Kärntner Rechtsruck

Dörfler färbt das Land orange

Österreich
02.03.2009 17:57
Der Super-Wahlsonntag am 1. März hat in Kärnten einen deutlichen Rechtsruck gebracht. Das BZÖ fuhr mit 45,5 Prozent einen fulminanten Wahlsieg ein, der nicht einmal von den eigenen Leuten erwartet worden war. Auch die seit langem schwächelnde ÖVP hat sich erholt, das Plus von 4,9 Prozentpunkten war der größte Zugewinn bei dieser Wahl. Die SPÖ schlitterte in ein Debakel, wobei durch die Zusammenlegung von Landtags- und Kommunalwahlen die Bürgermeister mitgerissen wurden. Es gibt mehrere Gründe für dieses überraschende Resultat, das übrigens kein einziger Meinungsforscher auch nur ansatzweise vorhergesagt hat.

Zum Einen wurde der Faktor Jörg Haider offenbar sträflich unterschätzt, und zwar sowohl von den Auguren als auch von der SPÖ. Zum anderen zeigte der unglaubliche Materialeinsatz der Orangen offenbar Wirkung. Inwieweit die medialen Attacken auf Spitzenkandidat Gerhard Dörfler ob dessen "witziger" Ausrutscher eine zusätzliche Solidarisierung der Wähler ausgelöst hat, ist nicht geklärt. Sicher ist aber, schon kraft des Resultates, dass die hemdsärmelige Anpacker-Attitüde Dörflers beim Wählervolk deutlich besser ankam als der blasse Funktionär Reinhart Rohr.

Schwaches Profil des SPÖ-Kandidaten
Das schwache Profil des SPÖ-Spitzenkandidaten wurde vom BZÖ denn auch weidlich ausgenützt. Genüsslich wurde bei jeder Wahlveranstaltung getrommelt, dass Rohr ein "ewiger Funktionär" sei, der nie einen richtigen Job gehabt hätte. Rohr, der nicht zum Populismus neigt, hatte dem Trommelfeuer der Orangen ebenso wenig entgegenzusetzen wie dem Faktor Haider. Er versuchte, den im Oktober bei einem Autounfall getöteten BZÖ-Gründer in seiner Wahlkampagne völlig zu ignorieren, der Name Haider kam bei ihm nicht vor. Das allein dürfte es aber nicht gewesen sein. Die Wähler trauten dem SPÖ-Mann offenbar keine Führungskompetenz zu.

Dazu kamen Fehler in der Wahlkampagne. Als solcher erwies sich etwa der Verzicht auf eine klassische Wahlkampf-Auftaktveranstaltung. Stattdessen wurde eine Pressekonferenz ins Internet übertragen, der Motivationsfaktor, den eine Zusammenkunft mit Musik und Wahlreden für die eigenen Leute darstellt, wurde von den Parteistrategen sträflich vernachlässigt.

Anti-Wien-Reflex durch Strache
Eine herbe Niederlage setzte es für die FPÖ. Die Blauen nahmen enorm viel Geld in die Hand, um im orangen Kernland zu punkten und sich als die wahren Erben Haiders zu positionieren. Dieses Unterfangen ging gründlich daneben. Die Zugkraft von Spitzenkandidat Mario Canori wurde überschätzt, vor allem in ländlichen Gebieten konnte der smarte Unternehmer und Fußball-Präsident überhaupt nicht punkten.

Und die häufigen Auftritte von Heinz-Christian Strache waren wohl kontraproduktiv. Damit wurden Anti-Wien-Reflexe geschürt, dazu kommt, dass gerade Haider-Wähler Strache als "Kopie" ihres Idols ablehnen. 3,8 Prozent ist zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel, Parteiobmann Franz Schwager hat denn auch bereits seinen Rücktritt angekündigt.

ÖVP warb unverhohlen um Haider-Wähler
Das hat die ÖVP besser hingekriegt. Die Schwarzen stellten ihren Obmann als stabilen Faktor in wirtschaftlichen Krisenzeiten dar und warben unverhohlen um Haider-Wähler. Sie schalteten Testimonials von Kärntnern, die erklärten, beim letzten Mal Haider gewählt zu haben, diesmal aber schwarz zu wählen. Das funktionierte so gut, dass Martinz fast fünf Prozentpunkte zulegte. Nicht vergessen darf man dabei, dass er mit 16,5 Prozent immer noch das zweitschlechteste Ergebnis der Parteigeschichte erreichte. Vor dem Absturz 2004 hatte die ÖVP nie unter 20 Prozent gehabt, bis 1979 lag sie mit einer Ausnahme sogar stets über 30 Prozent.

Grüne einfach zerrieben
Ziemlich danebengegangen ist die Wahl für die Grünen. In Kärnten ohnehin chronisch schwach, hatten sie vor fünf Jahren erstmals den Einzug in den Landtag geschafft, diesmal wurden sie in dem Duell Orange-Rot einfach zerrieben. Die 4,99 Prozent könnten zwar durch die Wahlkarten noch soweit aufgebessert werden, dass sie im Landesparlament bleiben, doch vom Wahlziel 8,1 Prozent und drei Mandate sind sie meilenweit entfernt. Ihr Wahlkampf war zwar erstmals von einer Agentur gemanagt, sie drangen mit ihren Themen aber einfach nicht durch. Landessprecher Rolf Holub will seinen Rücktritt anbieten, doch eine Alternative ist weit und breit nicht in Sicht. 

Sozialressort in Kärnten wird orange
Die SPÖ wird in der kommenden Regierung wohl nur noch marginale Bedeutung haben, Dörfler hat bereits vor dem Urnengang angekündigt, das Sozialressort orange besetzen zu wollen. Mit seiner absoluten Mehrheit in der Regierung kann er dies nun umsetzen, er braucht dafür nicht einmal einen Partner. Der ÖVP-Landesrat wird wohl etwas besser aussteigen, immerhin braucht das BZÖ die Unterstützung der Schwarzen für die Wahl Dörflers zum Regierungschef. Die einst stolze Sozialdemokratie wird im südlichsten Bundesland vorerst kleinere Brötchen backen.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele