Tyll-Premiere

Ein Drahtseilakt zwischen Buch und Bühne

Salzburg
20.09.2019 15:10
Regisseurin Maya Fanke lässt Till Eulenspiegel über die Bühne des Schauspielhauses Salzburg toben. Sie stampft Daniel Kehlmanns 480-Seiten-Wälzer „Tyll“ auf gut zweieinhalb Stunden ein. In dieser Zeit erzählt sie den ganzen Roman: ein Grund, warum sie die Balance zwischen Literatur und Theater nicht immer findet.

Daniel Kehlmann verschob die historische Figur Till Eulenspiegel in seinem Buch vom 14. ins 17. Jahrhundert in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Im Narren spiegelt sich das damalige Chaos. Ein blutiges, in dem sich aber auch der Facettenreichtum des Lebens zeigt: Tyll ist liebevoll und hasserfüllt, einfühlsam und gemein. Vor allem aber will er überleben.

Maja Fanke inszeniert alle Episoden des Buches. Die Folge: Die Schauspieler müssen große Teile zusammenfassen. Sie erzählen oftmals eine Geschichte, statt sie zu zeigen. Fankes Idee scheint klar: Ein Theaterstück, das auf einem Buch aufbaut, soll ganz nah am Text literarisiert werden. An den besten Stellen gelingt diese Verschmelzung: Die Darsteller wechseln elegant vom Erzählen in den szenischem Dialog. An anderen Stellen gelingt das nicht.

Beispiel: Im Buch ist der Anfang ein Knaller. Tyll kommt in ein friedliches Dorf, liefert eine Show. Alle jubeln und alles endet in einem Blutbad. Ein Schock, den die Schauspieler nur behaupten. Genau wie die Anwesenheit des Narren. Wir hören nur seine Stimme. Er soll über unseren Köpfen auf einem Drahtseil balancieren. Die Frage „Wie ist der so geworden?“ stellt sich im Theater nicht. Schade, da es mit der Kindheit des Narren weitergeht

Tyll-Darsteller Simon Jaritz-Rudle hat Mühe, den verpatzten Einstieg seiner Figur wettzumachen. Er liefert einen soliden Auftritt, wo es einen Anarchisten gebraucht hätte. Dennoch machen die Schauspieler ihren Job gut. Sie turnen über die Bühne und tragen Kostüme mit Versatzstücken aus Mittelalter, Gegenwart und Endzeitfilm. Die zeigen: Krieg ist zeitlos, seine Akteure auch. Schaurig.

„Alles, was kein Theater war, war falsch“, sagt eine Figur. So ein Fazit wäre engstirnig. Eine Besinnung auf klassische Theater-Tugenden mit weniger Fokus auf den Original-Text hätte der Inszenierung aber gutgetan.

Porträt von Christoph Laible
Christoph Laible
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