlägen rühmt, zeigt laut „Bild“ auch eine Szene, in der Brahim Abdeslam - einer der Attentäter - bei Schießübungen zu sehen ist. Plötzlich tritt ein Mann mit Sturmhaube und Kampfanzug ins Bild, der den Attentäter bei seinen Schussabgaben offenbar aus dem Konzept bringen will - ein Übungsszenario für die Anschläge. Bei dem unbekannten Mann, der trotz Vermummung sogar noch stark gepixelt wurde, soll es sich laut dem Blatt um den Deutsch-Schweizer handeln.

Am 22. März 2016 richteten die untergetauchten Mitglieder der Terrorzelle auch in Brüssel ein Blutbad an und töteten mehr als 30 Menschen. Bei zwei der Attentäter gelte es ebenfalls als sehr wahrscheinlich, dass sie von Thomas-Marcel Christen ausgebildet wurden, so das Blatt.

Anschlagspläne für Deutschland?
Für den Deutsch-Schweizer sollten die beiden Anschläge in Paris und Brüssel seinen Aufstieg in der Hierarchie des IS rund um Auslandsoperationen in Europa bedeuten - Christen wurde in der Folge zum Kommandeur ernannt. Und offenbar will er seine blutigen Fähigkeiten neuerlich unter Beweis stellen und derartige Anschlagsszenarien auch in Deutschland wiederholen.

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