„Living The Dream“

Slash: „Früher wären wir mit Mord davongekommen“

Musik
04.10.2018 07:00

Trotz all dem Trubel rund um die noch immer andauernde Tour mit den Rock-Riesen Guns N‘ Roses fand Gitarrist Slash Zeit, um mit Myles Kennedy und den Conspirators das neue Album „Living The Dream“ einzuspielen, mit dem er am 10. Februar in den Wiener Gasometer kommt. Wir trafen den 53-Jährigen in Amsterdam, um mit ihm über das neue Album, seine Exzesse der Vergangenheit, die aktuelle politische Lage und sein dicht geplantes Leben zu sprechen.

(Bild: kmm)

Bislang 158 Konzerte auf sechs verschiedenen Kontinenten, ausverkaufte Stadien über die ganze Welt verstreut und mit einem temporären Einspielergebnis von knapp 500 Millionen Dollar ist die noch nicht beendete „Not In This Lifetime…“-Tour von Guns N‘ Roses die vierterfolgreichste in der Musikgeschichte. Geschlagen nur von den absoluten Megakalibern U2, The Rolling Stones und Coldplay. 23 Jahre nach dem unrühmlichen Ende hatten sich Axl Rose, Slash und Duff McKagan am 1. April 2016 wieder zusammengefunden und eine Maschinerie in Gang gebracht, die noch nicht zu Ende ist und gerüchteweise sogar ein neues Studioalbum möglich machen soll. Doch trotz des dichten Terminplans und der Reisestrapazen fand der Kultgitarrist mit dem Zylinder genug Zeit, um das dritte Album mit Myles Kennedy und den Conspirators fertigzustellen. Vier Jahre nach dem erfolgreichen „World On Fire“ schlägt Slash nun ein neues Kapitel in seiner „Solokarriere“ auf.

Strikte Projekttrennung
„So schlimm war das gar nicht“, verrät er uns im Interview in Amsterdam, „viele Ideen entstanden schon zur Tour für das ,World On Fire‘-Album und da war von einer Guns-N‘-Roses-Reunion noch nicht einmal die Rede. Dass wir mit der Band dann mittlerweile schon zweieinhalb Jahre unterwegs sind, war anfangs nicht absehbar und hat das Ganze natürlich etwas schwieriger gemacht. Wirklich viel Zeit hatten wir nur rund um Weihnachten und dort haben wir die alten Ideen mit den neuen vermischt und das Conspirators-Album schlussendlich aufgenommen.“ Dass die Songs auf dem Album von der Wiedervereinigung Guns N‘ Roses‘ inspiriert worden wären, sei nicht der Fall. „Das ist doch Bullshit wenn immer alle behaupten, sie wären von aktuellen Ereignissen und Erfahrungen inspiriert. Ich kann mich aus von diesem Hotelzimmer inspirieren lassen oder der Fahne, die da draußen weht. Die Theorie mit Guns N‘ Roses klingt ja toll, aber in Wahrheit befinde ich mich dort die meiste Zeit auch in einem schnöden Raum, der wenig hermacht.“

„Living The Dream“ nennt sich das brandneue Werk, das erneut von Michael „Elvis“ Baskette produziert wurde und eine knappe Stunde klassischen US-Hard Rock bietet. Die Erfolgsingredienzen wurden natürlich nicht verändert. So kämpft sich die Sologitarre von Slash immer wieder in den Vordergrund, erweist sich Sänger Myles Kennedy einmal mehr als zwischen den Timbres wechselnde Goldstimme und mäandern die einzelnen Kompositionen zwischen harschen Ausritten, sanften Balladen und memorablen Riffrockern. Was sich auf dem Vorgänger schon angedeutet hat, hat vor allem Texter Kennedy auf „Living The Dream“ noch einmal präzisiert: die Band macht sich eindeutig Gedanken über politische und soziale Umwälzungen in der Gegenwart. „Den Albumtitel kannst du vielseitig verwenden. Einerseits leben wir in der Band unseren Traum, weil wir immer dorthin wollten, wo wir jetzt sind, seit wir das erste Mal ein Instrument berührten. Andererseits geht es aber um die sozio- und geopolitischen Themen und Veränderungen, die das Resultat jener Aktionen sind, die mein Heimatland in den letzten Jahren lieferte. Es war uns tatsächlich nicht möglich, einfach nichts über die Gegenwart zu sagen.“

Lahme Jugend
Songs wie „Serve You Right“, „Mind Your Manners“ oder „Read Between The Lines“ leben von ihrer Doppeldeutigkeit. Das Politische sticht bei den Conspirators nicht immer klar hervor, dafür seien sie laut Slash auch nicht zuständig. „Myles hat in seinen Texten immer einen Unterton, der sich um aktuelle Ereignisse dreht, aber wir treten sicher nicht wie politische Advokaten auf. Dennoch hat die Lage der Nation einen klaren Einfluss auf unser Tun.“ Die Distanz zum Politikum per se ist dem 53-Jährigen wichtig. „Ich habe zu vielen Dingen meine Meinung, war aber niemals der, der sie dir in den Rachen stopfen will. Da ich das nie machte, erwartet es auch keiner von mir. Ich selbst bin mit unheimlich politischer und sozialkritischer Musik aufgewachsen und mich überrascht es, dass die jungen Kids, die gerade Bands gründen, den Finger nicht stärker in die Wunde legen. Es geht hier immerhin um die Zukunft und künstlerische Freiheit. Das Problem hatten wir vor 25 Jahren nicht.“

Die These, Rockmusik würde längst nicht mehr anecken und zu glattgebügelt aus dem Äther rauschen ist keine neue und Slash mehr als bewusst. „Ich verweigere mich zu sagen, wir hätten keinen spannenden Nachwuchs im Rock - die interessanten Bands schaffen es nur nicht mehr zur Mainstream-Größe. Ich bin nicht hier um zu richten, aber seit Alice In Chains, Soundgarden und Rage Against The Machine gab es für mich keine Rockband mehr, die mich wirklich mitriss. Bei denen hatte ich das gleiche Gefühl wie damals, als ich Led Zeppelin entdeckte. Sie waren jung, hungrig, eigenständig und meinungsstark. Andererseits lässt dir auch keine Plattenfirma die Möglichkeit innovativ zu sein, weil sie alle Bands so formen wollen, wie ihre Zugpferde. Sie gehen auf Sicherheit und spannend ist es nur draußen, in der Indie- und Folk-Szene. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sich das Blatt noch wenden wird, aber langsam wird es wirklich Zeit dafür.“

Droge Musik
Slash fehlt das Rebellische im heutigen Rock, weniger das Hedonistisch-Dekadente, dass er in seinen Hochzeiten bis zum Exzess lebte. Von wenigen Rockstars der späten 80er-, frühen 90er-Jahre gibt es dermaßen viele Suff- und Drogengeschichten wie vom legendären Gitarristen. In einem Radiointerview mit Mötley-Crüe-Bassist Nikki Sixx scherzte er unlängst sogar darüber, dass er fast eine Dekade verlebt hätte. Auf die wilde Vergangenheit blickt er schmunzelnd zurück. „Es war damals so, als ob du mit einem Mord davonkommen würdest - die Grenzen wurden immer weiter ausgelotet. Schlaf mit so vielen Frauen wie du kannst. Trink so viel wie nur reingeht. Spritz dir so viel Heroin wie möglich. Heute besteht der Rock’n’Roll für mich nur mehr aus Musik. Ich habe diese Dekadenz bis zum Gipfel zelebriert und alles erlebt, heute bin ich aber nur mehr hungrig nach Musik. Das dafür in der gleichen Intensität wie eh und je.“

Dass Slash diverse Suchtmittel benötigte, um seiner Kreativität Vorschub zu leisten streitet er freundlich, aber bestimmt ab. „Drogen, Frauen, Groupies - all das sind Süchte, die dich psychisch und physisch abhängig machen. Ich bin aber glücklicherweise keiner dieser Typen aus den 70ern, die nur dann Musik machen konnten, wenn sie total high waren. Es ist ein Riesenglück, dass die Drogen niemals meine Kreativität beflügelt haben und ich heute dahingehend keine Einbußen erlitt. Damals haben dich die Plattenfirmen mit dem Zeug versorgt. Jeder von uns lebte in einer anderen Realität und wenn du jung bist, versuchst du mit all dem nur die lange und fade Zeit zwischen dem einen und dem anderen Auftritt zu überbrücken. Ich habe für viele Fehler und falsche Entscheidungen bezahlt - so ist das Leben und darüber muss ich im Nachhinein nicht nachgrübeln.“

Immer weiter
Trotz beginnenden Frühherbst seiner herausragenden Karriere hat Slash keinesfalls genug, sondern sucht bewusst immer wieder nach neuen Herausforderungen. „Es gibt Zeiten, da sitze ich eine Woche herum und es fällt mir nichts ein. Dann kommt ein Tag, wo ich einen kompletten Song fertigstelle. Das Geheimnis des Songwritings ist einfach: niemals aufhören. Solange du am Ball bleibst, wird immer etwas entstehen. Manchmal muss man sich auch von sich selbst lösen, um einen frischen Blick auf die Kunst zu kriegen.“ Dass die Wiedervereinigung von Guns N‘ Roses dann aber doch eine Triebfeder für vieles weitere war, streitet Slash nicht ab. „Als 2006 alles in die Brüche ging, wollte ich das nicht. Ich bin glücklich, dass wir nun wieder unterwegs sind. Wir haben all die internen Friktionen und Streitereien überstanden und ich sehe derzeit keinen Grund, nicht weiterzumachen. Am Schwierigsten ist es, alles unter einem Hut zu bringen.“ Slash feat. Myles Kennedy und die Conspirators spielen jedenfalls am 10. Februar im Wiener Gasometer - das Konzert ist aber schon jetzt restlos ausverkauft.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele