Mehr als vier Jahre lang hat das Wiener Electropop-Duo Dramas an seinem dritten Album geschraubt. „Jewel Drums“ fühlt sich für die beiden Musiker wie ein Best-Of an, die Fans werden mit einer stilistisch kunterbunten und sehr variantenreichen Platte belohnt. Im „Krone“-Talk wurde über den Reifeprozess und Lehren aus der Vergangenheit gesprochen.
Ein bisschen schwermütig und melancholisch ist es schon ausgefallen, das selbstbetitelte zweite Studioalbum des Wiener Duos Dramas, das vor mehr als vier Jahren ein Resultat einer ausgewachsenen Corona-Lockdown-Unsicherheit war. Viktoria Winter und Mario Wienerroither, das Kreativduo hinter dem theatralischen Namen, hat im „Krone“-Gespräch damals auch zugegeben, dass es im Kreativprozess immer eine gewisse Form von Drama braucht, um auf eine Lösung zu kommen. Insofern hat sich in den vier Jahren bis zum unlängst veröffentlichten, neuen Werk „Jewel Drums“ aber so einiges im Bandcamp verändert. „Ich würde sagen, wir streiten heute effektiver als früher“, lacht Sängerin Winter im gemeinsamen „Krone“-Gespräch, „unsere Stärke war aber immer, dass wir produktiv streiten. Das haben wir gelernt. Wenn es um die Musik geht, dann wird alles bis zum letzten Detail ausdiskutiert, denn ansonsten fühlt sich am Ende immer einer überrollt und bleibt unzufrieden.“
Album mit Ecken und Kanten
Von den Dramas kann man offenbar nicht nur eine gepflegte Streitkultur lernen, man erfährt auf dem Drittwerk auch leibhaftig, was musikalischer Eklektizismus bedeutet. Jahrelang arbeitete man an unterschiedlichen Layouts, verwarf Ideen, krempelte sie um oder verstaute sie wieder in Schubladen. Manche Songteile auf dem neuen Album haben schon ein Jahrzehnt am Buckel, andere sind wiederum gegenwärtig entstanden. „Jewel Drums“ ist kein Album, das einen kongruenten Bogen aufweist. Es schlägt Haken, verfranzt sich absichtlich in wilden Kurven und zeigt sich in puncto Stilistik, Variabilität und Geschwindigkeit extrem vielseitig. So hat man mit dem auf FM4 hoch gecharteten Track „I Heard It On The Radio“ einen eingängigen Indie-Ohrwurm mit durchdringender Melodie, nur um mit „Why Am I So Alone“ eine intensive, durch Mark und Bein gehende Electro-Ballade draufzulegen.
Das Fundament bei den Dramas sind elektronische Pop-Klänge mit 80er-Touch, von dort weg setzt man sich mittlerweile aber keine Grenzen. In vielerlei Hinsicht wurde entscheidend an Schrauben gedreht. War früher der auch in Fernsehen und Werbung umtriebige Wienerroither allein für die Musik zuständig, traut sich Winter mittlerweile auch selbst Kompositionen zu. Hat die Sängerin bis vor kurzem noch ohne Unterstützung ihr textliches Herz auf den Tisch gelegt, darf heute auch der Kollege seine Gedanken in Wörter auf Papier und schlussendlich ins Studio bringen. „Ich finde das Album irrsinnig stark, auch wenn es inhaltlich oft mit Schwächen zu tun hat“, freut sich Winter über das Ergebnis, „es gibt darauf so viel Ehrlichkeit als Momentaufnahme.“ Wienerroither lobt vor allem die lyrische Entwicklung seiner Partnerin. „Am ersten Album wurde von außen über eine generische Person gesungen, dann hat sich das aufgeweicht und jetzt geht es direkt um Viktoria. Das wäre früher unvorstellbar gewesen.“
Probate Strategie
Winter geht offen mit ihren depressiven Schüben um und hat Mechanismen entwickelt, das Negative in etwas möglichst Positives, Kreatives zu kanalisieren. „Wir brauchen beide unsere Auszeiten. In dieser Welt muss man sich von Nachrichten und Vorkommnissen lösen können. Das ist wichtig, um wieder Energie für kreative Schübe zu entwickeln.“ Die Dramas sind alles andere als isoliert, lassen aber niemanden sonst in ihr abwechslungsreiches und sich ständig entwickelndes Klanguniversum. Eine probate und bislang durchaus geglückte Strategie, mit der das Duo sich zwar bedächtig, aber fortlaufend Schritt für Schritt weiterentwickelt. Die Songs sind zuweilen sehr persönlich. „Twenty Oh Nineteen“ beruft sich auf das Jahr 2019, in dem die Sängerin – noch vor der Pandemie - ungezwungene Glückseligkeit erlebte. „AFK Mode“ kommt aus dem Gamer-Sprech und spielt auf die zeitweise Überforderung durch die fortschreitende Technologie an und der Opener „Mannequin“ setzt sich damit auseinander, dass sich Winter lange falsch eingeschätzt fühlte.
„Ein bisschen wie so ein permanent feierndes Partygirl, das ich aber nie war. Ich war immer gerne unterwegs und mir fällt es leicht, mit Menschen in Kontakt zu treten und Freundschaften zu bilden, ich habe mich da immer ein bisschen missverstanden gefühlt. Im Song geht es nun darum, dass es mir eigentlich egal ist, was man von außen über mich denkt.“ In Tracks wie dem filigranen „Soul Capture“ bahnt sich die zarte Stimme der Sängerin mutig und klar in den Vordergrund. Auch das ist eine gewisse Form von Selbstvertrauen, die es vor fünf Jahren so noch nicht gegeben hätte. Auch sonst lässt man inhaltlich nichts aus, was nicht tiefer gehen würde. „Jewel Drums“ eben – eigene Songjuwelen und Perlen, die sich zusammengefunden haben. „Im Endeffekt ist das Album so etwas wie eine Best-Of-Scheibe unserer Ideen der letzten fünf Jahren“, fasst Wienerroither zusammen, „wir haben viel geschraubt und experimentiert und weil die Lieder auch aus verschiedenen Phasen stammen, klingen sie teilweise auch so unterschiedlich.“
Echte Handarbeit
Auch das Drumherum wurde wieder mehr als liebevoll gestaltet. So etwa das sich in einem Eiswürfel befindliche Polaroid-Foto der beiden, das auf dem Cover-Artwork des Albums abgebildet ist. „Wir haben dazu sogar ein Making-Of-Video gefilmt und die Snippets auf Instagram geteilt, weil uns das sonst eh keiner geglaubt hätte“, lachen die beiden, „damit es keine Blasen bildet und im Ergebnis gut aussieht, mussten wir ordentlich viel basteln. Am Anfang haben wir sogar ein Radio eingefroren und ein bisschen experimentiert, aber die Variante mit dem Foto von uns hat uns dann am besten gefallen.“ Dramas 2025 sind jedenfalls vielseitig und mutig. „Wir haben uns mehr getraut und viel mehr probiert“, ist Winter fühlbar stolz auf das Produkt, „wir haben beide viel dazugelernt, einiges neu gemacht und hatten irgendwie einen reiferen Zugang, der aber sehr entspannt war.“
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