„Krone“-Faktencheck

Neue Deutschklassen stehen jetzt auf dem Prüfstand

Österreich
03.09.2018 06:00

Mit dem neuen Schuljahr gehen auch die heftig diskutierten Deutschförderklassen an den Start. Unausgegoren seien sie und ein Schnellschuss, meinen Kritiker. Die „Krone“ besuchte kurz vor dem Schulstart eine sogenannte Brennpunktschule.

Exakt 348 Kinder besuchen die Volksschule Greiseneckergasse - auch bekannt als Schmetterlingsschule - im 20. Bezirk. Davon sind 337 Kinder nichtdeutscher Muttersprache. Eine klassische Brennpunktschule mit vielen Kindern aus sozial schwachen oder Migrantenfamilien. Sprachstartklassen und Sprachförderkurse sind hier seit Jahren gut gelebte Praxis. Alle Kinder besuchten dieselbe Klasse, manche wurden stundenweise aus dem Unterricht genommen, um Deutsch zu lernen. Außerdem stand jeder Klassenlehrerin eine Begleitlehrerin zur Verfügung, damit vor allem jene Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache betreut werden konnten. Mit den Deutschförderklassen soll nun vieles anders werden.

Kinder, die dem Unterricht aufgrund sprachlicher Probleme nicht ausreichend folgen können, sollen künftig in eigenen Deutschförderklassen zusammengefasst werden. Diese bildungspolitische Maßnahme wurde „ohne wirklich konkrete Vorgaben“ angekündigt und eingeführt, bemängelt Direktorin Ilse Riesinger. Sie leitet die Schmetterlingsschule bereits seit 2004.

Die Vorgehensweise seitens des Bildungsministeriums findet die Direktorin „relativ unprofessionell“. Ein Jahr mehr Zeit hätte dem Projekt gutgetan, meint sie. Diese Zeit hatte die Politik offensichtlich nicht. Im Osten Österreichs läuten heute die Schulglocken nach den Sommerferien das erste Mal. Und einige der 156 Kinder, die an der Schmetterlingsschule als außerordentliche Schüler eingestuft wurden, werden erstmals in einer Deutschförderklasse Platz nehmen.

Zu wenig Unterstützung an Brennpunktschule
An der Schmetterlingsschule wird es im kommenden Schuljahr drei Deutschförderklassen geben. Zwei Klassen mit je 18 Kindern und eine Klasse mit neun Kindern. Bei den neun Kindern wird es aber nicht bleiben. Die erfahrene Direktorin weiß, dass im Herbst noch einige Erstklassler - auch solche, die die Sprache erst lernen müssen - dazukommen werden.

Bisher wurde den Kindern in elf Stunden wöchentlich Deutsch beigebracht, in Gruppen bis zu 15 Schülern. In den neuen Deutschförderklassen sind 15 Stunden vorgeschrieben, besuchen dürfen diese bis zu 20 Kinder. Von einer „heftigen Herausforderung“ spricht die Direktorin, die im neuen Schuljahr mit zwei Lehrern weniger das Auslangen finden muss. Ein „harter Einschnitt“ seitens des Ministeriums sei das, denn an einer Brennpunktschule könne man „nie genug Unterstützung“ haben.

Die Lehrpläne, die in den Deutschförderklassen erst ab dem Schuljahr 2018/19 verpflichtend anzuwenden sind, bereiten der Direktorin noch kein Kopfzerbrechen. In diesem Schuljahr wird noch nach den bisherigen Lehrplänen unterrichtet werden.

„Es herrschte viel Verunsicherung“,
… sagt Paul Kimberger, Vorsitzender der Lehrer-Gewerkschaft:

„Krone“: Zum Ende des letzten Schuljahres gab es viel Aufregung über die Einführung der Deutschförderklassen, wie sieht das vor dem Schulstart aus?
Paul Kimberger: Bildungsminister Heinz Faßmann hat mir zugesagt, dass es auch maßgeschneiderte Lösungen gibt. So sind Wiener Schulen auch integrative Lösungen zugestanden worden.

Sie haben Druck angekündigt, falls die Zusagen nicht halten.
Wenn eine Klasse zu groß ist oder wenn zu wenig pädagogischer Freiraum da ist, werden wir versuchen, das Problem zu lösen.

In Wien sind 90 Prozent aller Schulen betroffen - hätten die Förderklassen früher eingeführt gehört?
Es gab bereits Sprachfördermaßnahmen, aber zu wenige. Der Bedarf betrifft nicht nur Kinder, die als Flüchtlinge kommen, sondern auch viele aus Familien, die schon in zweiter, dritter Generation hier leben. Man müsste da schon früher ansetzen, zum Beispiel im Vorschul-Bereich.

Trotzdem stehen Sie den Deutschförderklassen kritisch gegenüber?
Die Vorlaufzeit für die Schulen war sehr kurz, es herrschte viel Verunsicherung, weil vieles noch nicht da war. So gibt es den standardisierten Test noch nicht. Und ich wünsche mir mehr pädagogische Autonomie an den Standorten.

Daten und Fakten

  • Am 17. Mai beschloss der Nationalrat das von der Regierung eingebrachte Gesetz zur Einführung von Deutschförderklassen.
  • Schuleinsteiger, die dem Unterricht sprachlich nicht ausreichend folgen können, werden in eigenen Klassen zusammengefasst und maximal vier Semester nach einem speziellen Lehrplan unterrichtet.
  • In der Volksschule erwarten die betroffenen Kinder 15 Stunden Deutschunterricht pro Woche, in der Neuen Mittelschule, im Polytechnikum und in der AHS-Unterstufe sind es 20.
  • Für Gegenstände wie Zeichnen, Musik, Turnen oder den Werkunterricht werden die Kinder den Regelklassen in ihrer Altersstufe zugeteilt.
  • Nach jedem Semester findet ein standardisierter Deutschtest statt. Bei positiver Bewertung wechselt der Schüler in eine Regelklasse.
  • Eine Deutschklasse wird erst ab acht Schülern pro Standort eingerichtet, maximal sind 20 Schüler pro Klasse zulässig.

Sandra Schieder und Stefan Burgstaller, Kronen Zeitung

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