Prächtige Idomeneo-Bilder in der Infobox!
"Wenn Sie in der Zeitung schreiben, 'Idomeneo' ist eine Opera seria, schreib ich einen Leserbrief!", mahnte Harnoncourt im Vorfeld. Er sieht die Oper mit ihren Intermezzi, Chaconnen und ausgedehnten Balletteinlagen in der französischen Tradition der Tragdie lyrique.
Konservativ, aber nicht traditionell
Um die eigenwillige Dramaturgie mit dem großen Schlussballett nicht der Willkür eines Regisseurs beugen zu müssen, übernahm Harnoncourt, unterstützt von Sohn Philipp, selbst die Regie. Es ist eine konservative Inszenierung - aber nicht, weil sie sich an eine Aufführungstradition anlehnt, sondern zurück will zur Ursprünglichkeit der Vorlage.
Weißes Züricher Ballett
Unspektakulär, in bisweilen bewegender Schlichtheit (etwa in der Schilderung der Soldaten-Heimkehr) läuft das Musikdrama im reduzierten Bühnenbild Rolf Glittenbergs ab. Ein stilisiertes, klassizistisches Kreta, über das Neptun wie ein marmorner "Big Brother" wacht. Am Ende wird Idomeneos Rachegott-gläubiges System mitsamt seinen Menschenopfern überwunden. Befreit vom Mythos bricht mit Herrscher Idamante ein neuer Menschheits-Tag an: Das Züricher Ballett darf in weißen Gewändern tänzerisch wunderbar auftrumpfen. Dass Heinz Spoerlis Choreografie so auch von der Überheblichkeit der neuen Machthaber erzählt, beschert ein intensives Finale.
Klang-Zauber
Harnoncourts Mozartklang ist flexibler und runder geworden, von ungeheuer feiner Textur, der Concentus Musicus spielt farbig und differenziert. "Idomeneo" ist hier auch Natur- und Mythen-Schilderung. Vom sanften Wiegen Zephyrs bis zu den unerbittlichen Meeresstürmen Neptuns präsentiert sich hier die ganze Ausdruckspalette des Originalklang-Zaubers.
Arie und Gänsehaut
Das Ensemble wird vom blutjungen, kraftvollen Tenor Saimir Pirgu als Idomeneo angeführt. Die Bravour-Arie "Fuor del mar" erregt Gänsehaut: Bei Pirgu sind Koloraturen nicht Verzierungen, sondern Ausdruck einer im innersten aufgewühlten Seele. Die Dynamik ist ausgefeilt, die Technik souverän - Pirgu ist ein Superstar in spe.
"Gegensätzliches" Erlebnis für sich
Marie-Claude Chappuis singt einen Idamante der Zwischentöne. Der Prinz ist nicht Held, sondern verunsichertes, halbes Kind: Ein Cherubino, den es nach Kreta verschlagen hat. Eva Meis Elettra ist keine Vettel, sondern liebende Frau. Dramatische Reserven deutet sie oft nur an, ihre zweite Arie gelingt prächtig klangsinnlich. Julia Kleiter singt die Ilia wunderbar, mit warmem Leuchten. Jeremy Ovenden, Rudolf Schasching und Yasushi Hirano komplettieren das homogene Ensemble. Und der präzise Schoenberg Chor ist ein Erlebnis für sich.
von Martin Gasser, "Steirerkrone"; alle Fotos (c) Werner Kmetitsch, "styriarte"
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