Nach Eklat um NS-Lied

Burschenschafter rücken ins öffentliche Visier

Österreich
04.02.2018 08:42

Der NS-Lied-Eklat rückt die historischen Studentenverbindungen in ein schlechtes Licht. Doch längst nicht alle sind in dieser Parallelwelt rechtsradikal oder deutschnational.

Eines haben sie alle gemeinsam: den Deckel als Kopfbedeckung und das farbige Band schräg über die Brust, das die Zugehörigkeit symbolisiert. Rund 2200 großteils historisch gewachsene Studentenverbindungen werden im deutschsprachigen Raum gezählt, rund 300 davon bilden wiederum die Burschenschaften, die man am vorzugsweise schwarz-rot-goldenen Band erkennt. Alle eint jedoch der Begriff "Korporierte", also Mitglieder einer Studentenverbindung.

Die Burschenschaften - zum Unterschied von katholischen Studentenverbindungen (in der sich hauptsächlich ÖVP- und vereinzelt NEOS-nahe Mitglieder finden), die sich unter anderem im Cartellverband und im Mittelschülerkartellverband zusammenschließen und das Prinzip "Religio" als Grundsäule verstehen - lehnen die Kirche und den Sozialismus mit einigen Unschärfen ab.

Unschärfe deshalb, weil sich auch einige prominente Vertreter der SPÖ in Burschenschaften wiederfanden und -finden - siehe jenes SPÖ-Mitglied, das das Liederbuch der Burschenschaft Germania illustrierte. Dass abscheuliche Nazi-Texte darin vorkommen, will keiner gewusst haben, ähnlich wie nun die (nicht schweigenden) Vertreter beteuern, nichts mit Antisemitismus und Rassismus am Hut zu haben.

Doch was macht diese Burschenschaften als - wenn man so will - Schattengesellschaft so gefährlich? Es ist wohl ihr elitäres Verständnis einer Gesellschaft, der politisch geschlossene Einfluss über den deutschnationalen, rechten bis rechtsextremen Rand, ihr Frauenbild und die Formulierung ihres "Deutsch, einig, treu"- wie "Freiheit, Ehre, Vaterland"-Prinzips: jenes eines "volkstumbezogenen Vaterlandbegriffes" und eines "deutschen Vaterlands unabhängig staatlicher Grenzen".

Vermehrte Warnungen seit den 1990er-Jahren
Mit der neuen Regierung sitzt eine Riege von Burschenschaftern an den Schalthebeln - ein Grund, warum klare Distanzierungen notwendig sind. Oder wie es Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands in der "Krone" formulierte: "Die Bremser in den Verbindungen sind mehr geworden, einige haben sich weiter radikalisiert."

Schwierige Recherchen, verschlossene Türen
Viele Autoren versuchen, hinter die Kulissen der Burschenschaften zu schauen, nur wenigen gelang es, fundierte Ergebnisse zu liefern. Dazu gehört Hans-Henning Scharsach, der 2017 mit seinem Buch "Stille Machtergreifung: Hofer, Strache und die Burschenschaften" für Furore sorgte. Seine These: Ein rechtsextremer, demokratie- und verfassungsfeindlich agierender Akademikerflügel hat die FPÖ unterwandert und greift nach der Macht. Die FPÖ ortet in diesem Buch "Bashing, als Sachbuch getarnt".

Historisch präzise hat auch Roland Girtler gearbeitet. In seinem Werk "Farbenstudenten zwischen Weltbürgertum und Antisemitismus" begibt er sich auf die Spuren dieser heutzutage in vielen Augen existierenden Parallelwelt. Seine These: Die antisemitischen Tendenzen, die seit 1870 in Burschenschaften auftraten, widersprachen den Ideen der früheren Burschenschaften, in der auch Juden Mitglieder waren.

Michael Pichler, Kronen Zeitung

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