"Wüstenblume"

Waris Diries bewegtes Leben jetzt im Kino

Kino
06.10.2009 12:55
Ein faszinierendes Antlitz, ein dunkler Blick, in dem der Stolz des Schwarzen Kontinents glimmt. Der asketische Körper ebenholzgleich – geformt von Entbehrungen und sinnlich in seiner Zähigkeit. Ihre Haltung: verführerische Pose. Ihre Kleidung: Haute Couture. Dass sich hinter dem Hochglanzlook des schönen afrikanischen Models, das rätselhaft von Luxus-Magazinen lächelt, ein schreckliches Labyrinth des Schmerzes verbirgt, ahnt niemand. Bis Waris Dirie spricht... Regisseurin Sherry Hormanns einfühlsame Verfilmung von Waris Diries berührendem Bestseller über ihren Weg vom afrikanischen Nomadenmädchen zum internationalen Topmodel und zur UNO-Botschafterin.

Wenn sie zu erzählen beginnt vom Leidensweg des hochgewachsenen Nomadenmädchens, an dem man im zarten Alter von nur fünf Jahren das archaisch-brutale Ritual der Beschneidung vollzog, leidet man mit. Der tobende Schmerz und die daraus resultierende seelische Verstümmelung – und schließlich die Flucht vor einer Zwangsheirat mit einem Mann, der ihr Großvater hätte sein können. Da war Dirie knapp 13! Das einzige Kleid am schmächtigen Körper und mit einfachen Sandalen an den Füßen, die bald blutig zerschunden sind, schlägt sich das entsetzte Nomadenkind mutterseelenallein vom bürgerkriegsgeschüttelten Somalia bis nach London durch. Völlig rechtlos, ohne Papiere, hält sich Waris mit Putzjobs über Wasser, um schließlich vom Top-Fotografen Terence Donavan entdeckt zu werden. Ein schöner Falter im Kokon des Arbeitskittels. Nein, eine Blume. Eine Wüstenblume.

„Wüstenblumen sind unzerstörbar“, so ein Zitat aus dem autobiographischen Roman „Desert Flower – Wüstenblume“ von Waris Dirie, ein Bestseller, der weltweit über 11 Mio. Mal über den Ladentisch ging und der den unglaublichen Weg einer Nomadenschönheit bis hin zum Topmodel und zur engagierten UNO-Botschafterin nachzeichnet. Nun kommt die Verfilmung dieses bewegenden Schicksals mit eindrucksvoller Besetzung in unsere Kinos.

Filmische Tour de Force
Ein Glücksfall ist die Hauptdarstellerin Liya Kebede, die bei dieser schauspielerisch immens schwierigen Tour de Force als zähe Kämpfernatur und als eine in ihrer Weiblichkeit versehrte Frau restlos überzeugt – Treibgut im Wüstenwind zwischen afrikanischen Wurzeln und dem schillernd-abgehobenen Modezirkus. Zudem verschmelzen hier zwei Schicksale auf eindringliche Weise und werden zu einem Plädoyer gegen menschenverachtende Tradition und ihre vorsintflutlichen Initiationsriten. Zuvor hatte Liya Kebede, die hier ihre erste Hauptrolle spielt, bereits in hochkarätigen Filmproduktionen wie in Robert De Niros „Der gute Hirte“ oder in Andrew Niccols „Händler des Todes“ Aufsehen erregt. Und nicht nur als Model – sie war überdies die erste schwarze Markenbotschafterin für den Kosmetikkonzern Estée Lauder – ist die gebürtige Äthiopierin in Waris Diries Fußstapfen getreten.

Ein Funken Hoffnung
Es gibt auch sonst einige Parallelen. Wie ihr Rollenvorbild engagiert sich Liya humanitär, kämpft gegen Kindersterblichkeit in Afrika und ist UNO-Sonderbotschafterin der Weltgesundheitsorganisation. 2007 rief Kebede zudem „Lemlem“ ins Leben, eine Marke für in Äthiopien gefertigte handgewebte Kinder- und Frauenbekleidung aus natürlicher Baumwolle. Ein Funken Hoffnung für wirtschaftliche Entwicklung. Das soziale Gewissen verbindet also die beiden Frauen, wenngleich Liya aus großbürgerlichen Kreisen in Addis Abeba stammt und in Paris maturierte. Schönste Gemeinsamkeit: Beide, sowohl die Autorin von „Wüstenblume“ als auch ihre Darstellerin Liya Kebede, sind Mütter von jeweils zwei Kindern. Besonders für Waris Dirie ein Triumph der Empfängnis, der lustfeindlichen Beschneidung zum Trotz. Gegen dieses frauenfeindliche Verbrechen, seit 1997 in 14 afrikanischen Staaten auf Druck der internationalen Staatengemeinschaft per Gesetz verboten, wird sie nicht müde aufzutreten.

Der Film „Wüstenblume“ soll wie der gleichnamige Roman aufrütteln. Regisseurin Sherry Hormann greift subtil prägende Momente heraus. Verstörend und brillant die Bildkompositionen des Kameramannes Ken Kelsch! Ein Mädchen allein unter sengender Sonne, umgeben von Ziegen. Eine Wüstenblume, die trotzig erblüht. Unwiderstehlich schön inmitten der Kargheit.

von Christina Krisch, Kronen Zeitung

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