Zu teuer

Österreich steigt bei Forschungszentrum CERN aus

Österreich
08.05.2009 09:33
Österreich beendet seine Mitgliedschaft bei CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung. Wissenschaftsminister Johannes Hahn begründet diesen Schritt mit den Kosten in Höhe von insgesamt rund 20 Millionen Euro pro Jahr für die CERN-Beteiligung. Dies seien 70 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel für internationale Mitgliedschaften. Gleichzeitig gebe es zahlreiche neue Projekte auf europäischer Ebene, an denen sich Österreich beteiligen könnte.

"Mir tut es um jede Mitgliedschaft leid, die wir nicht aufrechterhalten können", sagte Hahn, man habe aber zwischen Weitermachen und dem Verzicht auf Zukunftsperspektiven abwägen müssen. Obwohl Hahn durchaus beachtliche Budgetzuwächse für sein Ressort erhalten hat, unterstrich er die Bedeutung einer langfristigen Sicherheit beim Forschungsbudget: Planbarkeit und Stabilität seien notwendig. Eine "Stop-and-Go-Politik" sei in der Forschung nicht möglich, "deshalb prüfen wir, was wir mit jedem einzelnen Euro machen", sagte Hahn.

Im Wissenschaftsministerium wurden dafür die Mitgliedschaften Österreichs bei internationalen Einrichtungen "auf ihre Sinnhaftigkeit, ihre wissenschaftliche Ökonomie" und den zukünftigen Nutzen für eine möglichst hohe Zahl an Fachdisziplinen analysiert. Es gehe darum, "das Forschungsprofil zu schärfen", so Hahn.

Geringer Stellenwert der Teilchenphysik in Österreich
Der wissenschaftliche Output des CERN sei unbestritten, betont man im Ministerium. Die Sichtbarkeit kleiner Staaten bzw. einzelner Wissenschaftler bei den riesigen CERN-Experimenten mit rund 2.000 Akteuren sei aber "eher gering". Zudem gebe es für die seit 1959, also genau 50 Jahre bestehende CERN-Mitgliedschaft Österreichs hierzulande "nur einen Brückenkopf", das Institut für Hochenergiephysik (HEPHY) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. Die Probleme bei der Suche nach einem neuen Direktor für das HEPHY betrachtet man im Ministerium auch als Indiz dafür, "dass die Teilchenphysik in Österreich nicht jenen Stellenwert hat, wie etwa die Quantenphysik".

Viele andere wissenschaftliche Schwerpunkte an Unis und Forschungseinrichtungen wären durch den hohen Budgetbedarf für CERN von der Beteiligung an einer Fülle anderer europäischer Forschungs-Infrastrukturprojekte, die derzeit im Entstehen sind, "abgeschnitten", argumentiert Hahn. Dafür soll ein Teil der durch den CERN-Austritt freiwerdenden Mittel verwendet werden. Aber auch der FWF und andere noch nicht festgelegte Bereiche sollen davon profitieren.

Seitens des Ministeriums betont man, gegenüber neuen Entwicklungen in der Forschungsinfrastruktur aufgeschlossen zu sein und auch in Zukunft auf europäischer Ebene eine aktive Rolle spielen zu wollen. So verweist Hahn auf die Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Südsternwarte ESO seit vergangenem Jahr. Und er nennt die sogenannte "European Roadmap for Research Infrastructures", ein Katalog mit rund 40 Projektvorschlägen für Großforschungseinrichtungen in Europa aus verschiedenen Disziplinen. Die EU-Mitgliedsländer, aber auch andere Staaten sind eingeladen, sich an diesen Projekten zu beteiligen.

Beteiligung an fünf neuen Projekten
Für Österreich sind dabei fünf Vorhaben interessant: im Bereich Sozial- und Humanwissenschaften das Projekt CLARIN; im Bereich Bio-und Medizinwissenschaften die von Grazer Wissenschaftern koordinierte Projekt BBMRI (Biobanking and Biomolecular Resources Research Infrastructure), eine internationale Datenbank biologischer Proben; im Bereich Materialwissenschaften der in Schleswig-Holstein geplante Röntgenlaser XFEL; und im Bereich Physik und Astronomie das geplante riesige ESO-Teleskop E-ELT mit einem Spiegeldurchmesser von 42 Metern und der in Darmstadt geplante Teilchenbeschleuniger FAIR. Noch sind all diese Projekte nicht fix, in Summe würde eine Beteiligung Österreichs daran einige Millionen Euro pro Jahr kosten.

Zudem könnten mit den freiwerdenden CERN-Mittel bereits bestehende Beteiligungen an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) und dem Institut Max von Laue - Paul Langevin (ILL), beide in Grenoble, verlängert bzw. gesichert werden.

Hoffnung auf "neue Form der Zusammenarbeit"
Hahn hofft, eine "neue Form der Zusammenarbeit" mit dem CERN zu finden, und nennt das Ende der Beteiligung auch immer wieder als "Pausieren". Er verweist in diesem Zusammenhang auf die rund 30 Staaten, die zwar nicht CERN-Mitglied, aber in verschiedener Intensität mit dem Forschungszentrum kooperieren.

Laut Wissenschaftsminister sind Bundeskanzler, Vizekanzler, Außenminister sowie der Koalitionspartner über den Plan informiert. Formal ist für die Beendigung der CERN-Mitgliedschaft, die per Staatsvertrag geregelt ist, ein Beschluss der Regierung und des Nationalrats notwendig, den Hahn noch im Juni anstrebt. Die Mitgliedschaft könnte dann mit Ende 2010 ruhend gestellt werden.

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