Sprachförderung

Kurz für Deutsch-Förderjahr und “Crashkurse”

Österreich
17.09.2012 13:13
Dass Kinder bei ihrem Schuleintritt ausreichend jene Sprache beherrschen sollten, in der der Unterricht abgehalten wird, ist eine der Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Schullaufbahn. Weil dies in Österreich aber nicht immer der Fall ist, hat sich Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz am Montag für eine Änderung des Systems der schulischen Sprachförderung ausgesprochen. Seine Vorschläge gehen von einem Deutsch-Förderjahr bis hin zu drei- bis sechsmonatigen "Sprach-Crashkursen". Im Unterrichtsministerium hat man wenig Freude an Kurz' Idee von "Gettoklassen" und sieht ihn auch schlecht informiert.

In Österreich aufgewachsene Kinder ohne ausreichende Sprachkenntnisse sollten im Rahmen eines Vorschulsystems ein Deutsch-Förderjahr absolvieren, so Kurz, später zugewanderte "Quereinsteiger" am Schulstandort drei- bis sechsmonatige "Crashkurse" machen, bevor sie den Unterricht in ihrer Stammklasse besuchen. In Fächern wie Turnen oder Zeichnen, wo Sprachkenntnisse nicht so entscheidend sind, sollen sie dagegen von Anfang an mit allen anderen unterrichtet werden.

"Nicht die Herkunft soll über den Bildungserfolg entscheiden"
Kurz stützt sich bei seiner Forderung auf einen ersten Austausch mit dem Vorsitzenden des Expertenrats für Integrationsfragen, Heinz Fassmann, sowie dem für Bildungsfragen zuständigen Ratsmitglied Ilan Knapp, wie er sagt.

Derzeit gebe es "enorme Probleme bei der Sprachförderung": Kinder mit Migrationshintergrund würden viermal so häufig die Schule ohne Abschluss verlassen wie "einheimische". Bei der PISA-Studie habe sich zudem gezeigt, dass die Unterschiede bei der Lesefähigkeit zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund im OECD-Vergleich in Österreich besonders weit auseinanderliegen.

Kurz: "Ich will, dass in Österreich nicht die Herkunft über den Bildungserfolg entscheidet, sondern der Fleiß und das Talent. Derzeit ist beim Schuleintritt die Chancengleichheit einfach nicht gegeben, weil viele sprachlich noch nicht fit für den Unterricht sind."

"Trend geht ohnehin in Richtung eines modularen Systems"
Das derzeitige System der Sprachförderkurse, bei denen außerordentliche Schüler mit Sprachproblemen nur bis zu elf Stunden in der Woche entweder in eigenen Gruppen oder per Stützlehrer integrativ im Unterricht mit allen anderen Kindern gefördert werden, hält Kurz nicht für sinnvoll. "Es hapert daran, dass wir die Ressourcen nicht richtig einsetzen. Wir haben unzählige Kinder im Schulsystem, die Mathe- oder Sachunterricht über sich ergehen lassen müssen, ohne ein Wort Deutsch zu verstehen."

Stattdessen sollten in Österreich aufgewachsene Kinder ohne ausreichende Sprachkenntnisse beim Eintritt in die Volksschule zunächst einmal in eigenen Gruppen unterrichtet werden, so Kurz. Diese sollten so durchlässig wie möglich gestaltet sein - Fächer wie Turnen könnten so in der eigentlichen "Stammklasse" absolviert werden. Wer seine Sprachrückstände aufgeholt hat, könne ebenfalls in die "Stammklasse" wechseln. Dies stehe auch im Einklang mit generellen Entwicklungen in der Schule: "Der Trend geht ohnehin in Richtung eines modularen Systems."

Wer erst später zuwandert und ins Schulsystem quer einsteigt, soll laut Kurz bei Sprachproblemen mit "Crashkursen" in Kleingruppen fit gemacht werden, bevor er mit allen anderen Kindern den Fachunterricht besucht.

Unterrichtsministerium gegen "Gettoklassen"
Wenig Freude hat man im Unterrichtsministerium mit Kurz' Ideen: "Wir sind gerne bereit, über alle konstruktiven Vorschläge zu diskutieren, nicht aber über Gettoklassen, wie das die FPÖ und der Herr Staatssekretär fordern", hieß es am Montagvormittag. Viele Forderungen von Kurz seien überdies bereits umgesetzt oder "sehr undifferenziert".

Auch die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl sieht Kurz schlecht informiert: In Wien sei die Förderung von Kindern ohne ausreichende Deutschkenntnisse in der Vorschule bereits Realität. "So werden derzeit in 119 Vorschulklassen wienweit Kinder mit mangelnder Schulreife in genau solchen Vorschulklassen betreut und fit für den Regelschulunterricht gemacht", so Brandsteidl in einer Aussendung. Ebenso verhalte es sich mit der Forderung des Staatssekretärs nach eigenen Deutschkursen für ältere Kinder.

Für die Grünen bedeuten Kurz' Vorschläge eine "Trennung der SchülerInnen von Kleinkindalter an statt Integration", kritisierte Integrationssprecherin Alev Korun. "Statt Kinder mit Sprachdefiziten vom ersten Tag ihrer Schullaufbahn an faktisch in 'Problemklassen' zu stecken, braucht es mehr Lehrkräfte in ein und derselben Klasse."

FPÖ: Von dieser Regelung würden alle profitieren
Angetan zeigte sich dagegen FP-Bildungssprecher Walter Rosenkranz per Aussendung: "Schön, wenn sich die ÖVP mit Verzögerung von ein paar Jahren endlich den Forderungen der FPÖ anschließt." Eine Entstehung von "Gettoklassen" sieht Rosenkranz nicht: "Von einer solchen Regelung profitieren nicht nur Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen, hauptsächlich Zuwanderer, sondern auch die Kinder, die in den Regelklassen rascher im Stoff weiterkommen." Auf lange Sicht würden so auch homogenere Klassengemeinschaften gebildet.

Erfreut sich auch BZÖ-Chef Josef Bucher. "Es darf nicht länger Usus sein, dass Kinder mit nicht deutscher Muttersprache in die Schule eintreten und dort Deutsch von Grund auf erlernen müssen und mit diesem Rückstand auch die anderen Schüler am Lernfortkommen behindern", so Bucher. Er will nun die entsprechenden Vorschläge von Kurz per Antrag im Parlament einbringen.

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