„Erwachen“ der Frauen

#MeToo-Kampagne kann die US-Wahl entscheiden

Ausland
03.11.2018 06:00

Am Dienstag finden die Halbzeitwahlen (Midterm Elections) in den USA statt - das Repräsentantenhaus des Kongresses wird neu bestimmt. Die Republikaner haben an zwei Fronten Mühe: rechtsextreme Gewalt und die Frauenbewegung.

Sollten die Demokraten im Repräsentantenhaus die Mehrheit erringen, könnten sie Kongress-Untersuchungen gegen Trump zumindest einleiten. Im US-Senat allerdings dürfte es schon schwerer fallen, die mit 51:49 hauchdünne republikanische Mehrheit zu knacken. 26 der 35 zur Wahl stehenden Senatssitze gehören derzeit Republikanern.

Präsident Trump hat sich in den zwei Amtsjahren die Republikanische Partei völlig unterworfen. Liberale Stimmen wagen gar nicht, den Mund aufzumachen, sonst werden sie sofort niedergebügelt. Eine Ausnahme bildet der Gouverneur von Ohio, John Kasich, der möglicherweise auch als ein Herausforderer von Trump bei den nächsten Präsidentenwahlen im Gespräch ist.

Ein völlig neuer Player in US-Wahlen ist die #MeToo-Bewegung. Noch nie haben sich so viele Frauen in die Wählerkarteien einschreiben oder als Kandidaten aufstellen lassen. #MeToo ist zwar parteipolitisch nicht gebunden, doch die Exponentinnen sind empört, wie die Republikanische Partei und besonders Donald „Pussy-grabbing“ Trump auf die Bewegung reagiert haben. Als Reaktion stieg die Zahl von Frauen bei Neueinschreibungen in die Demokratische Partei.

Eine der Sprecherinnen der neuen Frauenbewegung ist Cindy Axne aus Iowa. Sie kandidiert für die Demokraten im US-Repräsentantenhaus, „weil Frauen eine stärkere Stimme im Kongress haben sollen. Nur 107 der 535 Mitglieder des Kongresses sind Frauen, davon 78 Demokraten.“

Die #MeToo-Kandidatin Veronica Escobar, geboren in Mexiko, die als erste Latina aus Texas (Latino-Bevölkerungsanteil 40 Prozent) in das Repräsentantenhaus einziehen will, spricht von einer „Pink Wave“: „Noch nie hatten sich so viele Frauen um öffentliche Ämter beworben, noch nie hatten sich so viele Frauen an den Vorwahlen beteiligt.“ (Latinos gehen traditionell nicht zur Wahl.)

Ein „Erwachen“ der Frauen in der Politik
Kommentatoren sprechen bereits von einem „Erwachen“ der Frauen in der Politik. Überhaupt habe sich der Wind gegen Ende des Wahlkampfes gedreht: Die Republikaner mit ihrem schlechten Ruf als „Partei der weißen alten Männer“ mussten vom Angriff in den Verteidigungsmodus übergehen. Das Ende des Wahlkampfes war auch von Gewalt geprägt. Sie hinterließ einen nationalen Schock, der den Ausgang der Wahlen ebenfalls nicht unwesentlich beeinflussen könnte.

Republikaner schlossen Teufelspakt mit Trump
Die Republikaner hatten mit Trump einen Teufelspakt geschlossen, heißt es in einer Analyse. Sie bekamen, was sie haben wollten: Steuersenkung, Regulierungsabbau, Richterposten. Sie bekamen aber auch Bomben, Schüsse, Tote und die Hetze des Präsidenten. Am Ende werden sie feststellen, dass sie ihre Seele verkauft haben.

Im Endspurt zur Wahl liegen die Nerven blank
Kurz vor dem wichtigen Urnengang liegen in dem zutiefst gespaltenen Land die Nerven blank. Der linke Senator Bernie Sanders spricht von „den wichtigsten Midterms in der Geschichte des Landes“. Es ist die erste landesweite Abstimmung, seit Trump sich 2016 überraschend die Präsidentschaft sichern konnte.

Im Endspurt vor diesen weichenstellenden Wahlen befindet sich das noch immer wirtschaftsstärkste und politisch mächtigste Land der Welt in einer Schockstarre. Zerbricht es an dem Hass, den Donald Trump gesät hat? Immerhin ist Trumps Wahlkampfmaschinerie zuletzt ziemlich viel Sand in das Getriebe geraten: Konsequent war Trump über Wochen nur in geschlossenen Arenen jubelnder Anhänger aufgetreten. Dadurch war auch der Niederschlag in den Medien „eingegrenzt“, als würde die ganze Nation in Jubelrausch für Trump verfallen sein.

In Pittsburgh allerdings musste Trump zur Trauerfeier für die ermordeten Juden erstmals ohne Wahlkampfinszenierung in die wirkliche Öffentlichkeit gehen - und die Proteste gegen ihn fanden daher in allen Medien ihren Niederschlag. Aber vielleicht war es schon zu spät für einen landesweiten Stimmungsumschwung.

Sicher ist jedenfalls, dass nach dem 6. November keine Ruhe einkehren wird - vielmehr dürfte es dann erst richtig losgehen. Trump geht es im Grunde nicht um politische Ideologie. Es geht ihm nur darum, Unruhe zu schüren, das Land zu polarisieren, um dann im Jubel seiner Anhänger zu baden. Der Mann ist Applaus-süchtig.

Irgendwann nach der Wahl wird der FBI-Sonderermittler Robert Mueller seinen mit Spannung erwarteten Bericht vorlegen, in dem es auch um mögliche Absprachen des Trump-Lagers mit Russland im Wahlkampf 2016 geht.

Und schließlich ist nach den Wahlen immer auch vor den Wahlen. Die „New York Times“ schreibt zur Frage, was nach den Midterms geschieht: „Im Prinzip beginnt sofort der Präsidentschaftswahlkampf 2020.“ Die Mehrheit der Amerikaner will ja in Ruhe leben, aber die USA befinden sich permanent im Widerspruch mit sich selbst.

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung

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