Hujara-Interview

Günter Hujara steht Rede und Antwort

Sport
25.11.2008 17:06
Herzlicher als selbst so mancher Hotelangestellter hat Günter Hujara die Skirennläufer im Teamhotel Chateau Lake Louise begrüßt. Am kommenden Wochenende stehen in den kanadischen Rocky Mountains traditionell die ersten Speed-Weltcuprennen der Saison 2008/2009 an. Aber im Jahr eins nach Matthias Lanzingers schwerem Unfall sind keine Dissonanzen zwischen den Aktiven und dem Chef-Renndirektor der FIS zu spüren. Im Interview steht der Deutsche Rede und Antwort zu allen brennenden Fragen im Weltcup-Zirkus...

In Lake Louise beginnt die Speed-Saison. Was hat sich seit oder durch den Unfall von Matthias Lanzinger geändert?
Hujara: "Die äußere Sensibilisierung dafür, dass es jede Sekunde auf jeder Strecke zu Stürzen mit schwereren Unfallfolgen kommen kann. Selbst wenn dabei nichts eine Rolle spielt als der Sturz selbst. Bei uns stand wie immer alles auf dem Prüfstand. Der Medical Guide wurde überarbeitet und entspricht nun auch den internationalen Gesetzgebungen."

Dennoch hat Lanzinger geklagt...
Hujara: "Dazu möchte ich nichts sagen, weil es ein laufendes Verfahren ist. Aber das, was auf der Rennpiste ablief, ist nicht Inhalt der Klagsschrift."

Was konkret ist über den Sommer passiert?
Hujara: "Wir haben wie alljährlich alle Rennpisten und Streckenprofile inspiziert, um vorhersehbare Schwierigkeiten im Winter zu vermeiden. Wir versuchen etwa beim Ziel-S in Wengen seit Jahren Anpassungen, weil dort ein kleiner Fehler - siehe Gernot Reinstadler - reicht, um im Netz zu landen. Dort ist deshalb jetzt die letzte Kante abgetragen worden.

Wurde auch die passive Sicherheit für die Abfahrer verbessert?
Hujara: "Die Läufer dürfen nun sämtliche Körperpartien schützen, wenn sie damit nicht die natürliche Körperform verändern oder die Teile als aerodynamische Hilfe nützen. Es dürfen nun auch an Knie und Schienbein, Arm und Schulter harte Schützer als Hightech-Schlagschutz verwendet werden, die nicht wie der Anzug 30 Liter Luft durchlassen müssen."

Und das Thema Helikopter?
Hujara: "Es ist jetzt explizit so, dass es sich um Rettungshubschrauber mit zumindest Bergrettungsausrüstung handeln muss. Das ist auch in Colorado gewährleistet. Nur gibt es dort wegen der extremen Höhenlage keine Seilbergung."

"Wie würden Sie den derzeitigen Sicherheitsstandard bei Weltcuprennen beschreiben?
Hujara: "Was in den vergangenen zehn Jahren entwickelt worden ist, entspricht einem Standard, wie wir ihn noch nie hatten. Bei Abfahrten werden bis zu 18 Kilometer B-Zäune verwendet. Wir reden da auch von Investitionen, die früher nicht vorstellbar waren. Mit der Formel 1 ist das natürlich nicht vergleichbar. Dort gibt es permanente Strecken mit Sturzzonen, wir müssen beinahe jeden Tag unser Spielfeld neu bauen. Und natürlich haben wir nicht das riesige Gelder wie die Formel 1."

Dürfen Kostenfragen in einem so gefährlichen Sport überhaupt ein Thema sein?
Hujara: "Unser Problem ist, dass unser Sport selbst eine Profiliga ist, wir aber sehr viel Organisationsstrukturen im Amateurbereich haben. Alleine die passive Sicherheit verschlingt einen überragend hohen Anteil an den Gesamtkosten von Rennen. Dazu kommt, dass die Produktion von Kunstschnee keine billige Angelegenheit ist."

Kann Skisport jemals komplett sicher sein?
Hujara: "Hundertprozentig nicht. Geschwindigkeit birgt stets das Risiko von Verletzungen. Im Skirennsport kommen zusätzliche Faktoren hinzu, auf die der Athlet reagieren muss. Es entstehen so hohe Kräfte, dass selbst kleine Fehler zu weitreichenden Verletzungen führen kann. Das wissen die Athleten aber, wenn sie sich oben abstoßen. Sie sind sich über die Risiken des Jobs, den sie gewählt haben, sehr bewusst. Was sie aber zurecht fordern, ist, dass das Bestmögliche für ihre Sicherheit gemacht wird. Das werden wir weiterhin tun."

Sind also Stürze wie jener von Lanzinger nie auszuschließen?
Hujara: "Es war ein Sturz ohne anderen Einfluss, als dass die Bindung nicht ausgelöst hat. Selbst eine Tempokontrolle erhöht umgekehrt die technische Beanspruchung. So etwas kann man nicht bis ins Endlose treiben."

Bode Miller meinte unlängst, selbst Tote würden die FIS nicht zu mehr Sicherheit bewegen. Ärgert Sie das?
Hujara: Ja, sehr. Weil er ein intelligenter Kerl ist und weiß, dass es nicht stimmt. Eine dumme Aussage."

Was stimmt vielmehr?
Hujara: "Dass wir alles tun, um die bestmögliche Sicherheit zu gewährleisten. Wir können am Berg aber nur umsetzen, was uns zur Verfügung steht. Wir können also weder einen ganzen Berg umbauen oder ihn in Watte verpacken, damit die Läufer nur noch den Kopf zwischen die Arme nehmen brauchen."

Sie tragen eine große Verantwortung. Wie lange werden Sie den Job noch machen?
Hujara: "Bis ich nicht mehr sicher bin, dass ich es so mache wie jetzt. Dann bin ich der Allererste, der sagt, jetzt ist Schluss, es muss ein anderer her. Natürlich ist da eine gewisse Angst, trotz aller Akribie etwas zu übersehen. In unserem Job darf man keine Sekunde in Routine verfallen."

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(Bild: KMM)



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